skalpieren durfen; eher aber nicht!«

Der Hauptling zog sich brummend in sein Versteck zuruck, und seine Leute folgten diesem Beispiele. Da erhob sich unten, wo die zuruckgeschlagenen Utahs sich wieder gesammelt hatten, ein Geschrei. Da der Jager zwischen Timbabatschen stand, hatten sie ihn nicht genau sehen konnen; nun er sich noch allein im Freien befand, erkannten sie ihn, und man horte sie rufen:»Old Shatterhand! die Zauberflinte, das Zaubergewehr!«

Da? dieser Mann sich hier befinden konne, war ihnen unbegreiflich. Seine Anwesenheit machte einen wahrhaft entmutigenden Eindruck auf sie. Desto mehr Courage zeigte er. Er schritt langsam weiter, auf sie zu und rief, als er in gute Horweite von ihnen gekommen war:»Holt eure Toten und Verwundeten! Wir schenken sie euch.«

Einer der Anfuhrer trat vor und antwortete:»Ihr werdet auf uns schie?en!«

«Nein.«

«Redest du die Wahrheit?«

«Old Shatterhand lugt nie.«

Dabei drehte er sich um und kehrte in sein Versteck zuruck.

So treulos diese Roten waren, diesem Jager, diesem Bleichgesichte trauten sie keine Untreue, keinen Verrat zu. Dazu kam, da? es der Indianer fur eine gro?e Schande halt, seine Toten oder gar Verwundeten im Stiche zu lassen. Darum schickten die Utahs jetzt, zunachst wenigstens versuchsweise, zwei ihrer Leute ab, welche sich langsam naherten, einen Verwundeten aufhoben und ihn forttrugen. Sie kehrten wieder und schafften einen zweiten fort. Als auch jetzt nichts Feindseliges unternommen wurde, gewannen sie volles Vertrauen, und es kamen ihrer mehrere. Old Shatterhand trat wieder heraus; sie erschraken und wollten davonlaufen. Er aber rief ihnen zu:»Bleibt! Es geschieht euch nichts.«

Sie blieben zaghaft stehen; er naherte sich ihnen vollends und fragte:»Wie viele Hauptlinge sind jetzt bei euch?«

«Vier.«

«Welcher ist der vornehmste von ihnen?«

«Nanap varrenton.«

«Sagt ihm, da? ich mit ihm sprechen will! Er mag die Halfte des Weges machen und ich die andre Halfte; so treffen wir uns in der Mitte. Die Waffen lassen wir zuruck.«

Sie richteten diese Botschaft aus und brachten den Bescheid:»Er wird kommen und die andern drei Hauptlinge mitbringen.«

«Ich bringe nur zwei Gefahrten mit, die er vielleicht kennen wird. Sobald ihr hier fertig seid, mogen die Hauptlinge kommen.«

Bald naherten sich diese vier von der einen und Old Shatterhand mit Firehand und Winnetou von der andern Seite. In der Mitte trafen sie zusammen, begru?ten sich mit ernstem Neigen des Kopfes und setzten sich einander gegenuber auf die Erde. Der Stolz verbot den Roten, sofort zu sprechen. Ihre Zuge konnte man wegen der dick aufgetragenen Farbe nicht erkennen, aber ihren Blicken sah man die Verwunderung an, neben Old Shatterhand die beiden andern beruhmten Manner zu bemerken. So ruhten die Augen der beiden Parteien eine ganze Weile aufeinander, bis endlich der alteste der Roten, eben der» alte Donner«, die Geduld verlor und zu reden beschlo?. Er erhob sich, reckte sich in wurdevolle Haltung und begann:»Als die weite Erde noch den Sohnen des gro?en Manitou gehorte, und es bei uns keine Bleichgesichter gab, da — «

«Da konntet ihr die Reden halten, so lang es euch beliebte, «fiel Old Shatterhand ein.»Die Bleichgesichter aber lieben es, sich kurz zu fassen, und dies wollen wir jetzt thun.«

Wenn der Rote ein Palaver halt, so findet er kein Ende. Die jetzige Unterredung hatte vielleicht Stunden in Anspruch genommen, wenn Old Shatterhand nicht schon die Einleitung abgeschnitten hatte. Der Rote warf ihm einen halb verwunderten, halb zornigen Blick zu, setzte sich wieder nieder und sagte:»Der» alte Donner «ist ein beruhmter Hauptling. Er zahlt viel mehr Jahre als Old Shatterhand und ist nicht gewohnt, sich von jungen Mannern unterbrechen zu lassen. Wenn die Bleichgesichter mich beleidigen wollen, so brauchten sie mich nicht kommen zu lassen. Ich habe gesprochen. Howgh!«

«Ich habe nicht die Absicht gehabt, dich zu kranken. Ein Mann kann viele Jahre zahlen und doch weniger erfahren haben als ein jungerer. Du wolltest von den Zeiten reden, in denen es noch keine Bleichgesichter gab; wir aber haben die Absicht, von dem heutigen Tage zu sprechen. Und wenn ich es bin, der dich rufen lie?, so werde ich auch derjenige sein mussen, welcher zuerst spricht, um dir zu sagen, was ich von dir will. Auch ich habe gesprochen. Howgh!«

Das war scharf zurechtgewiesen. Er deutete den Roten dadurch an, da? er es sei, der hier zu sprechen und zu fordern habe. Sie schwiegen, und darum fuhr er fort:»Du hast meinen Namen genannt und kennst mich also. Kennst du auch die beiden Krieger, welche hier neben mir sitzen?«

«Ja. Es ist Old Firehand und Winnetou, der Hauptling der Apachen.«

«So wirst du wissen, da? wir stets die Freunde der roten Manner gewesen sind. Kein Indianer kann sagen, da? wir ihm unbeleidigt entgegengetreten sind; ja, wir haben oft auf unsre gerechte Rache verzichtet und verziehen, wo wir hatten strafen sollen. Warum verfolgt ihr uns?«

«Weil ihr die Freunde unsrer Feinde seid.«

«Das ist nicht wahr. Der» gro?e Wolf «hat uns gefangen genommen, ohne da? wir ihm geringste Feindseligkeit erwiesen hatten. Er trachtete uns wiederholt nach dem Leben und brach mehreremal sein Wort. Um unser Leben zu retten, mu?ten wir uns gegen die Utahs wehren.«

«Habt ihr nicht im Walde des Wassers den alten Hauptling niedergeschlagen und andre Hauptlinge und Krieger mitgenommen?«

«Wieder nur, um uns zu retten.«

«Und jetzt befindet ihr euch bei den Navajos und Timbabatschen, welche unsre Feinde sind!«

«Aus Zufall. Wir wollten nach dem Silbersee und trafen hier auf sie. Wir horten, da? es zum Kampfe zwischen euch und ihnen kommen werde, und beeilen uns, Frieden zu stiften.«

«Wir wollen Rache, aber keinen Frieden, und aus euren Handen am allerwenigsten.«

«Ob ihr ihn annehmt, das ist eure Sache; wir halten es fur unsre Pflicht, ihn euch anzubieten.«

«Wir sind Sieger!«

«Bis vorhin, aber nun nicht mehr. Ihr seid schwer gekrankt worden; das wissen wir; aber es ist ungerecht von euch, euch an Unschuldigen zu rachen. Unser Leben hat wiederholt auf dem Spiele gestanden. Ware es auf euch angekommen, so waren wir langst am Marterpfahle gestorben, wie die andern Bleichgesichter im Thale der Hirsche.«

«Was wi?t ihr davon?«

«Alles. Wir haben ihre Leiber begraben.«

«So warst du dort?«

«Ja. Wir waren mitten unter euch. Wir haben gehort, was die Utahs sprachen, und gesehen, was sie thaten. Wir standen unter den Baumen, als die Navajos kamen, und sahen, da? ihr sie von dannen getrieben habt.«

«Das ist unmoglich; das ist nicht wahr.«

«Du wei?t, da? ich nicht luge. Fragt die Hauptlinge der Utahs, welche dabei gewesen sind.«

«Wo sollen wir sie fragen? Sie sind verschwunden.«

«Wohin?«

«Wissen wir es?«

«Sind sie von den Navajos getotet worden?«

«Nein. Wir glaubten es, aber wir fanden ihre Leiber nicht. Dann glaubten wir, sie seien gefangen; aber wir haben die Navajos hart verfolgt und keinen einzigen Gefangenen bei ihnen gesehen, wahrend viele von ihnen in unsre Hande geraten sind. Die Hauptlinge der Utahs befinden sich nicht bei den Navajos.«

«Aber verschwunden konnen sie doch nicht sein!«

«Der gro?e Geist hat sie zu sich genommen.«

«Nein. Der gro?e Geist mag von so treulosen und verraterischen Mannern nichts wissen. Er hat sie in unsre Hande gegeben.«

«In eure Hande?«

«Ja, in die Gewalt der Bleichgesichter, welche ihr verderben wolltet.«

«Deine Zunge ist falsch; sie spricht solche Worte, um uns den Frieden abzuzwingen.«

«Ja, ich will und werde euch den Frieden abzwingen, ich sage die Wahrheit. Als wir des Abends im Thale

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