unzuganglich und konnte im Norden nur durch den Canon und die Felsenenge, aus welcher die Wei?en gekommen waren, erreicht werden, wahrend nach Suden hin der See sein Wasser in eine Schlucht ergo?, welche nach dorthin den Ausgang bildete.

Von Suden her war kein Feind zu erwarten; von dorther sollten vielmehr die befreundeten Navajos kommen. Nach dorthin brauchte man also keine Vorsichtsma?regeln anzuwenden; diese waren nur gegen Norden hin am Platze. Wer nach dieser Richtung die Umgebung des Silbersees untersuchte, dem mu?te bald die Ansicht kommen, da? derselbe fruher seinen Abflu? nicht nach Suden, sondern nach Norden gehabt hatte. Jedenfalls ergo? der See seine uberschussigen Wasser in den Canon. Jetzt aber lag zwischen diesem und jenem eine ziemlich breite, dammartige Erhohung, welche es fruher nicht gegeben hatte. Von selbst war sie nicht entstanden, also lag die Vermutung nahe, da? sie eine kunstlich aufgeworfene sei. Aber die Hande, welche diese Arbeit vollendet hatten, waren langst in Staub zerfallen, denn der Damm trug Baume, deren Alter gewi? nicht unter hundertundfunfzig Jahre war. Zu welchem Zwecke hatte man diesen Damm errichtet? Gab es jetzt noch einen Menschen, welcher im stande war, diese Frage zu beantworten?

Das von Winnetou abgesandte Detachement ritt uber den Damm hinweg, hinter welchem der Canon begann. Er war hier kaum zehn Ellen breit, erst flach und schnitt sich nur nach und nach tiefer in den Boden ein. Je gro?er dann seine Tiefe wurde, desto mehr nahm er auch an Breite zu. Vegetation schien es, wenigstens nach dieser Seite hin, nur in der Nahe des Sees zu geben. Kurz hinter dem Damme horten die Baume und Straucher auf, und bald war selbst kein Grashalm mehr zu sehen.

Kaum war die Truppe zehn Minuten geritten, so besa?en die Wande des Canons bereits eine Hohe von uber hundert Fu?; noch eine Viertelstunde, und sie schienen bis an den Himmel zu reichen. Hier gab es bereits das rund gescheuerte Steingeroll, welches das Reiten so sehr erschwerte. Nach der dritten Viertelstunde wurde der Canon plotzlich breiter, doppelt so breit, als er bisher gewesen. Seine Wande waren nicht nur in der Hohe, sondern auch unten vielfach zerkluftet. Es sah fast aus, als ob die Felsen auf Saulen standen, welche Laubengange bildeten, in denen man sich verstecken konnte.

«Hier sollen wir halten, «sagte der» kleine Bar«, welcher mit den Wei?en voranritt.»Es gibt da Locher und Hohlen genug, in denen wir uns verstecken konnen.«

«Und die Pferde schaffen wir eine Strecke weit zuruck, «meinte Droll,»da? sie von hier aus, wo es leicht zum Kampfe kommen kann, nicht gesehen werden.«

Diese Ma?regel war vorteilhaft und wurde also befolgt. Die funfundfunfzig Mann versteckten sich zu beiden Seiten in die Vertiefungen. Die Wei?en behielten den» kleinen Baren «bei sich, weil dieser ihnen alle etwa erforderliche Auskunft geben konnte. Er erkundigte sich so verstandig und ernst wie ein erwachsener Krieger nach den Ereignissen der letzten Tage und wollte es gar nicht glauben, da? die Utahs zuruckgeschlagen worden. Desto gro?er aber war die Anerkennung, welche er den Bleichgesichtern zollte.

«Meine wei?en Bruder haben gehandelt als mutige und doch bedachtige Manner, «sagte er;»die Navajos aber sind blind und taub gewesen. Sie mu?ten siegen denn sie wurden von den Utahs noch nicht erwartet. Wenn sie sich still in das Thal geschlichen hatten und uber die Utahs hergefallen waren, so konnten sie diese vollstandig vernichten; sie haben aber vor der Zeit geschrieen und geschossen und mu?ten darum ihre Skalpe hergeben. Nun sind ihnen die Utahs uberlegen, und wenn der Kampf sich bis in die Nahe des Sees heraufzieht, so — «

«So werden wir ein Wortchen mitsprechen, «fiel Droll ein.

«Ja, wir sprechen mit, «meinte auch Frank.»Es sollte mir lieb sein, wenn ich das Gewehr, welches mir der Lord gab, zum erstenmal gegen diese Kerls probieren konnte. Wie steht es denn, hat der Canon hier etwa Zugange?«

«Nein. Es gibt nur einen, namlich die Spalte, durch die ihr nach den Kessel gekommen seid, und die kennen die Utahs nicht.«

«Aber die Navajos?«

«Nur wenige von ihnen, und diesen wird es nicht einfallen, sie zu benutzen, denn der Weg ist — «

Er unterbrach sich, um zu horchen. Sein scharfes Ohr hatte ein Gerausch vernommen. Auch die andern horten es. Es klang wie das Stolpern eines ermudeten Pferdes im Geroll. Nach kurzer Zeit erschien ein einzelner Reiter, ein Navajo, dessen Pferd kaum mehr zu laufen vermochte. Der Mann schien verwundet zu sein, denn sein Anzug war mit Blut befleckt und er arbeitete trotzdem unausgesetzt mit Handen und Fu?en, um seinen Gaul zu erneuter Anstrengung anzutreiben.

Der» junge Bar «verlie? sein Versteck und trat hinaus. Sobald der Navajo ihn erblickte, hielt er sein Pferd an und rief erfreut:»Uff! Mein junger Bruder! Sind die erwarteten Krieger der Navajos schon angekommen?«

«Noch nicht.«

«So sind wir verloren!«

«Wie kann ein Krieger der Navajos sich verloren geben!«

«Der gro?e Geist hat uns verlassen und sich zu den Hunden der Utahs gewendet. Wir haben sie im Thale der Hirsche uberfallen, um sie zu erwurgen; aber unsre Hauptlinge hatten den Verstand verloren, und wir wurden geschlagen. Wir flohen, und die Utahs folgten uns; sie waren starker als wir; dennoch hatten wir uns gehalten; aber heute fruh ist ein gro?er neuer Trupp zu ihnen gesto?en; sie sind nun viermal so stark wie wir und drangten gar machtig hinter uns her.«

«Uff! So seid ihr vernichtet?«

«Fast. Zehn Flintenschusse abwarts von hier wogt der Kampf. Ich wurde abgesandt, um vom See aus Hilfe zu holen, denn wir dachten, die erwarteten Krieger seien bereits angekommen. Nun sind unsre Leute verloren.«

«Noch nicht. Steig ab, und ruhe dich hier aus! Es wird Hilfe kommen.«

Wie erstaunte der Mann, als er jetzt funfzig Timbabatschen und vier Wei?e erscheinen sah! Diese letzteren hatten den Bericht des Navajo nicht verstanden, da sie der Sprache desselben nicht machtig waren; sie lie?en ihn sich von dem» kleinen Baren «verdolmetschen. Als sie horten, wie es stand, sagte Droll:»Wenn es so steht, so mussen sich die Navajos augenblicklich zuruckziehen. Es mag schnell jemand zu ihnen hinabreiten, um ihnen zu sagen, da? wir sie hier aufnehmen werden. Und ein Zweiter mu? an den See, um unsre Gefahrten und die ubrigen Timbabatschen zu holen.«

«Was fallt dir ein!«widersprach der Hobble-Frank.»Nach diesem Plane sind die Navajos verloren.«

«Wieso?«fragte Droll erstaunt.»Meinst du, da? ich kein Westmann bin?«

«Der beste Westmann kann einmal einen schlechten Gedanken haben. Die Navajos stehen gegen eine solche Ubermacht, da? sie vernichtet werden, sobald sie sich zur Flucht wenden, denn die Utahs reiten sie dann einfach nieder. Sie mussen unbedingt bleiben; sie mussen sich halten, bis das Gefecht zum Stehen kommt. Und da? dies geschieht, dafur werden wir sorgen.«

«Brav, Frank, du hast recht!«stimmte der Humply-Bill bei.

Und der Gunstick-Uncle meinte auch:»Ja, ja, sie mussen unten bleiben — bis wir die Utahs dort vertreiben!«

«Gut!«nickte der Hobble, hochst stolz auf den Beifall, welchen er fand.

«Ein Krieger der Timbabatschen reitet schnell nach dem See, um Hilfe zu holen; drei bleiben hier bei den Pferden, damit diese keine Dummheiten machen, und wir ubrigen laufen, was wir konnen, den Navajos zu Hilfe. Vorwarts!«

Dieser Vorschlag wurde sofort ausgefuhrt. Die vier Wei?en, mit dem wackern» kleinen Baren «voran, und die Timbabatschen rannten, so schnell der schlechte Weg es erlaubte, vorwarts. Noch waren sie nicht sehr weit gekommen, so horten sie einen Schu? fallen, bald noch einen. Da Freund wie Feind vorzugsweise mit Pfeil und Bogen bewaffnet war, so konnte es keine Gewehrsalven geben. Aber in kurzem vernahmen sie das Geschrei der Kampfenden, und dann sahen sie dieselben.

Ja, es stand schlecht mit den Navajos. Ihre Pferde waren meist erschossen; sie fanden hinter den Kadavern derselben die einzige Deckung, welche es gab, denn die Seitenwande des Canon waren hier glatt und winkellos, so da? sie kein Versteck gewahrten. Ihre Pfeile schienen ihnen auszugehen, denn sie schossen nicht leichtsinnig und nur dann, wenn sie ihres Zieles sicher waren. Einige der Kuhnsten von ihnen rannten umher, um die Pfeile der Utahs aufzulesen und denselben zuruckzusenden. Diese letzteren waren so zahlreich, da? sie in mehreren Reihen hintereinander die ganze Breite des Canons ausfullten. Sie kampften zu Fu? und hatten ihre Pferde zuruckgelassen, damit sie ihnen nicht erschossen wurden. Das war ein gro?es Gluck fur die Navajos. Waren die Utahs aufgestiegen und auf sie losgesturmt, es ware kein einziger von ihnen am Leben geblieben.

Jetzt verstummte das Kampfgeheul fur kurze Zeit. Man sah die Hilfe kommen. Die vier Wei?en blieben, als

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