sterben!«

Es war die Stimme des» gro?en Baren«. Der Timbabatsche erkannte sie.

«Ich bin ja kein Utah. Schie? nicht!«antwortete er voller Angst.

«Wer bist du denn?«

«Dein Freund, der Hauptling der Timbabatschen.«

«Ach, das» lange Ohr«! So hast du erst recht den Tod verdient, denn du bist ein Abtrunniger, ein Verrater.«

«Nein, nein! Du irrst!«

«Ich irre nicht. Du hast dich auf irgend eine Weise in mein Geheimnis geschlichen und es den Utahs mitgeteilt. Nun magst du so ertrinken, wie sie ertrunken sind.«

«Ich habe nichts verraten!«beteuerte der Rote voller Angst, denn das Wasser stieg ihm schon bis an die Knie.

«Luge nicht!«

«La? mich hinauf! Bedenke, da? ich stets dein Freund gewesen bin!«

«Nein, du bleibst unten!«

Da lie? sich eine andre Stimme horen, namlich diejenige Old Firehands:»La? ihn herauf! Es ist des Furchterlichen genug geschehen. Er wird seine Sunde eingestehen.«

«Ja, ich gestehe es; ich werde euch alles, alles sagen!«versicherte das» lange Ohr«, denn das Wasser reichte ihm schon fast bis an die Hufte.

«Gut, ich will dir das Leben schenken und hoffe, da? du mir dafur dankbar sein wirst.«

«Meine Dankbarkeit wird ohne Grenzen sein. Sage mir, was du willst, und ich werde es thun!«

«Ich halte dich beim Wort. Nun komm herauf!«

Der Rote warf, um mit beiden Handen klettern zu konnen, die Fackel in das Wasser und stieg hinauf. Als er oben anlangte, sah er sich in demjenigen Raume des Inselgebaudes, in welchem sich der Herd befand. Vor der offenen Thur brannte ein Feuer, und bei dem hereinfallenden Scheine desselben sah er den gro?en Baren, Old Firehand und Old Shatterhand. Er sank vor Mudigkeit und infolge der ausgestandenen Angst nieder, raffte sich aber schnell wieder auf, um hinaus zu springen und rief:»Fort, fort, hinaus, sonst kommt das Wasser, ehe wir uns retten konnen!«

«Bleib hier!«antwortete der» gro?e Bar«.»Du hast von dem Wasser nichts mehr zu befurchten, denn es kann im Innern der Insel nicht hoher steigen, als es drau?en steht. Du bist gerettet und wirst uns nun erzahlen, wie du von deinem Posten weg- und hierhergekommen bist.«

Als Old Shatterhand im Canon seine kuhne Rekognition beendet hatte, war er zu den Gefahrten zuruckgekehrt. Sie und die Timbabatschen lagen schweigsam in ihren Verstecken, denn die Aufmerksamkeit aller mu?te nach drau?en gerichtet sein, da den Utahs sehr wohl ein heimliches Herbeischleichen zuzutrauen war.

Es mochte ungefahr eine Stunde vergangen sein, als Old Shatterhand der Gedanke kam, wieder nach den Posten zu sehen. Er schlich sich hinaus und zunachst nach der Stelle, an welcher er das» lange Ohr «gelassen hatte; sie war leer. Er begab sich zu dem nachstpostierten Timbabatschen, um ihn zu fragen, und erfuhr von demselben, da? sein Hauptling fortgeschlichen sei.

«Wohin?«

«Zu den Utahs. Er ist noch nicht wieder zuruck.«

«Seit wann ist er fort?«

«Seit einer Stunde fast.«

«Dann mu? ihm ein Unfall widerfahren sein; ich werde nachsehen.«

Der Jager legte sich nieder und kroch dahin, wo er vorher die feindlichen Wachter gesehen hatte; sie waren fort. Er kroch weiter. Da, wo die Utahs den ganzen Canon quer ausgefullt hatten, war kein einziger von ihnen zu sehen. Old Shatterhand forschte mit au?erster Vorsicht weiter nach. Er sah und fand keinen Utah, aber auch den Hauptling nicht. Das war mehr als besorgniserweckend. Er kehrte zuruck, um Winnetou und Old Firehand zu holen, damit diese sich an dem Nachforschen beteiligen sollten. Alle ihre Muhe war vergeblich. Die drei Manner drangen eine bedeutende Strecke in dem Canon vor, ohne auf einen Feind zu sto?en, und kehrten mit dem Resultate zuruck, da? die Utahs verschwunden seien. Das ware an sich gar nichts Unbegreifliches oder gar Entsetzliches gewesen, wenn nicht das» lange Ohr «mit ihnen verschwunden gewesen ware.

«Sie haben ihn erwischt, «sagte der» gro?e Bar«;»er hat zu viel gewagt. Nun ist's um ihn geschehen.«

«Und wohl auch um uns, «meinte Old Shatterhand.

«Wieso um uns?«

«Mir fallt auf, da? sie sich entfernt haben. Das mu? einen ganz besonderen Grund haben. Der Umstand, da? der Hauptling in ihre Hand geraten ist, kann an und fur sich nicht die Ursache ihres unerwarteten Ruckzuges sein; es mu? vielmehr ein ganz andrer Grund vorhanden sein, der aber mit dem Hauptlinge in Beziehung steht.«

«Welcher Grund konnte das sein?«

«Hm! Ich traue dem» langen Ohr «nicht. Er hat mir nie gefallen.«

«Ich wu?te nicht, weshalb wir ihm mi?trauen sollten. Er hat sich niemals feindlich gegen mich verhalten.«

«Das mag sein; dennoch ist er nicht der Mann, auf den ich mich verlassen mochte. Kennt er die hiesige Ortlichkeit genau?«

«Ja.«

«Kennt er auch den Weg, welcher uber den Felsenkessel nach dem See fuhrt?«

«Er kennt ihn, denn er ist mit mir dort gewesen.«

«So wei? ich genug. Wir mussen sofort aufbrechen, um nach dem See zu gehen.«

«Warum?«

«Weil er den Utahs diesen Weg verraten hat.«

«Das traue ich ihm nicht zu!«

«Aber ich hatte ihn dessen fur fahig. Mag ich mich da irren oder nicht; mag er freiwillig oder gezwungen geplaudert haben, darauf kommt es nicht an; ich bin uberzeugt, da? die Utahs seit einer Stunde fort sind und in zwei Stunden am See erscheinen werden.«

«Das denke auch ich, «stimmte Old Firehand bei.

«Das» lange Ohr «hat kein gutes Gesicht, «meinte Winnetou.»Meine Bruder mogen schnell nach dem See kommen, sonst sind die Utahs eher dort als wir und nehmen Butler und seine Tochter gefangen.«

Da diese drei Manner derselben Ansicht waren, verlor der» gro?e Bar «etwas von seinem Vertrauen und sprach nicht gegen den sofortigen Aufbruch. Man stieg zu Pferde und ritt den Canon hinauf, so gut es in der Finsternis gehen mochte.

Es dauerte wohl eine Stunde, ehe man den Eingang des Seethales erreichte. Dieser wurde besetzt, und zwar von Wei?en, weil nun, da ihr Hauptling abhanden gekommen war, den Timbabatschen nicht mehr ein unbedingtes Vertrauen geschenkt werden konnte.

Butler befand sich nicht mehr auf der Insel. Er hatte mit seiner Tochter in dem Gebaude gesessen; unter ihnen lagen die Gefangenen, welche miteinander sprachen. Ihre Stimmen drangen dumpf noch oben; es klang so geisterhaft, da? Ellen sich zu furchten begann, und sie bat ihren Vater, die Insel zu verlassen und mit ihr hinuber an das Ufer zu gehen. Er erfullte ihre Bitte und ruderte sie hinuber. Als es Nacht geworden war, brannte er ein Feuer an, war aber so vorsichtig, sich nicht an dasselbe zu setzen, vielmehr zog er sich mit Ellen in den Schatten zuruck, wo beide den erleuchteten Platz ubersehen konnten, ohne selbst bemerkt zu werden. Es war fur sie unheimlich, so allein an diesem einsamen und gefahrlichen Orte zu sein; darum freuten sie sich, als die Wei?en jetzt mit den Timbabatschen zuruckkehrten.

Da die Utahs erst in einer Stunde erwartet werden konnten, genugte es, da? die Halfte der Rafters vorn am Eingange postiert waren. Die andern Wei?en lagerten sich um das Feuer; die Timbabatschen brannten sich ein zweites an, bei welchem sie Platz nahmen, um sich uber das Verschwinden ihres Hauptlings zu unterhalten. Sie waren uberzeugt, da? er ganz gegen seinen Willen in die Hande der Utahs geraten sei. Da? die Wei?en ihn im Verdacht der Verraterei hatten, war ihnen wohlweislich verschwiegen worden.

Seit der Ankunft am See hatte Watson, der fruhere Schichtmeister, keine Gelegenheit gehabt, mit dem» gro?en Baren «zu sprechen, und dieser hatte gar nicht darauf geachtet. Jetzt aber, als sie nahe bei einander am Feuer sa?en, meinte der Wei?e zu dem Roten:»Mein roter Bruder hat noch nicht mit mir gesprochen. Er mag mich einmal betrachten und mir dann sagen, ob er sich nicht erinnert, mich bereits einmal gesehen zu haben.«

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