gemacht, und nun galt es, Mann gegen Mann zu kampfen und nicht der Uberraschung, sondern der Tapferkeit und Uberzahl die Entscheidung zu uberlassen. Der rote Mann greift am liebsten gegen Morgen an, wo der Schlaf, wenigstens bei den dortigen Verhaltnissen, bekanntlich am tiefsten ist. Warum die Navajos von dieser Regel abwichen, war schwer zu ersehen. Vielleicht hatten sie geglaubt, unbemerkt eindringen und dann die von den Feuern beschienenen Feinde schnell niederschie?en zu konnen. Als das nicht gelungen war, hatte ihre Tapferkeit ihnen nicht gestattet, zuruckzuweichen; sie waren dennoch vorgedrungen und kampften nun mit viel Verlust.

Es stellte sich heraus, da? die Utahs in der Uberzahl waren; uberdies kannten sie das Terrain besser als die Feinde, und so wurden diese, obgleich sie sich au?erordentlich wacker hielten, nach und nach zuruckgedrangt. Man kampfte aus der Ferne und in der Nahe, mit der Schie?waffe und mit Messer oder Tomahawk. Es war fur die drei verborgenen Zuschauer eine hochst aufregende Scene, Wilde gegen Wilde in der wildesten Manier! Hier kampften zwei unter brutalstem Geheul; dort schlachteten sich einige in teuflischer Lautlosigkeit ab. Wo einer fiel, war sofort der Sieger uber ihn her, um ihm den Skalp zu nehmen, vielleicht um in dem nachsten Augenblicke seinen eigenen zu verlieren.

Von den drei Hauptlingen, welche noch am Feuer gesessen hatten, kampften zwei eigenhandig mit, um die Ihrigen durch ihr Beispiel anzufeuern. Der dritte lehnte in der Nahe des Feuers an einem Baume, verfolgte den Verlauf des Kampfes mit scharfem Blicke und erteilte nach rechts und links seine laut gebrullten Befehle. Er war der Feldherr, bei welchem die Faden der Verteidigung sich vereinigten. Selbst als die Navajos weiter und weiter zuruckgedrangt wurden, blieb er stehen, ohne mit zu avancieren. Er wollte seinem Platze stolz treu bleiben und uberlie? den andern Hauptlingen die Leitung der Verfolgung der Feinde.

Der Kampf entfernte sich mehr und mehr. Jetzt war es fur die drei unfreiwilligen Zeugen Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Der Weg nach ihrem Asyle war frei. Spater, falls der Kampf vielleicht eine Gegenrichtung nahm, oder wenn die Utahs als Sieger zuruckkehrten, war es wohl unmoglich, unbemerkt nach dem Verstecke zu gelangen.

Winnetou stieg vom Baume. Die beiden andern sahen es trotz der Dunkelheit und kamen auch herab. Noch immer stand der Hauptling an seiner Stelle. Das Getose des Kampfes erscholl aus weiter Ferne.

«Jetzt zuruck!«sagte Winnetou.»Spater werden Freudenfeuer angebrannt, und dann ist's zu spat fur uns.«

«Nehmen wir diesen Hauptling mit, «fragte Old Shatterhand.

«Ja. Wir werden ihn leicht ergreifen, denn er ist allein. Ich will mich zu — «

Er hielt inne. Und was er sah, das war auch ganz geeignet, ihn in das gro?te Erstaunen zu versetzen und ihm die Worte im Munde stecken bleiben zu lassen. Es kam namlich aus dem Dunkel schnell wie der Blitz ein kleines, schmachtiges, hinkendes Kerlchen gesprungen, schwang die Flinte und schlug den Hauptling mit einem wohlgezielten Kolbenhiebe zu Boden. Dann ergriff er den Roten beim Genick und zerrte ihn schnell fort, in das Dunkel hinein. Dabei horte man die nicht sehr lauten, aber dennoch verstandlichen Worte aus seinem Munde:»Was Old Shatterhand und Old Firehand kann, das konnen und verschtehen wir Sachsen mehrschtenteels ooch!«

«Der Hobble-Frank!«meinte Old Shatterhand erstaunt.

«Ja, der Frank!«stimmte Old Firehand ein.»Das Kerlchen ist verruckt! Wir mussen ihm schleunigst nach, damit er keine Dummheiten macht!«

«Verruckt? Gewi? nicht! Ein possierlicher Knirps ist er; das ist wahr; aber das Herz hat er gerade da, wo es hingehort, und leichtsinnig ist er gar nicht. Ich habe ihn in die Schule genommen und kann sagen, da? ich meine Freude an ihm habe. Dennoch aber wollen wir ihm nach, da sein Weg auch der unsrige ist.«

Sie eilten fort, hinter dem Kleinen her, in das Dunkel hinein. Schon hatten sie den Eingang zum Verstecke fast erreicht; da fiel gerade vor ihnen ein Schu?.

«Ein Roter ist auf ihn getroffen. Schnell drauf auf — «wollte Old Shatterhand sagen, aber er schwieg, denn es ertonte die lachende Stimme des Kleinen:»Dummkopp, so pa? doch off, wo du hinzielst! Wennste mich treffen willst, darfste doch nicht in den Mond schie?en! Da haste dein Teel, und nun gute Nacht!«

Ein Krach wie von einem schweren Hiebe, dann war es still. Die drei drangen vor und stie?en auf den Kleinen.

«Zuruck!«gebot er.»Hier wird geschossen und geschtochen!«

«Halt, schie? nicht!«warnte Old Shatterhand.»Was hast du denn hier zu suchen?«

«Zu suchen? Nischt und gar nischt. Ich brauch' nich zu suchen, denn ich hab's ja schon bis zum doppelten Findling gebracht. Danken Sie Gott, da? Sie den Mund geoffnet haben! Hatte ich Sie nich an Ihrer konglomeraten Schtimme erkannt, meiner Treu, ich hatte Sie kurz und kleen geschossen. Ich habe zwee Kugeln in der Buchse, was bei meiner Geistesgegenwart und Konsubschtanz furwahr keen Schpa? nich is. Ich warne Sie allen Ernstes, sich nich wieder so blindlings erschtens in die Gefahr und zweetens mir entgegenzuschturzen, denn sonst werden Sie drittens wie der Wind zu Ihren Vatern und Patriarchen versammelt!«

Die beiden wei?en Jager mu?ten trotz des Ernstes der gegenwartigen Situation uber diese Strafrede lachen. Es war augenblicklich kein Feind in der Nahe, und so konnte sich Old Shatterhand ohne Besorgnis erkundigen:»Aber wer hat dir denn die Erlaubnis gegeben, das Versteck zu verlassen?«

«Erlaubnis? Mir hat keen Mensch was zu erlauben. Ich bin mein eegner Herr und Fideikommi?besitzer. Nur die Sorge um Sie hat mir den Kura? umgeschnallt. Kaum waren Sie fort, so ging een Geschrei los, als ob die Cimbern mitten in die Teutonen eingebrochen waren. Das ware noch auszuhalten gewesen, denn meine Nerven sind mit Teer und Fischthran eingerieben. Aber nachher ging das Geschie?e los, und es wurde mir um Sie angst und bange. Mein kindliches Gemut hangt mit vaterlicher Anhanglichkeit an Ihrer seelischen Daseinsexistenz, und ich kann es mir unmoglich ruhig gefallen lassen, wenn Sie von den Roten um Ihr schones Leben gebracht werden. Darum nahm ich das Gewehr und huschte fort, ohne da? die andern es in der agyptischen Verfinsterung bemerkten. Links wurde geschossen; nach rechts hatten Sie gewollt; ich ging also nach rechts. Da schtand der Hauptling am Boome wie een marinierter Olgotze. Das argerte mich, und so versetzte ich ihm eenen vertikalen Klaps, da? er horizontal zu Boden kam. Naturlich wollte ich ihn schnell in successive Sicherheet bringen und zerrte ihn fort; aber er war mir doch zu schwer, und ich setzte mich een Weilchen off sein Corpus juris, um een bi?chen auszuruhen. Da kam so een roter Franctireur geschlichen und sah mich gegen das Licht. Er legte die Flinte an; ich schlug sie zur Seite, und sein Kugel flog in die Milchschtra?e empor; ich aber setzte mich mit Hilfe meines Kolbens mit ihm in solche Konfexion, da? er neben dem Hauptling niederknickte. Nun liegen die beeden Kerle da, ganz ohne Sinn und Verschtand, und wissen nich, woran sie denken sollen. Es is doch een Mallor off dieser Welt!«

«Sei froh, da? es kein gro?eres Ungluck gegeben hat! Wenn du eher kamst, warst du verloren!«

«Haben Sie keene Sorge! Der Hobble-Frank kommt niemals eher, als bis er den Sieg in beeden Handen hat. Was soll nun mit den Kerles geschehen? Ich alleene kann sie nich bewaltigen.«

«Wir werden dir helfen. Jetzt rasch hinein! Da unten hat das Schie?en aufgehort, und es steht zu erwarten, da? die Utahs nun zuruckkehren.«

Die beiden besinnungslosen Indianer wurden in das Versteck gebracht und ebenso gebunden und geknebelt wie die andern. Dann postierte sich Winnetou mit Old Firehand an den Vorhang, um die Vorgange drau?en zu beobachten.

Ja, die Utahs kehrten zuruck, und zwar als Sieger. Es wurde eine doppelte Anzahl Feuer angebrannt, mit deren Branden man den Wald nach den Toten und Verwundeten durchsuchte. Die Navajos hatten die ihrigen mitgenommen, wie es bei den Indianern Sitte ist.

Bei jedem Toten, den man fand, erhob sich ein Klage- und Wutgeheul. Die Leichen wurden zusammengetragen, um ehrenvoll begraben zu werden. Man vermi?te mehrere Personen, welche gefangen sein mu?ten. Unter diesen dachte man sich auch die drei Hauptlinge, welche verschwunden waren, ohne da? eine Spur von ihnen zu finden war. Bei dieser Entdeckung hallte der Wald wieder vom Gebrull der ergrimmten Krieger. Die zwei noch ubrigen Anfuhrer riefen die hervorragenden Krieger zu einer Beratung, bei welcher laute, zornige Reden gehalten wurden.

Das brachte Winnetou auf den Gedanken, sich hinauszuschleichen, um vielleicht zu erfahren, was die Utahs beschlie?en wurden. Dies wurde ihm gar nicht schwer. Die Roten waren uberzeugt, ganz allein zu sein, und hielten also jede Vorsicht fur uberflussig. Die zuruckgeschlagenen Navajos kamen gewi? nicht wieder, und wenn dies auch geschah, so waren unten am Ausgange des Thales Wachen ausgestellt. Da? sich mitten im Thale noch viel gefahrlichere Feinde als die Navajos befanden, davon hatte man ja keine Ahnung. So horte Winnetou also alles, was vorgenommen werden sollte. Man wollte noch wahrend der Nacht die Toten begraben; die Klaggesange konnten fur spater aufgeschoben werden. Jetzt galt es, vor allen Dingen die gefangenen Hauptlinge zu befreien. Das war sogar noch notwendiger, als morgen die Ankunft Winnetous und seiner beruhmten wei?en Gefahrten

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