Indien braucht sich bald niemand mehr zu furchten, so belegt eine neueste Untersuchung des Wiener »Zukunftsinstituts«: Weil die Lohne in den Schwellenlandern bereits kontinuierlich steigen, Transportkosten aber aufgrund von Energie- und Umweltauflagen immer hoher ausfallen, wird es zu einer Rucklagerung der Arbeitsplatze kommen. China und Indien werden keineswegs mit dauernden Dumpinglohnen die Weltwirtschaft dominieren, denn bereits der nachste asiatische oder indische Boom durfte von einer anspruchsvolleren Mittelschicht betrieben werden und nicht, wie bisher, von verarmten Wanderarbeitern, denen jeder Arbeitsplatz recht ist. Auch in den Schwellenlandern steigen die Anspruche der Arbeitnehmer, zumal da weltweite Medien den Standard des Westens standig vor Augen fuhren. Besonders China wird damit beschaftigt sein, viele hausgemachte, in der Eile des Aufschwungs bislang »ubersehene« Probleme zu meistern: den vermehrten Umweltverbrauch, die ethnischen Spannungen und vor allem auch die Probleme, die auf eine schnell alternde, relativ geburtenschwache Nation zukommen, die bis jetzt keine Altersversicherung und kein zukunftstrachtiges Gesundheitssystem kennt.
Und noch ein wesentliches gesellschaftliches Verhalten sehen die Zukunftsforscher in positivem Wandel: Hatte man nach dem Zweiten Weltkrieg in allen fuhrenden Industriestaaten auf gigantische Produktionssteigerung, wirtschaftlichen Aufschwung und vermehrten Konsum gesetzt, so scheint mit der Jahrtausendwende eine langfristige Trendumkehr eingelautet: Der Jagdtrieb der Konsumenten im Sinne einer »Geiz-ist-geil«-Mentalitat erschlafft. Der moderne Mensch wird es allmahlich leid, nur noch und ausschlie?lich als Konsument verstanden zu werden, zu dem ihn die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Von der Ruckkehr zu geistig-kulturellen Werten, einer »Back-to-Basic«-Strategie, versprechen sich nicht nur satte Wohlstandsburger eine Reduktion ihres Alltagsstresses, sondern ganz messbar wachst weltweit der Sinn fur die altbekannte Tatsache, dass der Mensch eben nicht vom Brot allein lebt.
Noch etwas ist gerade dabei, die Welt zum Guten zu revolutionieren: Die Speicherung und Weitergabe von Informationen wird durch die neuen technischen Moglichkeiten radikal entgrenzt und demokratisiert. In Zukunft wird es fur Politiker und sonstige Machthaber kaum mehr moglich sein, Dinge zu tun, die unentdeckt bleiben oder bei denen sie auf dauernde Verschleierung hoffen durfen. Sogar die unvergleichlichen Graueltaten eines Adolf Hitlers waren wahrscheinlich anders verlaufen, wenn vor siebzig Jahren die enorm wachsende mediale Transparenz fur ihn und seine Spie?gesellen schon absehbar gewesen ware. Denn liest man in den historischen Dokumenten, was Hitler am 22. August 1939 unmittelbar vor Kriegsbeginn seinen funfzig Generalen aller Waffengattungen auf dem Obersalzberg unverblumt diktierte, muss man daraus schlie?en, dass Hitler tatsachlich davon ausging, sein furchtbarer Volkermord wurde im Bewusstsein der Menschen schnell verblassen und letztlich ungesuhnt bleiben. Schon damals benannte er seine bereits in »Mein Kampf« klar definierte Absicht der »Schaffung neuen Lebensraums im Osten fur die arische Rasse« als eigentliches Kriegsziel, fur das es notwendig sei, »einstweilen nur im Osten Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken«. Und er fugte hinzu: »Wer redet heute noch uber die Vernichtung der Armenier?!«, also den Volkermord, den das Os-manische Reich in den Jahren 1915 bis 1917 an bis zu 1,5 Millionen Armeniern begangen hatte. Nebst der Tatsache, dass die Fuhrung der Deutschen Wehrmacht Hitlers verbrecherische Plane von Anfang an gekannt hat, machen diese Worte deutlich: Hitler rechnete offenbar mit der Moglichkeit eines ungestraften Genozids - eine Hoffnung, die sich zuletzt sogar noch in Politiker- und Generalskopfen in den Kriegen Ex-Jugoslawiens halten konnte, die aber angesichts der neuen medialen Moglichkeiten glucklicherweise keiner Realitat mehr entspricht.
Und dann sind plotzlich die acht Schwebeminuten um, und wir werden beim Eintritt in die Erdatmosphare heftig in die Polster unserer Sitze gedruckt. Die Schwerkraft hat uns wieder. Die heikle, aber auch schone Aufgabe, unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten, ist wieder physisch spurbar. Und wenn wir aus dem
Wir werden ihnen von unseren Zukunftshoffnungen erzahlen. Und dann und wann, wenn wir nicht so recht weiterwissen, werden wir wieder in den dicken Geschichtsbuchern blattern, um zu sehen, was unsere Vorfahren richtig oder falsch gemacht haben.
Wir werden wieder in der Geschichte unterwegs sein, um zu sehen, was ihr Schicksal uns rat. Denn wie hatte der Universalgelehrte und Grunder der Berliner Universitat, Wilhelm von Humboldt, schon gewusst: »Nur wer die Geschichte kennt, hat eine Zukunft.«
Dank
an die Co-Autoren dieses Buches:
Dr. Hans-Helmut Hillrichs, studierte Germanistik, Psychologie und Philosophie in Gottingen und Mainz. Er leitete die Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft, einen der gro?ten Programmbereiche des ZDF. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher historischer Bucher und kulturgeschichtlicher Veroffentlichungen.
Dr. Ingo Hermann, Trager des deutschen Journalistenpreises, war Leiter der ZDF-Redaktion Kultur, Bildung und Gesellschaft und hat als Horfunk- und Fernsehautor zahlreiche Arbeiten zu historischen, religionsgeschichtlichen, medien- und bildungspolitischen Themen veroffentlicht. Zuletzt erschienen seine Biografien »Hardenberg«, »Knigge« und »Casanova«.
Gunther Klein, studierte evangelische Theologie, Journalistik, Kunstgeschichte und Jura in Munchen, Wien und Mainz. Er ist freier Autor und Filmemacher und war zuvor Redaktionsleiter der IFAGE-Filmproduktion, spezialisiert auf Prime-Time-Dokumenta-tionen. Zahlreiche Veroffentlichungen zu historischen Themen. Bayerischer Filmpreis fur die zwolfteilige Reihe »2000 Jahre Christentum«, Filmprofessor an der Hochschule Rhein-Main.
Dank auch an den Fachbearater Prof. Dr. Alexander Demandt, Autor vieler historischer Fachpublikationen und Sachbucher, u. a. »Kleine Weltgeschichte«.
Bildnachweis
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