Der Bar warf einen forschenden Blick auf ihn und antwortete dann:»Mein wei?er Bruder tragt jetzt einen langeren Bart als fruher; aber ich erkenne ihn doch wieder.«

«Nun, wer bin ich?«

«Einer von den beiden Bleichgesichtern, welche hier oben einen ganzen Winter zubrachten. Damals lebte Ikhatschi-tatli noch, der gro?e Vater, welcher krank war, und von ihnen gepflegt wurde, bis er starb.«

«Ja, wir pflegten ihn, und er war uns dankbar dafur. Er gab uns ein Geschenk, dessen sich der» gro?e Bar «vielleicht erinnern wird.«

«Ich wei? es, «nickte der Rote, aber in einer Weise, als ob er sich nur ungern an diesen Umstand erinnern lasse.

«Es war ein Geheimnis, welches er uns anvertraute, ein Geheimnis von einem Schatze, welcher hier verborgen liegt.«

«Ja; aber der gro?e Vater hatte sehr unrecht, als er von diesem Geheimnisse sprach. Er war alt und schwach geworden, und die Dankbarkeit verhinderte ihn, sich zu erinnern, da? er ewiges Schweigen gelobt hatte. Er durfte von diesem Geheimnisse, welches sich auf die Nachkommen zu vererben hat, nur zu seinem Sohne und Enkel sprechen. Die Gegenstande, um welche es sich handelt, waren nicht sein Eigentum; er durfte nicht das Geringste verschenken. Ganz besonders aber war es seine Pflicht, gegen Bleichgesichter zu schweigen.«

«So meinst du, da? ich nicht das Recht habe, von dieser Sache zu sprechen?«

«Ich kann es dir nicht verbieten.«

«Wir hatten eine Zeichnung daruber.«

«Die nutzt dir nichts, denn wenn du dich nach derselben richtest, wirst du nichts finden. Ich habe den aufbewahrten Gegenstanden einen andern Platz gegeben.

«Und den darf ich nicht erfahren?«

«Nein.«

«So bist du weniger dankbar als dein Vater!«

«Ich thue meine Pflicht, werde es dir aber nicht vergessen, da? du bei seinem Tode zugegen gewesen bist. Auf die Ausnutzung des Geheimnisses mu?t du verzichten; jeden andern Wunsch aber werde ich dir mit Freuden erfullen.«

«Ist das dein Ernst?«fragte da Old Firehand schnell.

«Ja. Meine Worte sind stets so gemeint, wie ich sie spreche.«

«So werde ich an Stelle dieses unsres Gefahrten einen Wunsch aussprechen.«

«Thu es! Liegt es in meiner Macht, so werde ich denselben gern erfullen.«

«Wem gehort das Land, auf welchem wir uns hier befinden?«

«Mir. Ich habe es von den Timbabatschen erworben und werde es einst meinem Sohn, dem» kleinen Baren «hinterlassen.«

«Kannst du dein Recht darauf beweisen?«

«Ja. Bei den roten Mannern gilt das Wort; die wei?en Manner aber verlangen ein Papier mit schwarzen Buchstaben. Ich habe ein solches anfertigen und von den wei?en Hauptlingen unterschreiben lassen. Es ist auch ein gro?es Siegel darauf. Das Land am Silbersee, so weit es rundum von den Bergen eingefa?t wird, ist mein Eigentum. Ich kann mit demselben thun, was mir beliebt.«

«Und wem gehort der Felsenkessel, durch den wir heut gekommen sind?«

«Den Timbabatschen. Die wei?en Hauptlinge haben die ganze Gegend ausgemessen und abgezeichnet; dann hat der wei?e Vater in Washington sich unterschrieben, da? sie Eigentum der Timbabatschen ist.«

«Diese konnen also davon verkaufen, verpachten oder verschenken, ganz wie es ihnen gefallt.«

«Ja, und niemand darf etwas dagegen haben.«

«So will ich dir sagen, da? ich den Felsenkessel von ihnen kaufen will.«

«Thue es!«

«Du bist einverstanden?«

«Ja. Ich kann es ihnen nicht verbieten, zu verkaufen, und dir nicht, zu kaufen.«

«Darum handelt es sich nicht, sondern darum, ob es dir lieb oder unlieb ist, uns in deine Nachbarschaft zu bekommen.«

«Euch? Nicht blo? dich? So wollt ihr alle im Kessel wohnen?«

«Allerdings. Ich will auch die Strecke bis an deine Grenzen kaufen, in welcher die Felsenenge liegt.«

Das Gesicht des» gro?en Baren «nahm einen pfiffigen Ausdruck an, als er fragte:»Warum wollt ihr grad an einer Stelle wohnen, an welcher es kein Wasser gibt, und wo kein einziger Grashalm wachst? Der Wei?e kauft nur solches Land, welches ihm gro?en Nutzen bringt. Ich errate eure Gedanken. Es ist der Stein, der Felsen, welcher Wert fur euch hat.«

«Das ist richtig. Aber er gewinnt erst dann an Wert, wenn wir Wasser bekommen konnen.«

«Nehmt es euch aus dem See!«

«Das ist es, was ich mir von dir erbitten wollte.«

«Du sollst so viel haben, wie du brauchst.«

«Darf ich eine Leitung anlegen?«

«Ja.«

«Du verkaufst mir das Recht dazu, und ich bezahle es dir?«

«Wenn der Kauf notwendig ist, so habe ich nichts dagegen. Du magst einen Preis bestimmen, aber ich schenke ihn dir. Ihr habt mir einen gro?en Dienst geleistet; ohne euch waren wir in die Hande der Utahs gefallen; ich werde alle deine Wunsche erfullen. Dieser Mann, welcher vorhin mit mir sprach, wollte die Schatze des Geheimnisses haben; das darf ich nicht zugeben; dafur werde ich euch aber behilflich sein, die Schatze des Felsenkessels auszubeuten. Du horst, da? ich errate, um was es sich handelt. Es soll mich freuen, wenn eure Hoffnungen nicht zu Schanden werden.«

«Das la? ich mir gefallen, «flusterte der Hobble-Frank seinem Vetter zu.

«Das Wasser haben wir also mehrschtenteels schon; wenn dann das Gold ooch so bereitwillig flie?t, so konnen wir bald Crassussens schpielen.«

«Meenste vielleicht Krosussens? Krosus is doch wohl derjenige Konig gewese, der so schteenreich gewese is?«

«Fang mir nich etwa ooch so an wie der dicke Jemmy, der immer in die falsche Konterpunktion gerat! Crassus is die richtige Modulation. Wennste mein Freund und Vetter bleiben willst, so — horch!«

Vor dem Eingange lie? sich ein Pfiff horen. Das war das mit den Rafters verabredete Zeichen. Die Wei?en sprangen auf und eilten nach dem Eingange des Thales. Die Roten blieben sitzen. Vorn angekommen, erfuhren sie, da? man aus der Gegend der Felsenenge ein Gerausch wie Huftritte gehort habe. Es wurden schnell die notigen Ma?regeln getroffen. Die Wei?en lagen unter und hinter den Baumen versteckt und warteten mit Spannung auf das, was nun kommen werde.

Vor ihnen lagen die bereits erwahnten Busche. Die Zwischenraume derselben wurden vom Monde hinreichend beleuchtet. Hobble-Frank und Droll lagen nebeneinander. Sie hatten einen ziemlich freien Raum vor sich, den sie mit scharfen Blicken uberwachten.

«Du, «flusterte Frank,»bewegt sich nich etwas dort links am Busche?«

«Ja. Ich sah drei dunkle Punkte. Das musse Indianersch sein.«

«Gut! Die sollen gleich schpuren, da? ich jetzt Besitzer eenes feinen Gewehrs bin.«

Er legte an. Da erhob sich einer der Indianer, um den freien Raum schnell zu uberspringen. Er war im Lichte des Mondes deutlich zu erkennen. Der Schu? Franks krachte, und der Indianer fiel, in die Brust getroffen, nieder. Seine beiden Kameraden sprangen zu ihm hin, um ihn in Sicherheit zu bringen; ein Rafter scho? auf sie, traf aber nicht; sie verschwanden mit dem Toten.

Es verging einige Zeit, ohne da? man ferner etwas horte oder sah. Das war auffallig. Darum kroch Winnetou vorwarts, um den vorn liegenden Raum vorsichtig abzusuchen. Nach ungefahr einer Viertelstunde kehrte er nach der Stelle zuruck, an welcher er sich mit Old Firehand, Shatterhand und dem» gro?en Baren «befunden hatte, und meldete:»Die Krieger der Utahs haben sich geteilt. Die eine Halfte von ihnen halt mit allen Pferden dort links, wo der Weg aus dem Felsenkessel mundet; die andern sind rechts am Beginn des Canons; dort haben sie ein Loch geoffnet, in welchem sie verschwinden.«

«Ein Loch?«fragte der» Bar «erschrocken.»So kennen sie den unterirdischen Gang, und mein Geheimnis ist verraten. Das kann kein andrer als das» lange Ohr «gethan haben. Wie hat er das erfahren konnen? Kommt mit

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