Das war kein Zeitverlust, da man den Roten nicht sofort folgen durfte. Auch war es besser, jetzt fur fertige Portionen zu sorgen, als spater die dann kostbar gewordene Zeit damit zu verschwenden. Da? die Pferde trinken und grasen durften, um sich fur den heutigen Ritt zu starken, versteht sich ganz von selbst.

Nach der Entfernung der Utahs waren den Gefangenen die Knebel abgenommen worden. Sie konnten also wieder frei Atem holen und sprechen. Die» gelbe Sonne «war die erste, welcher von diesem letzteren Umstande Gebrauch machte. Er hatte lange still dagelegen, das Treiben der Wei?en beobachtet und jeden einzelnen genau und mit finstern Blicken betrachtet. Jetzt wendete er sich an Old Shatterhand:»Welcher von euch ist es, der mich niedergeschlagen hat? Wie konnt ihr es wagen, uns gefangen zu nehmen und zu binden, da wir euch nichts gethan haben!«

«Wei?t du, wer wir sind?«fragte der Jager entgegen.

«Ich kenne Winnetou, den Apachen, und wei?, da? Old Shatterhand und Firehand sich bei ihm befinden.«

«Ich bin Shatterhand, und mein Arm war es, der dich zu Boden schlug.«

«Warum?«

«Um dich unschadlich zu machen.«

«Willst du behaupten, da? ich dir schaden wollte?«

«Ja.«

«Das ist eine Luge!«

«Gib dir keine Muhe, mich zu tauschen! Ich wei? alles. Wir sollten hier getotet werden, obgleich wir mit den Utahs die Pfeife des Friedens geraucht haben. Die Yampas haben euch gestern Boten geschickt und sind dann selbst gekommen. Jede Unwahrheit, welche du sagst, ist umsonst gesprochen. Wir wissen, woran wir sind, und glauben euch kein Wort.«

Der Hauptling wendete das Gesicht ab und schwieg. An seiner Stelle ergriff der einfache Krieger, welchen der Hobble-Frank an dem Verstecke niedergeschlagen hatte, das Wort:»Die Bleichgesichter sind jetzt Feinde der Utahs?«

«Wir sind Freunde aller roten Manner; aber wir wehren uns, wenn wir von ihnen feindlich behandelt werden.«

«Die Utahs haben die Kriegsbeile gegen die Bleichgesichter ausgegraben. Ihr seid beruhmte Krieger und furchtet sie nicht. Wei?t du aber, da? die Navajoes ausgezogen sind, den Bleichgesichtern zu helfen?«

«Ja.«

«Die Navajoes sind Apachen, und der beruhmteste Hauptling dieses Volkes, Winnetou, ist euer Freund und Gefahrte; er befindet sich bei euch. Ich sehe ihn dort bei seinem Pferde stehen. Warum schlagt ihr einen Krieger der Navajoes nieder und bindet ihm die Arme und die Beine?«

«Meinst du dich selbst?«

«Ja. Ich bin ein Navajo.«

«Warum hast du dich dann nicht mit den Farben deines Stammes bemalt?«

«Um mich zu rachen.«

«Und worum lie?est du dich hier noch treffen, als die Deinen schon gewichen waren?«

«Eben wegen meiner Rache. Mein Bruder kampfte an meiner Seite und wurde von einem Hauptling dieser Hunde erschlagen. Ich brachte seinen Korper in Sicherheit, damit die Utahs ihm nicht die Skalplocke nehmen konnten, und kehrte dann, obgleich meine Krieger schon gewichen waren, zuruck, um seinen Tod zu rachen. Ich schlich an den Feinden voruber, ohne von ihnen gesehen zu werden. Ein Hauptling hatte meinen Bruder erschlagen; ein Hauptling sollte mir dafur seinen Skalp geben. Ich, wu?te, da? ein solcher im Thale zuruckgeblieben war, und wollte ihn suchen. Da sah ich zwei Manner in meinem Wege, einen toten und einen lebendigen. Dieser letztere sah auch mich; ich war verrathen und wollte ihn erschie?en; er war schneller als ich und schlug mich nieder. Als ich erwachte, lag ich in Finsternis und war gefangen. Rufe Winnetou! Er kennt mich nicht; aber wenn ich mit ihm sprechen darf, werde ich beweisen konnen, da? ich kein Utah, sondern ein Najavo bin. Als ich den Bruder den Gefahrten ubergeben hatte, entfernte ich die Kriegsfarben aus meinem Gesichte, um von den Utahs nicht sogleich als Feind erkannt zu werden.«

«Ich glaube dir; du bist ein Navajo und sollst frei sein.«

Da fuhr die» gelbe Sonne «auf:»Er ist ein Utah, einer meiner Krieger, ein Feigling, der sich durch eine Luge retten will!«

«Schweig!«gebot Old Shatterhand.»Ware es wirklich ein Gefahrte von dir, so wurdest du ihn nicht verraten. Da? du ihn verderben willst, beweist, da? er die Wahrheit gesprochen hat. Du bist ein Hauptling, aber deine Seele ist diejenige eines gemeinen Feiglings, den man verachten mu?!«

«Beleidige mich nicht!«brauste der andre auf.»Ich habe die Macht, euch alle zu verderben. Nimmst du uns die Bande ab, so soll euch verziehen werden. Thust du es aber nicht, so werdet ihr von tausend unbeschreiblichen Qualen erwartet!«

«Ich verlache deine Drohung; du befindest dich in unsrer Gewalt, und wir werden mit dir thun, was uns beliebt. Je ruhiger du dich in deine Lage fugst, desto ertraglicher wird sie sein. Wir sind Christen und erfreuen uns nicht daran, unsern Feinden Schmerzen zu bereiten.«

Indem er dies sagte, befreite er den Navajo, welcher ein noch junger Mann war, von seinen Fesseln. Dieser sprang auf, reckte und dehnte seine Glieder und bat:»Gib diese Hunde in meine Hand, damit ich mir ihre Skalpe nehmen kann! Je milder du mit ihnen bist, desto mehr werden sie dich betrugen.«

«Du hast keinen Teil an ihnen, «antwortete Old Shatterhand» Du wirst vielleicht mit uns ziehen; aber wenn du es wagst, sie auch nur mit dem Finger zu beruhren, wurde ich dich mit meinen eigenen Handen toten, Nur wenn wir sie leben lassen, konnen sie uns Nutzen bringen; ihr Tod aber wurde uns schaden.«

«Was konnte das fur ein Nutzen sein?«fragte der Rote verachtlich.»Diese Hunde sind zu nichts gut.«

«Daruber habe ich dir keine Erklarung zu geben. Willst du sicher zu den Deinen gelangen, so hast du dich nach unserm Willen zu richten.«

Man sah es dem Gesichte des Navajo an, da? er nur ungern auf die Erfullung seines Wunsches verzichtete, aber er mu?te sich fugen. Um ihm einigerma?en zu Willen zu sein, ubergab Old Shatterhand ihm die Bewachung der gefallenen Utahs und versprach ihm den Skalp desjenigen von ihnen, der es wagen wurde, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Das beruhigte den Mann und war zugleich ein kluges Arrangement, da es jedenfalls keinen aufmerksameren und unermudlicheren Aufseher geben konnte als ihn, der so lustern nach den Kopfhauten der Gefangenen war.

Nun galt es vor allen Dingen noch, die ermordeten Wei?en zu besichtigen. Sie boten einen Anblick dar, dessen Beschreibung am besten unterlassen bleibt. Sie waren unter gro?en Qualen gestorben. Die Manner, welche bei den Leichen standen, hatten schon viel gesehen und erfahren; aber sie konnten sich eines Schauders nicht erwehren, als sie die zerstochenen Korper und verunstalteten Gliedma?en der Toten erblickten. Die Tramps hatten geerntet, was und wie von ihnen gesaet worden war. Am schlimmsten war es dem Cornel ergangen. Er hing verkehrt am Marterpfahle, mit dem Kopf nach unten. Er war, ganz wie seine Gefahrten, von allen Kleidern entblo?t; die Roten hatten die Anzuge unter sich verteilt, und es war nicht das kleinste Stuck derselben zu sehen.

«Jammerschade!«sagte Old Firehand.»Hatten wir doch eher kommen konnen, um die Ermordung dieser Leute zu verhindern!«

«Pshaw!«antwortete der alte Blenter.»Habt Ihr etwa auch noch Mitleid mit diesen Kerls? Und wenn wir zur rechten Zeit gekommen und es euch gelungen ware, ihnen das Leben zu retten, der Cornel hatte doch sterben mussen. Mein Messer hatte auf alle Falle ein Wort mit ihm gesprochen.«

«So war es nicht gemeint, denn ihren Tod bedauere ich nicht, wenn ich auch wunsche, da? derselbe ein weniger grausamer hatte sein mogen. Aber das Papier, das Papier, die Zeichnung, welche der Cornel bei sich trug! Die wollte ich haben; die brauchten wir! Und nun ist sie fort; jedenfalls verloren.«

«Vielleicht finden wir sie. Jedenfalls geraten wir noch mit den Utahs zusammen, und dann wird es wohl auf irgend eine Art zu ermoglichen sein, in den Besitz des Anzuges zu gelangen, den wir dann untersuchen werden.«

«Schwerlich! Wir kennen ja die Kleidungsstucke nicht, welche er zuletzt getragen hat; sie sind wohl nicht beisammen geblieben, sondern unter mehrere Rote verteilt worden. Wie will man sie wieder zusammenbringen? Die Zeichnung ist verloren, und jener alte Hauptling Ikhatschi-tabli, von welchem Engel sie erhalten hat, ist tot; ein zweites Exemplar ist ja nicht mehr zu bekommen.«

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