der Hirsche bei euch waren, haben wir die drei Hauptlinge gefangen genommen.«
«Ohne da? ihre Krieger es merkten?«
«Niemand konnte es sehen oder horen. Wir haben sie niedergeschlagen, ohne da? sie ein Wort zu sprechen vermochten. Nennt man mich nicht Old Shatterhand?«
«Es ist nicht wahr. Man hatte euch sehen mussen.«
«Es gibt im Thale der Hirsche ein Versteck, welches wir kennen, aber nicht ihr. Ich will dir beweisen, da? ich die Wahrheit spreche. Was ist das?«
Er zog einen schmalen Riemen aus der Tasche, welcher mit walzenformig geschnittenen Knopfen aus der Schale der Venusmuschel besetzt war, und hielt ihm denselben vor das Gesicht.
«Uff!«rief der» alte Donner «erschrocken.»Der Wampun der» gelben Sonne«! Ich kenne ihn genau.«
«Und dieser hier?«
Er brachte einen zweiten Riemen hervor.
«Der Wampun des Hauptlings» vier Buffel«! Auch den kenne ich.«
«Und dieser dritte Wampun?«
Als er auch noch einen dritten Riemen zeigte, wollte dem Alten das Wort im Munde stocken. Er machte eine Bewegung des Entsetzens und stie? in abgerissenen Satzen hervor:»Kein Krieger gibt sein Wampun her; er ist ihm heilig uber alles. Wer den Wampun eines andern besitzt, hat denselben getotet oder gefangen genommen. Leben die drei Hauptlinge noch?«
«Ja.«
«Wo sind sie?«
«In unsrer Gewalt, gut aufgehoben.«
«Am Silbersee?«
«Du fragst zu viel. Bedenke, wer sich au?er ihnen noch bei uns befindet! Es sind lauter Hauptlinge und tapfere Krieger, welche spater ganz gewi? Hauptlinge werden.«
«Was wollt ihr mit ihnen thun?«
«Leben gegen Leben, Blut gegen Blut! Macht Frieden mit den Navajos und Timbabatschen, so geben wir die Gefangenen heraus!«
«Auch wir haben Gefangene gemacht. Tauschen wir sie um, Mann fur Mann.«
«Haltst du mich fur einen Knaben, da? du meinst, ich wisse nicht, da? man einen Hauptling fur wenigstens drei?ig Krieger austauscht? Uberlege dir meinen Vorschlag, und denke, da? es besser ist, die Freiheit dieser Anfuhrer zu erhalten, als noch hundert oder zweihundert Feinde umzubringen.«
«Und die Beute rechnest du nicht?«
«Beute? Pshaw! Von Beute ist keine Rede, denn ihr werdet keine machen, weil ihr nicht wieder siegen werdet. Jetzt stehen wir euch gegenuber, funfzig wei?e Jager. Wir sind die Gefangenen der Utahs gewesen und haben ihrer doch gelacht; sie mu?ten uns gehen lassen und uns sogar ihre Hauptlinge mitgeben. Das thaten wir, als wir gefesselt und in Banden lagen. Was werden wir vermogen, wenn wir frei und ungehindert sind! Ich sage dir, wenn du nicht deinen Frieden mit uns machst, so werden die wenigsten von euch ihre heimatlichen Wigwams wiedersehen!«
Man sah es dem» alten Donner «an, da? diese Vorstellung nicht verfehlte, Eindruck auf ihn zu machen. Er blickte finster zur Erde nieder. Old Shatterhand fuhr fort, um die Wirkung seiner Worte zu erhohen:»Eure Hauptlinge trachteten uns nach dem Leben; sie gerieten in unsre Hande und wir hatten nicht nur das Recht, sondern sogar, um sie unschadlich zu machen, die Pflicht, sie zu toten. Wir haben es nicht gethan, weil wir es gut mit ihnen und euch meinen, Wenn wir euch jetzt zum Frieden raten, so ist das ebenso gut mit euch gemeint, denn wir wissen genau, da? wir euch schlagen werden. Entschlie?e dich, ehe es zu spat ist.«
Da stand Old Firehand auf, reckte und streckte gelangweilt seine gigantische Gestalt und sagte:»Pshaw! Wozu die Worte, wenn wir Waffen haben! Der» alte Donner «mag uns schnell sagen, ob er Krieg oder Frieden will. Dann wissen wir, woran wir sind, und werden ihm geben, was ihm gehort: Leben oder Tod!«
Das wirkte schnell, wenigstens kam sofort eine Antwort:»So schnell konnen wir uns nicht entscheiden.«
«Warum nicht? Seid ihr Manner oder Squaws?«
«Wir sind keine Weiber, sondern Krieger. Aber wir mussen erst mit unsern Leuten reden.«
«Wenn ihr wirklich Hauptlinge seid, so ist das gar nicht notig. Ich sehe, ihr wollt Zeit gewinnen, um euch irgend eine Hinterlist auszusinnen, wie das so eure Gepflogenheit ist: aber keine Klugheit wird euch gegen unsre Fauste helfen.«
«Old Firehand mag ruhig sprechen, wie wir ihm ruhig antworten. Dem Manne ziemt nicht, wallendes Blut zu haben. Wir werden gehen und uberlegen, was zu thun sein wird.«
«So bedenkt, da? es in einer halben Stunde Nacht sein wird!«
«Wir konnen euch auch des Nachts sagen, was wir beschlossen haben. Wer sprechen will, ihr oder wir, mag einen Schu? abfeuern und dann laut rufen. Man wird ihm antworten. Ich habe gesprochen. Howgh!«
Er stand auf, neigte leise den Kopf und entfernte sich; die andern folgten seinem Beispiele.
«Nun sind wir grad so klug wie vorher!«zurnte Old Firehand.
«Mein Bruder hat zu zornig gesprochen, «sagte Winnetou in seiner milden Ruhe.»Er hatte Old Shatterhand weiter reden lassen sollen. Der» alte Donner «war nachdenklich geworden und stand schon im Begriff, zur Einsicht zu kommen.«
Firehand schien die Wahrheit dieses Vorwurfes einzusehen, denn er entgegnete nichts. Als sie bei den andern ankamen, wurden sie von dem» langen Ohr «mit der Frage empfangen:»Es waren vier Utahs. Warum gingt ihr nur zu dreien?«
«Weil wir genug Manner waren, «antwortete Old Firehand unwirsch.
«Es gab noch andre Manner. Auch ich bin Hauptling; ich gehorte zur Beratung, grad so gut wie ihr.«
«Es ist genug unnutz gesprochen worden; wir brauchten nicht noch einen vierten.«
Das» lange Ohr «schwieg; aber ware sein Gesicht nicht mit Farbe beschmiert gewesen, so hatte man ihm angesehen, wie er sich argerte. Er befand sich uberhaupt in schlechter Laune. Er war von Droll blamiert worden, ohne seinen Groll daruber laut werden zu lassen. Und sodann hatte auch Old Shatterhand ihn durch die Verhinderung des Skalpierens vor seinen Leuten schwer beleidigt. Der Hauptling war ein Feigling, welcher nicht den Mut besa?, offen zu widerstreben; aber der Zorn, den er nicht sehen lie?, sa? in seinem Innern um so fester.
Es begann zu dammern und wurde dann Nacht. Zwar war nicht anzunehmen, da? die Utahs einen Angriff wagen wurden, aber es mu?ten dennoch Ma?regeln getroffen werden, einen etwaigen Uberfall zu vereiteln. Man mu?te Wachen ausstellen. Das» lange Ohr «erbot sich freiwillig, das mit einigen seiner Leute zu ubernehmen, und es konnte ihm nicht abgeschlagen werden. Aber um nichts zu versaumen, wies Old Shatterhand ihm und den betreffenden Timbabatschen ihre Platze an und scharfte ihnen ein, ja nicht weiter vorzudringen.
Es waren mit dem Hauptlinge funf Mann, welche eine Linie quer uber den Canon bildeten. Das» lange Ohr «befand sich auf dem au?ersten rechten Flugel. Old Shatterhand legte sich auf die Erde und kroch vorwarts, um vielleicht die Utahs zu belauschen. Es gelang ihm in kurzer Zeit und vollstandig, obgleich sie drei Posten ausgestellt hatten, von denen er aber nicht bemerkt wurde. Er wagte es sogar, zwischen ihnen hindurchzukriechen und sah dann, da? die Feinde sich da, wo der Canon plotzlich breiter wurde, dicht neben- und hintereinander quer uber denselben gelagert hatten. Er kehrte befriedigt zuruck.
Das» lange Ohr «hatte gesehen, da? der Jager rekognoszierte. Es argerte ihn, da? man ihm das nicht anvertraut hatte. Er, der Hauptling eines roten Stammes, verstand es jedenfalls viel besser, als so ein Bleichgesicht. Der Groll in ihm nagte weiter und weiter. Er wunschte, diesen Wei?en zeigen zu konnen, da? er eine wichtige Person sei, welche man nicht umgehen durfe. Wie nun, wenn die Roten etwas im Schilde fuhrten und es ihm gelange, dies zu erlauschen! Dieser Gedanke lie? ihm keine Ruhe, und endlich beschlo? er, ihn auszufuhren. Er kroch vorwarts, weiter und weiter. Aber es war nicht so leicht, wie er sich vorgestellt hatte, denn das Steingeroll lag nicht fest; es bewegte sich unter seinen langen Gliedern. Darum mu?te er seine Aufmerksamkeit mehr unter sich als vor sich richten. Wieder kollerte unter ihm ein Stein — neben ihm tauchte etwas Dunkles auf, vor ihm auch; zwei kraftige Hande legten sich ihm wie Eisenklammern um den Hals; zwei andre Hande hielten seine Arme an den Leib; sein Atem stockte, und er verlor die Besinnung.
Als er wieder zu sich kam, lag er zwischen zwei Mannern, welche ihm die Spitzen ihrer Messer auf die entblo?te Brust hielten. Seine Glieder waren gefesselt, und in seinem Munde steckte ein Knebel. Er machte eine
