«Uff!«rief er aus, und» Uff!«riefen auch die andern. Er wollte weiter fragen; aber da rauschte es in den Buschen, und, die drei Genannten an der Spitze, brachen die Wei?en hervor, um augenblicklich einen Kreis um die Roten zu bilden. Winnetou hatte ihre Spuren entdeckt, und man war ihnen augenblicklich gefolgt. Sie machten keinen Versuch, sich zu wehren, denn sie wu?ten, da? man ihnen nichts thun werde. Der Spaher hatte vorhin Winnetou nicht bemerkt; fruher hatte er ihn gesehen, und jetzt erkannte er ihn wieder.
«Der gro?e Hauptling der Apachen!«rief er aus.»Dieses wei?e Madchen besitzt das Totem des» kleinen Baren «und ist also unsre Freundin. Wir nahmen sie mit, weil wir nicht wu?ten, ob die Manner, zu denen sie gehort, unsre Freunde oder Feinde seien.«
Die Roten trugen blaue und gelbe Farben im Gesicht; das veranla?te Winnetou zu der Frage:»Ihr seid Krieger der Timbabatschen?«
«Ja.«
«Welcher Hauptling fuhrt euch an?«
«Tschia-nitsas.«
Dieser Name hei?t zu deutsch» langes Ohr«. Jedenfalls war dieser Mann wegen seines scharfen Gehores beruhmt.
«Wo ist er?«fragte Winnetou weiter.
«Am See.«
«Wieviel Krieger seid ihr hier?«
«Hundert.«
«Sind auch andre Stamme da versammelt?«
«Nein. Es kommen aber noch zweihundert Krieger der Navajos, um gegen die Utahs zu kampfen. Mit diesen wollen wir nach Norden ziehen, um uns auch die Skalpe der Utahs zu holen.«
«Nehmt euch in acht, da? sie euch nicht die eurigen nehmen. Habt ihr Wachen ausgestellt?«
«Wozu? Wir haben keine Feinde zu erwarten.«
«Es kommen ihrer mehr, als euch lieb sein wird. Ist der» gro?e Bar «am See?«
«Ja, und ebenso der» kleine Bar«.«
«Fuhrt uns zu ihnen!«
Eben kamen einige Rafters mit den Pferden und Gefangenen aus dem Hohlwege, denn die andern Wei?en waren naturlich zu Fu?e Ellen gefolgt. Man stieg auf und die Timbabatschen stellten sich als Fuhrer an die Spitze. Kein Mensch war froher uber diesen Verlauf des Abenteuers als der Ingenieur, welcher die gro?te Angst um seine Tochter ausgestanden hatte.
Es ging die Berglehne vollends hinan und dann unter Baumen eine Strecke auf derselben hin. Dann senkte sich jenseits der Boden abwarts und bald sah man Wasser schimmern.
«Der Silbersee, «sagte Old Shatterhand, indem er sich zu den Gefahrten zuruckwendete.»Da sind wir nun endlich am Ziele.«
«Aber Ruhe werden wir wohl nicht finden, «bemerkte Firehand.»Wahrscheinlich bekommen wir noch viel Pulver zu riechen.«
Nur noch kurze Zeit, so war die ganze Scenerie zu uberblicken, und sie war wirklich gro?artig zu nennen.
Turmhohe Felsenbastionen, in allen Farben schillernd wie diejenigen im Canon, schlossen ein Thal ein, welches vielleicht zwei Stunden lang und halb so breit sein mochte. Hinter diesen Bastionen stiegen neue und immer wieder neue Bergesriesen auf, der eine immer das Haupt uber den andern erhebend. Aber diese Berge und Felsen waren nicht kahl. In den zahlreichen Kluften, welche sie durchrissen, wuchsen Baume und Straucher; je tiefer herab, desto dichter wurde der Wald, welcher rundum bis nahe an den See trat und zwischen sich und dem Wasser nur einen schmalen Grasstreifen blicken lie?.
In der Mitte des Sees lag eine grune Insel mit einem seltsamen Luftziegelbau. Er schien aus der Zeit zu stammen, in welcher die jetzigen Indianer noch die Urbewohner nicht verdrangt hatten. Auf dem Grasstreifen standen mehrere Hutten, in deren Nahe einige Kanoes am Ufer angebunden waren. Die Insel war kreisrund und mochte einen Durchmesser von hundert Schritten haben. Das alte Bauwerk war ganz mit bluhenden Schlingpflanzen uberzogen; der ubrige Raum war wie ein Garten bearbeitet und mit Blumen und Stauden bepflanzt.
Der Wald spiegelte seine Wipfel im Wasser des Sees, und die Bergeshaupter warfen ihre Schatten uber die Flut. Dennoch war dieselbe weder grun noch blau oder uberhaupt dunkel gefarbt; sie glanzte vielmehr silbergrau. Kein Lufthauch krauselte das Wasser. Wenn so etwas moglich ware, hatte man meinen konnen, ein mit Quecksilber gefulltes Becken vor sich zu haben.
In und bei den erwahnten Hutten lagen Indianer, jene hundert Timbabatschen. Sie gerieten in eine kleine Aufregung, als sie den Zug der Wei?en kommen sahen; da aber ihre Gefahrten sich an der Spitze desselben befanden, so beruhigten sie sich schnell.
Noch hatten die Wei?en die Hutten nicht ganz erreicht, so traten druben auf der Insel zwei mannliche Gestalten aus der Hutte. Der Apache hielt die Hand an den Mund und rief hinuber:»Nintropan-hauey! Winnetou ist gekommen!«
Ein antwortender Ruf scholl heruber; dann sah man die beiden in ein an der Insel hangendes Kanoe steigen, um nach dem Ufer zu rudern. Es waren die beiden» Baren«, Vater und Sohn. Ihr Erstaunen, als sie die bekannten Gesichter sahen, war jedenfalls gro?, wurde aber durch keine Miene verraten. Als der» gro?e Bar «ausgestiegen war, gab er Winnetou die Hand und sagte.»Der gro?e Hauptling der Apachen ist uberall, und wohin er kommt, erfreut er die Herzen. Ich begru?e auch Old Shatterhand, den ich kenne, und Old Firehand, der mit mir auf dem Schiffe war!«
Als er die Tante Droll erblickte, flog doch ein Lacheln uber sein Gesicht; er erinnerte sich der ersten Begegnung mit diesem possierlichen Kerlchen und sagte, indem er ihm die Hand reichte:»Mein wei?er Bruder ist ein tapferer Mann; er hat den Tiger getotet und ich hei?e ihn willkommen.«
So ging er von Mann zu Mann, um jedem die Hand zu geben. Sein Sohn war zu jung; er durfte sich den beruhmten Kriegern und Jagern noch nicht gleichrechnen, aber mit Ellen zu reden, das war kein Versto?. Als er das Kanoe angebunden hatte, naherte er sich ihr, die aus der Sanfte gestiegen war. Er mochte wahrend seiner Reise gesehen haben, in welcher Weise Damen und Herren sich begru?en, und hielt es fur geeignet, zu zeigen, da? er es noch nicht vergessen habe. Darum nahm er seinen Hut vom Kopfe, schwenkte ihn ein wenig, verbeugte sich und sagte in gebrochenem Englisch:»Der» kleine Bar «hat es nicht fur moglich gehalten, die wei?e Mi? wiederzusehen. Was ist das Ziel ihrer Reise?«
«Wir wollen nicht weiter als nach dem Silbersee, «antwortete sie.
Die Rote der Freude ging uber sein Gesicht, obgleich er einen Ausdruck des Erstaunens nicht zu unterdrucken vermochte.
«So wird die Mi? einige Zeit hier verweilen?«fragte er.
«Langere Zeit sogar, «antwortete sie.
«Dann bitte ich, stets bei ihr sein zu durfen. Sie soll alle Baume, Pflanzen und Blumen kennen lernen. Wir werden auf dem See fischen und im Walde jagen; aber ich mu? stets in ihrer Nahe sein, denn es gibt wilde Tiere und feindselige Menschen. Wird sie mir das erlauben?«
«Sehr gern. Ich werde mich bei dir viel sicherer fuhlen, als wenn ich allein bin, und freue mich sehr, da? du hier bist.«
Sie streckte ihm die Hand entgegen, und er, wahrhaftig, er zog dieselbe an die Lippen und machte dabei eine Verbeugung, wie ein richtiger Gentleman! Die Pferde der Neuangekommenen wurden von den Timbabatschen in den Wald gefuhrt, in welchem sich auch die ihrigen befanden. Ihr Hauptling hatte bisher stolz in seiner Hutte gesessen und kam nun langsam hervor, ziemlich verdrossen daruber, da? man von ihm nicht mehr Notiz nehmen wollte. Er war ein finsterer Gesell mit langen Beinen und Armen, welche ihm etwas Orang- Utang-Ahnliches gaben. Er war nicht weniger erstaunt als die andern gewesen uber die plotzliche Ankunft so vieler Wei?er, hielt es aber fur seiner Wurde angemessen dies nicht merken zu lassen, sondern ihre Anwesenheit als etwas ganz Selbstverstandliches hinzunehmen. Darum blieb er von fern stehen und blickte uber sie hinweg nach den Bergen hinuber, als ob er mit ihnen nicht das mindeste zu schaffen habe. Aber er hatte sich verrechnet, denn die Tante Droll kam zu ihm und sagte:»Warum tritt das» lange Ohr «nicht naher? Will er die beruhmten Krieger der Bleichgesichter nicht begru?en?«
Der Hauptling brummte etwas Unverstandliches in seiner Sprache vor sich hin, kam aber da bei Droll an den
