Falschen, denn dieser klopfte ihm wie einem alten, guten Bekannten auf die Achsel und rief:»Rede englisch, alter Boy! Ich habe deinen Dialekt nicht gelernt.«

Der Rote murmelte wieder einiges Kauderwelsch, und so fuhr Droll fort:»Verstelle dich nicht! Ich wei?, da? du ein ganz leidliches Englisch sprichst.«

«No!«leugnete der Hauptling.

«Nicht? Kennst du mich?«

«No!«

«Hast du mich also noch nicht gesehen?«

«No!«

«Hm! Besinne dich! Du mu?t dich meiner erinnern.«

«No!«

«Wir haben einander unten in Fort Defience gesehen!«

«No!«

«Schweige mit deinem» No«! Ich kann dir beweisen, da? ich recht habe. Wir waren da drei Wei?e und elf Rote. Wir haben ein wenig Karte gespielt und ein wenig getrunken. Die Roten aber tranken noch mehr als die Wei?en und wu?ten endlich nicht mehr, wie sie hie?en und wo sie waren. Sie schliefen dann den ganzen Nachmittag und auch die ganze Nacht. Kannst du dich nun besinnen, Alter?«

«No!«

«Schon! Aber antworten thust du mir doch; das ist ein Beweis, da? du mich verstehst, und darum will ich weiter sprechen. Wir Wei?en legten uns auch nieder unter dem Bretterschuppen bei den Indianern, denn es gab sonst keinen Platz. Als wir erwachten, waren die Roten fort. Wei?t du, wohin?«

«No!«

«Aber mit ihnen war auch mein Gewehr fort und meine Kugeltasche. Ich hatte ein T. D., Tante Droll, in den Lauf gravieren lassen. Sonderbarerweise befinden sich diese Buchstaben hier auf dem Laufe des deinigen. Wei?t du vielleicht, wie sie dorthin gekommen sind?«

«No!«

«Und meine Kugeltasche war mit Perlen gestickt und auch mit einem T. D. versehen. Ich trug sie an meinem Gurtel, grad so wie du die deinige. Und wie ich zu meiner innigen Freude bemerke, hat diese auch dieselben Buchstaben. Wei?t du, wie meine Buchstaben an deine Tasche gekommen sind?«

«No!«

«So wei? ich desto besser, wie mein Gewehr in deine Hand und mein Kugelbeutel an deinen Gurtel gekommen ist. Ein Hauptling tragt nur die Sachen, welche er erbeutet hat; gestohlene Gegenstande aber verachtet er. Ich will dich von ihnen befreien.«

Im Nu hatte er dem Roten das Gewehr aus der Hand und den Beutel vom Gurtel gerissen und wendete sich dann von ihm ab. Aber blitzschnell war ihm der Rote nach und gebot ihm in ziemlich gutem Englisch:»Gib her!«

«No!«antwortete jetzt Droll.

«Diese Flinte ist mein!«

«No!«

«Und dieser Beutel auch!«

«No!«

«Du bist ein Dieb!«

«No!«

«Her damit, oder ich zwinge dich!«

«No!«

Da zog der Rote das Messer. Schon glaubten die, welche Droll nicht genau kannten, da? es zum Kampfe kommen werde; aber dieser schlug ein lustiges Gelachter auf und rief:»Jetzt soll ich der Spitzbube an meinen eigenen Sachen sein! Halt man so etwas fur moglich? Doch streiten wir uns nicht. Du bist das» lange Ohr«; ich kenne dich. Bei dir ist das Ohr nicht das einzige Glied, welches eine ungewohnliche Lange besitzt. Gib der Wahrheit die Ehre, und du sollst behalten konnen, was du hast; ich habe ja den Verlust schon langst ersetzt. Also aufrichtig: Kennst du mich?«

«Yes! antwortete der Rote wider alles Erwarten.

«Du warst mit mir in Fort Defience?«

«Yes!«

«Warst du betrunken?«

«Yes!«

«Und bist dann mit meinem Gewehre und meinem Beutel verschwunden?«

«Yes!«

«Gut, so sollst du beides haben; hier. Da ist auch meine Hand. Wollen Freunde sein; aber englisch reden mu?t du, und mausen darfst du nicht. Verstanden!«

Er ergriff die Hand des Roten, schuttelte sie ihm und gab ihm die gestohlenen Gegenstande wieder. Der Rote nahm sie, verzog keine Miene, sagte aber im freundlichsten Tone:»Mein wei?er Bruder ist mein Freund. Er wei?, was recht und billig ist, denn er hat die Sachen bei mir gefunden und gibt sie mir wieder. Er ist ein Freund der roten Manner, und ich liebe ihn!«

«Ja, Freundchen, ich liebe auch dich. Das wirst du bald erkennen; denn wenn wir nicht gekommen waren, so wurdet ihr hochst wahrscheinlich eure Skalpe verlieren.«

«Unsre Skalpe? Wer sollte sie uns nehmen?«

«Die Utahs.«

«O, die kommen nicht; die sind von den Navajos geschlagen worden, und wir werden diesen bald folgen, um uns auch viele Kopfhaute der Utahs zu holen.«

«Da irrst du dich!«

«Aber wir sehen doch Hauptlinge und Krieger der Utahs hier als Gefangene bei euch. Also mussen sie doch besiegt worden sein!«

«Die haben wir auf unsre eigene Rechnung gefangen genommen. Die Navajos aber sind schmahlich geschlagen worden und entflohen; die Utahs reiten hinter ihnen her und werden vielleicht heute noch hier am Silbersee erscheinen.«

«Uff!«rief das» lange Ohr«, indem ihm vor Erstaunen der Mund offen stehen blieb.

Auch seine Untergebenen lie?en laute Ausrufe des Betroffenseins horen.»Ist's moglich?«fragte der» gro?e Bar«.»Redet diese wei?e Tante die Wahrheit?«

«Ja, «antwortete Winnetou, welcher als derjenige, dem die Umgegend des Silbersees am besten bekannt war, das Wort ergriff.»Wir werden euch alles ausfuhrlich erzahlen, aber erst nachdem wir uns vergewissert haben, da? wir nicht von den Feinden uberrascht werden konnen. Ihr Erscheinen ist alle Augenblicke zu erwarten. Es mogen funfzig Krieger der Timbabatschen sofort hinab in den Canon reiten; der Humply-Bill und der Gunstick- Uncle gehen mit ihnen.«

«Ich auch mit!«bat der Hobble-Frank.

«Ich auch!«schlo? sich ihm Droll an.

«Gut, «meinte Winnetou,»ihr sollt auch mit reiten. Ihr geht hinab bis an die Stelle, an welcher der Canon schmal zu werden beginnt, und setzt euch da hinter den Felsen fest. Es gibt dort Vorsprunge und Vertiefungen genug, welche euch Schutz gewahren. Die Utahs werden die Navajos kraftig drangen, um mit ihnen zugleich den Silbersee zu erreichen. Ihr sollt den Freunden Hilfe leisten und uns, sobald ihr die Feinde nahen seht, einen Boten senden, damit wir auch kommen. La?t eure Pferde vorher saufen; trinkt auch selbst, denn da unten gibt es kein Wasser, und der» gro?e Bar «wird euch zu essen mitgeben.«

Fleisch war genug vorhanden. Es hing, um zu trocknen, an Riemen, welche an den Baumen ausgespannt waren. Trinkwasser gab es im Uberflu?. Von den Bergen flossen mehrere Bache herab, welche den See speisten. An einen dieser Bache hatten sich die Pferde gemacht, um ihren Durst zu stillen. Bald waren die funfzig Mann mit den vier Wei?en zum Aufbruche bereit. Der» kleine Bar «bat seinen Vater, mitreiten zu durfen, was ihm sofort gewahrt wurde. Er kannte besser als die Timbabatschen den See und den Canon; seine Anwesenheit konnte ihnen von gro?em Vorteile sein.

Das Gebirgsthal des Silbersees zog sich von Nord nach Sud, war an seiner Ost- und Westseite vollstandig

Вы читаете Der Schatz im Silbersee
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату