Der Hauptling gab seine Befehle mit leiser Stimme. Bald sa?en alle Utahs im Sattel und ritten den Canon zuruck, erst naturlich mit der gro?ten Vorsicht, um kein Gerausch zu verursachen. Sie erreichten die Stelle, an welcher die Wei?en aus dem Canon nach dem Felsenkessel abgebogen waren, und folgten derselben Richtung.

Der Ritt war jetzt, des Nachts, noch viel beschwerlicher als am Tage; aber die Roten hatten wahre Katzenaugen, und auch ihre Pferde fanden sich leicht zurecht. Es ging die schiefe Ebene hinauf, druben in den Kessel hinab und dann in die Felsenenge hinein, genau auf demselben Wege, den die Wei?en geritten waren. Die letzte Halfte des Rittes wurde dadurch erleichtert, da? der Mond aufgegangen war. Der Weg lag nicht tief und wurde ziemlich hell beschienen.

Genau nach der Schatzung des» langen Ohres «waren drei Stunden vergangen, als die Utahs da ankamen, wo die Baume begannen. Sie hielten an und schickten einige Kundschafter vor, welche erforschen sollten, ob man weiter konne. Sie hatten sich ungefahr funf Minuten entfernt, als ein Schu? und gleich darauf noch einer fiel. Nach kurzer Zeit kehrten sie zuruck, indem sie einen von ihnen getragen brachten. Er war tot.

«Die Bleichgesichter sind nicht mehr im Canon, «wurde gemeldet.»Sie stecken am Eingange zum See und haben auf uns geschossen. Unserem Bruder ist die Kugel in das Herz gedrungen. Er war so unvorsichtig, sich im Mondscheine aufzurichten.«

Diese Nachricht rief das Mi?trauen des» alten Donners «wach. Er glaubte, von dem» langen Ohre «betrogen worden zu sein; er dachte, dieser stehe mit den Wei?en im Bunde und habe von ihnen den Auftrag erhalten, sich absichtlich ergreifen zu lassen, um ihnen die Utahs vor die Gewehre zu liefern. Dem» langen Ohr «gelang es aber, dieses Mi?trauen zu zerstreuen. Er bewies, da? er diese Absicht gar nicht hegen konne, und fugte hinzu:»Die Bleichgesichter haben sich, da sie viel schwacher sind als ihr, in der Dunkelheit des Canons nicht fur sicher gehalten und sind nach dem See gegangen, wo sie glaubten, da? ihr sie nicht uberfallen konnt. Der Eingang zu dem Thale ist so schmal, da? sie ihn gegen euch leicht verteidigen konnen; es ist euch also, vollends jetzt bei Nacht, nicht moglich, ihn zu erzwingen. aber ihr werdet ihnen in den Rucken kommen.

«Wie ist das moglich?«

«Durch den Gang, von welchem ich gesprochen habe. Er mundet nur wenige Schritte von hier. Wir offnen ihn, indem wir die Steine fortnehmen und steigen hinein. Wenn wir die Fackeln anzunden, konnen wir ihm leicht folgen; so gelangen wir in den Turm und steigen im Innern desselben empor, um auf die Insel zu kommen. Dort gibt es stets einige Kanoes, in denen wir an das Ufer rudern. Dann befinden wir uns im Rucken der Feinde und werden sie leicht uberwaltigen, zumal meine Timbabatschen, sobald ich es ihnen befehle, sich auf eure Seite stellen werden.«

«Gut! Die Halfte der Utahs bleibt hier, und die andre Halfte folgt uns in den Gang. Zeige ihn uns!«

Die Utahs waren von ihren Pferden gestiegen. Das» lange Ohr «fuhrte sie zur Seite bis zu der Stelle, an welcher der Canon begann. Dort lehnte ein Steinhaufen am Felsen.

«Diese Steine mussen fort, «sagte der Timbabatsche,»dann werdet ihr die Offnung sehen.«

Der Haufen wurde entfernt, und es zeigte sich ein dunkles Loch, funf Ellen breit und drei Ellen hoch. Die Hauptlinge traten hinein und fanden, als sie um sich tasteten, einen ganzen Vorrat von Fackeln, welche aus Hirsch- oder Buffeltalg gefertigt waren. Mit Hilfe der» Punks «wurde Licht gemacht. Man verteilte die Fackeln und steckte sie in Brand. Dann drang man in den Gang ein.

Es herrschte eine dumpfe Luft in demselben, aber feucht war es nicht. Er mu?te au?erordentlich stark gemauert und dann sehr dick und hoch mit Erde bestampft worden sein, da? er so lange Zeit dem Wasser des Sees Widerstand geleistet hatte.

Um nicht allzulange Zeit dieser Luft, welche durch den Qualm der Fackeln noch verschlechtert wurde, ausgesetzt zu sein, ging man so schnell wie moglich vorwarts, bis man nach unendlich scheinender Zeit in eine weite Halle gelangte, an deren Wanden viele in Matten gehullte Pakete aufgestapelt lagen.

«Das mu? das unterste Gescho? des Turmes, also der Insel sein, «sagte das» lange Ohr«.»Vielleicht befinden sich in diesen Packen die Schatze, von denen ich euch gesagt habe. Wollen wir nachsehen?«

«Ja, «antwortete der» alte Donner«.»Aber lange halten wir uns dabei nicht auf, da wir uns beeilen mussen, nach der Insel zu kommen. Spater haben wir mehr Zeit dazu.«

Als man von einem, der Pakete die Hulle entfernt hatte, sah man im Scheine der Fackeln eine Gotzenfigur goldig erglanzen. Diese eine Figur reprasentierte fur sich allein ein Vermogen. Ein civilisierter Mensch hatte vor Entzucken betrunken werden konnen; diese Roten blieben kalt. Man breitete die Matte wieder uber den Gotzen und schickte sich zum Aufstiege an.

Es waren, wenn auch nicht ganz in Gestalt unsrer Treppen, schmale Stufen gemauert, welche nach oben fuhrten; sie boten nur fur eine Person Platz; darum mu?ten die Roten im Gansemarsch sich hintereinander halten. Das» lange Ohr «stieg, mit einer Fackel in der Hand, voran. Noch hatte er die oberste Stufe dieses Geschosses nicht erreicht, so horte er unter sich einen Schrei, welchem die Angstrufe von vielen Lippen folgten. Er blieb stehen und sah zuruck. Was er erblickte, war ganz geeignet, ihn mit Entsetzen zu erfullen. Aus dem Gange, in welchem sich noch viele, viele Utahs befanden, drang, so breit und hoch er war, das Wasser herein. Die Fackeln warfen ihre Lichtstreifen auf die dunkle, gurgelnde Flut, welche schon halb manneshoch stand und mit entsetzlicher Schnelligkeit nach oben stieg. Diejenigen, welche sich noch im Gange befunden hatten, waren verloren; das Wasser hatte sie sofort erstickt. Und die, welche noch auf den Stufen standen, waren ebenso verloren. Sie drangten vorwarts; jeder wollte sich nach oben retten; einer ri? den andern fort. Man warf die Fackeln von sich, um sich mit beiden Handen verteidigen zu konnen. So kam es, da? es keinem gelang, auf den Stufen Fu? zu fassen. Dabei wuchs die Flut so schnell, da? sie eine Minute, nachdem der erste Schrei erschollen war, den Roten schon bis an die Halse reichte. Sie wurden von ihr gehoben; sie schwammen; sie kampften gegen den Tod und gegeneinander — vergeblich. Nur funf oder sechs waren es, welche sich bereits so hoch befunden hatten, da? ihnen das Entkommen moglich war. Der» alte Donner «befand sich unter ihnen; sie hatten nur eine einzige Fackel, welche der voransteigende Timbabatsche trug. Eine schmale Offnung fuhrte durch die Decke in das nachste Gestock, von wo aus eben solche Stufen weiterfuhrten.»Gib mir das Licht, und la? mich voran!«gebot der Utahhauptling dem Timbabatschen.

Er griff nach der Fackel, doch das» lange Ohr «weigerte sich, sie ihm zu geben. Es entspann sich ein kurzer Streit, welcher aber dennoch lange genug wahrte, das Wasser herankommen zu lassen. Es drang schon durch die Offnung in dieses Stockwerk. Dasselbe war eng, viel, viel enger, als das untere. Darum stieg die Flut mit zehnfacher Schnelligkeit an den Wanden empor.

Das» lange Ohr «war junger und starker als der» alte Donner«. Er ri? sich von ihm los und warf ihn mit einem kraftigen Sto?e zu Boden. Nun aber drangen die andern Utahs auf ihn ein. Er besa? keine Waffe und hatte nur eine Hand frei, sich ihrer zu erwehren. Schon legte einer das Gewehr auf ihn an, um ihn zu erschie?en; da rief er:»Halt, sonst werfe ich das Licht in das Wasser, und dann seid ihr verloren! Ihr konnt nicht sehen, wohin ihr zu steigen habt, und das Wasser holt euch ein. «Das half. Sie sahen ein, da? sie sich nur dann retten konnten, wenn sie Licht behielten. Schon stand ihnen das Wasser bis an den Huften.

«So behalte die Fackel, und steig voran, du Hund!«antwortete der» alte Donner«.»Aber spater wirst du es bu?en!«

Der Timbabatsche stand schon auf den Stufen und eilte weiter. Wieder gelangte er durch eine schmale Offnung in das nachste Stockwerk. Die Drohung des Alten war ernst gemeint. Das» lange Ohr «wu?te es. Er dachte, da? er nur dann nichts zu befurchten habe, wenn die Utahs in der Flut umkamen. Darum blieb er, als er durch die Offnung gestiegen war, stehen und blickte zuruck. Hinter ihm erschien der Kopf des» alten Donners«.»Du hast mich einen Hund genannt und willst dich an mir rachen, «rief er ihm zu.»Du bist selbst ein Hund und sollst wie ein Hund sterben. Fahre zuruck in das Wasser!«

Er versetzte ihm einen Fu?tritt in das Gesicht, so da? der Alte zurucksturzte und in der Offnung verschwand. Einen Augenblick spater erschien der Kopf des nachsten Utah; auch dieser erhielt einen Fu?tritt und fiel zuruck. So erging es dem dritten; weiter kam keiner, denn das Wasser hatte die andern erreicht und von den Stufen geschwemmt; es trat jetzt schon durch die Offnung; der Timbabatsche befand sich allein; nur er war ubrig geblieben.

Er stieg weiter und weiter, noch einige Stockwerke hoher, und das Wasser folgte ihm mit derselben Schnelligkeit. Da fuhlte er, da? die Luft besser wurde. Der Aufstieg war nun so eng geworden und es gab keine Stufen mehr, sondern ein eingekerbtes Holz war als Leiter der Mauer gelegt. Schon setzte er die Fu?spitzen in die Kerben, um nach oben zu klimmen, da horte er uber sich eine Stimme:»Halt, bleib unten, sonst erschie?e ich dich! Die Utahs haben uns vernichten wollen; nun sind sie selbst alle verloren, und du sollst als der letzte von ihnen

Вы читаете Der Schatz im Silbersee
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату