«Ihr verge?t, «fiel Watson, der fruhere Schichtmeister in Sheridan, ein,»da? dieser Hauptling einen Sohn und auch einen Enkel hatte, welche zwar nicht anwesend waren, aber doch eigentlich bei ihm am Silbersee wohnten. Sie werden, wie sich ganz von selbst versteht, das Geheimnis kennen und sind gewi?, ob im Guten oder im Bosen, das ist gleich, dazu zu bringen, es uns mitzuteilen.«
«Ein Indianer la?t sich zu so etwas nicht zwingen, besonders wenn es sich um Gold und Silber handelt; er stirbt lieber, als da? er dem verha?ten Wei?en zum Reichtum verhilft.«
«Es fragt sich, ob er uns zu den Verha?ten zahlt. Die beiden» Baren «sind vielleicht den Wei?en freundlich gesinnt.«
«Die» beiden Baren?«fragte Old Firehand.»Hie?en sie so?«
«Ja doch! Der» gro?e «und der» kleine Bar«.«
«Alle Wetter! Wie konnte mir das entgehen! Jawohl, es fallt mir ein, da? das ihre Namen waren. Wie ist es nur moglich, da? ich nicht sofort an die beiden Tonkawa gedacht habe, welche sich mit uns auf dem Dampfer befanden! Nintropan-Hauey und Nintropan-Homosch, der» gro?e Bar «und der» kleine Bar«, so hie?en sie doch!«
«Die zwei Nintropan wohnen droben am Silbersee, «bestatigte jetzt Winnetou.»Ich kenne sie; sie sind meine Freunde und waren den Bleichgesichtern stets gewogen.«
«Wirklich? Das ist gut, sehr gut; denn da ist alle Hoffnung vorhanden, da? sie uns die gewunschte Auskunft geben werden. Leider gibt es jetzt Kampf dort oben, und die Utahs befinden sich zwischen uns und dem See. Wir werden wohl nicht hindurchkommen.«
«Wir brauchen nicht hindurch, nicht an den Utahs voruber; denn ich kenne einen Weg, welchen noch kein Wei?er und noch kein Utah betreten hat. Er ist zwar sehr beschwerlich, aber wenn wir bald aufbrechen, werden wir noch vor ihnen und sogar schon vor den Navajoes oben sein.«
«So wollen wir uns beeilen. Wir haben hier nichts mehr zu thun, als diese Wei?en zu begraben, die wir doch nicht hangen lassen konnen. Das ist bald geschehen, wenn wir sie nebeneinander legen und mit Steinen bedecken. Dann machen wir uns sofort auf den Weg. Ich hoffe das beste, zumal wir so viele Geiseln haben und wir also die Utahs wohl zwingen konnen, auf friedliche Vorschlage einzugehen.«
Sechzehntes Kapitel
Am Silbersee
Es war eine gewaltige Scenerie, welche sich den Augen der Wei?en bot, als sie nach einigen Tagen sich dem Ziele ihres beschwerlichen Rittes naherten. Sie ritten in einem langsam aufsteigenden Canon, an dessen beiden Seiten machtig hohe Felsenmassen aufstarrten, und zwar in einem Farbenglanze, welcher die Augen beinahe blendete. Kolossale Sandsteinpyramiden, eine neben der andern stehend, oder sich coulissenartig vor- und hintereinander schiebend, strebten in einzelnen, verschieden gefarbten Lagerungen und Stockwerken zum Himmel empor. Bald bildeten diese Pyramiden gradlinige senkrechte Wande; bald waren sie mit ihren vielen Pfeilern und vorspringenden Ecken, Spitzen und Kanten mit steinernen Schlossern oder phantastischen Citadellen zu vergleichen. Die Sonne stand hoch, schrag uber diesen gro?artigen Formationen und lie? dieselben in einer geradzu unbeschreiblichen Farbenpracht erglanzen. Gewisse Felsen schillerten im hellsten Blau, andre tief goldigrot; zwischen ihnen lagen gelbe, olivengrune und im feurigsten Kupfer funkelnde Lagerungen, wahrend in den Furchen ein gesattigt blauer Schatten ruhte. Aber dieses Geprange, bei welchem dem Beschauer die Augen ubergehen wollten, war ein totes; es fehlte ihm das Leben, die Bewegung. Es flo? kein Wassertropfen zwischen diesen Felsen; kein Halm fand Nahrung auf dem tiefen Grunde, und an den starren Mauern war kein grunender Zweig, kein einziges Blatt, dessen Grun dem Auge wohlgethan hatte, zu bemerken. Aber da? es zu Zeiten hier Wasser gab, und zwar in gewaltiger Menge, das bewiesen die Spuren, welche zu beiden Seiten deutlich am Gestein zu erkennen waren. In diesen Zeiten bildete der jetzt trockene Canon das Bett eines Stromes, welcher seine rei?enden Fluten tief und breit in den Colorado ergo?. Dann war die Schlucht wochenlang fur jeden menschlichen Fu? gesperrt, und wohl schwerlich konnte ein kuhner Westmann oder Indianer es wagen, sich den Wogen auf schwankem, gebrechlichem Canoe anzuvertrauen. Die Sohle des Canon bestand dementsprechend aus einer tiefen Lage rundgescheuerter Steine, deren Zwischenraume mit Sand ausgefullt waren. Das gab eine sehr beschwerliche Bahn, denn die runden Steine wichen bei jedem Schritte unter den Hufen der Pferde und ermudeten die Tiere so, da? man von Zeit zu Zeit Halt machen mu?te, um sie ausruhen zu lassen. Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou ritten voran. Der erstere widmete der Umgebung eine auffallige Aufmerksamkeit. Man sah ihm an, da? er nach einer Stelle suchte, welche ihm jedenfalls von Wichtigkeit war.
Da, wo zwei gewaltige Felsenpfeiler sich in der Hohe aneinander lehnten und unten einen Zwischenraum lie?en, welcher kaum zehn Fu? breit war und sich nach innen noch zu verengern schien, hielt er sein Pferd an, betrachtete die Stelle mit prufendem Blicke und sagte:»Hier mu? es sein, wo ich damals herauskam, nachdem ich die Ader gefunden hatte. Ich glaube nicht, da? ich mich irre.«
«Und da willst du hinein?«fragte Old Shatterhand.
«Ja. Und ihr sollt mit.«
«Fuhrt der Spalt denn weiter? Es scheint doch, da? er bald zu Ende geht.«
«Wollen sehen. Es ist doch moglich, da? ich mich irre.«
Er wollte vom Pferde steigen, um nachzuforschen; aber der Apache lenkte sein Tier nach der Felsenenge und sagte in seiner ruhigen, sicheren Weise:»Meine Bruder mogen mir folgen, denn hier beginnt ein Weg, auf welchem wir eine gro?e Strecke abschneiden werden. Auch ist er fur die Pferde viel bequemer als der Gerollboden des Canons.«
«Du kennst diese Spalte?«fragte Old Firehand uberrascht.
«Winnetou kennt alle Berge, Thaler, Schluchten und Risse genau; du wei?t, da? er sich niemals irrt.«
«Das ist wahr. Aber da? du gerade diese Stelle kennst, und da? du von ihr behauptest, der Anfang eines Weges zu sein, das ist sonderbar. Kennst du die Gegend, in welche er fuhrt?«
«Ja. Diese Spalte wird erst noch enger; dann verbreitert sie sich sehr, nicht zu einer schmalen Schlucht, sondern zu einer glatten Felsenflache, welche wie eine riesige Tafel allmahlich in die Hohe steigt.«
«Das stimmt, das stimmt! Ich bin also an der richtigen Stelle. Diese Tafel fuhrt mehrere hundert Fu? nach oben. Und was kommt dann? Wei?t du es?«
«Die obere Kante dieser Tafel fallt dann jenseits jah in die Tiefe, in einen gro?en, runden Kessel, aus welchem eine schmale, viel gewundene Felsenenge hinauf in das weite, schone Thal des Silbersees fuhrt.«
«Auch das ist richtig. Bist du in diesem Kessel gewesen?«
«Ja.
«Hast du da vielleicht etwas Merkwurdiges gefunden?«
«Nein. Es ist nichts, gar nichts da zu finden, kein Wasser, kein Gras, kein Tier. Kein Kafer, keine Ameise kriecht uber das ewig trockene Gestein.«
«So will ich dir beweisen, da? man doch etwas findet, etwas, was viel kostbarer ist, als Wasser und Gras.«
«Meinst du die Silberader, welche du entdeckt hast?«
«Ja. Es gibt da nicht nur Silber, sondern auch Gold. Dieser Felsenkessel ist es, wegen dessen ich den weiten Ritt unternommen habe. Vorwarts, biegen wir hier ab!«
Sie ritten in den Spalt hinein, einzeln hintereinander, denn es gab nicht Platz genug fur zwei. Bald aber traten die Felsenwande weiter und immer weiter auseinander; die gigantischen Pfeiler offneten sich, und nun lag, mit dem untersten Winkel an die Spalte sto?end, vor den Reitern ein machtiges, glattes Felsendreieck, welches sich langsam und dachformig zwischen rechts und links zuruckweichenden Wanden erhob und oben gegen den hellen Himmel eine scharfe, schnurgerade Grundlinie bildete.
Da hinauf ging nun der Ritt. Es war, als ob die Pferde ein ungeheures Dach zu erklimmen hatten, doch war die Steigung desselben nicht so bedeutend, da? sie allzu gro?e Schwierigkeiten bot. Es dauerte wohl eine Stunde, ehe der Zug oben ankam, und nun dehnte sich vor den Reitern eine meilenweite Felsenebene nach Westen hin, in deren Vordergrund der tiefe Kessel, von welchem Old Firehand und Winnetou gesprochen hatten, eingesenkt war. Aus diesem sah man von oben aus einen dunkeln Strich links ab nach Suden gehen. Das war die erwahnte Felsenenge, durch welche man aus dem Kessel nach dem Silbersee gelangte.
