abzuwarten. Da diese hinauf nach dem Silbersee wollten, mu?ten sie unbedingt und auf alle Falle in die Hande der Utahs fallen. Der Hauptlinge wegen mu?te so schnell wie moglich aufgebrochen werden, um dieselben zu befreien. Darum sollten alle notigen Vorbereitungen getroffen werden, um beim Grauen des Tages den Verfolgungsritt antreten zu konnen.

Jetzt zog Winnetou sich langsam und vorsichtig zuruck. In der Nahe des Versteckes angekommen, sah er mehrere Pferde stehen. Diese Tiere waren wahrend des Kampfes scheu geworden und hatten sich von den andern getrennt; es waren ihrer funf. Da fiel dem Apachen ein, da? die Gefangenen doch transportiert werden mu?ten, drei Hauptlinge und ein Krieger. Dazu waren vier Pferde notig. Kein Mensch befand sich in der Nahe. Die Tiere scheuten vor ihm nicht, weil er ein Indianer war. Er nahm eins derselben am Halfter und fuhrte es nach dem Verstecke. Dort sa? Old Firehand hinter dem Vorhange und nahm es in Empfang. Auf diese Weise wurden noch drei andre hineingeschafft; sie schnaubten zwar ein wenig, wurden aber von Winnetou sehr bald beruhigt.

Im Innern des Versteckes wurde niemand die Zeit lang. Es gab so viel zu erzahlen, zu horen und — zu lauschen. Der Hobble-Frank hatte sich, naturlich in volliger Dunkelheit, an der Seite seines Freundes und Vetters niedergelassen. Fruher war er nicht von dem dicken Jemmy gewichen und trotz aller scheinbaren Zerwurfnisse mit ihm stets ein Herz und eine Seele gewesen; seit er aber den Altenburger gefunden hatte, war das anders geworden. Droll wollte nicht gelehrt sein und lie? den Kleinen sprechen, ohne ihn jemals zu verbessern; das band den Hobble mit machtiger Gewalt an ihn. Ubrigens dachte Droll, der erfahrene Westmann, nicht etwa gering von dem Kleinen; er schatzte im Gegenteile dessen gute Eigenschaften in vollem Ma?e und freute sich auch jetzt aufrichtig uber seine Heldenthat. Denn da? Frank erst den Hauptling und dann auch den andern Indianer niedergeschlagen hatte, war kein Werk etwa der Tolldreistigkeit, sondern der Uberlegung und Geistesgegenwart. Diese That fand allgemeine Anerkennung, und alle hatten sich lobend ausgesprochen, nur einer noch nicht, namlich der Lord. Jetzt aber holte er das Versaumte nach. Er sa? an der andern Seite des Kleinen und fragte diesen:»Frank, wollen wir wetten?«

«Ich wette nich, «antwortete der Gefragte.

«Warum nicht?«

«Ich habe keen Geld dazu.«

«Ich borge es Ihnen.«

«Borgen macht Sorgen, sagen wir in Sachsen. Ubrigens is es nich etwa christlich und kontributar-sozial, eenem armen Menschen Geld zu borgen, um es ihm durchs Wetten wieder abzuluxen. Da kommen Sie bei mir schief an die Ecke. Ich behalte mein Geld, ooch wenn ich keens habe.«

«Aber Sie wurden vielleicht gewinnen!«

«Fallt mir gar nich ein! Durchs Wetten mag ich nich reich werden. Es ruht kein Segen drauf. Ich habe meine prinzipiellen Grund- und Gegensatze, in denen ich mich nun eenmal nich irre machen lasse.«

«Das ist schade. Ich wollte dieses Mal mit aller Absicht verlieren, als eine Art Belohnung fur Ihre Heldenthat.«

«Een jedes Heldentum belohnt sich in seinem Innern ganz von selbst. Man tragt die accusative Anerkennung in seinen eegenen und heiligsten Herzenslokalitaten mit sich herum. Dem Verdienste seine Krone, und den andern nich die Bohne! Ubrigens is es doch wohl een wenigstens multiplizierter Gebrauch, Furschten und Helden durch eene Wette zu belohnen. Wer geben will, der mag doch geben, und zwar nich indirekt durch eine falsche Wette, sondern gleich direkt mit der Hand in den Mund. Das is in allen hoheren Kulturschtaaten so Sitte, und darum wird's auch im Umkreise meiner Personlichkeet nich andersch eingefuhrt.«

«So wurden Sie es mir also nicht ubelnehmen, wenn ich Ihnen ein Geschenk machte?«

«Sogar sehr! Schenken la?t sich der Hobble-Frank nischt; dazu hat er eene viel zu majestatische Ambition; aber een Andenken, so was der gewissenhafte Franzose een Subenir und Kataplasma nennt, das darf man mir schon reichen, ohne befurchten zu mussen, die Lyrasaiten meines Gemutes in mi?gestimmte Nebenklange zu komponieren.«

«Nun, dann haben Sie — ein Andenken also. Ich hoffe, da? Sie sich daruber freuen. Ich habe zwei und kann also eins entbehren.«

Er schob ihm eins seiner Prachtgewehre in die Hande. Frank aber schob es ihm zuruck und sagte:»Hornse, Mylord, Schpa? beiseite! Greifen Sie mich nich off demjenigen Punkte an, wo ich verderblich werden kann! Ich lachle gern und innig, aber ich kann ooch Kanonengesichter schneiden, wenn man meiner unbewachten Interferenz zu nahe tritt. Een kleener Scherz is gut und ooch fur die Gesundheet leicht verdaulich; aber an der Nase zupfen, das kann ich mir nich gefallen lassen und la? ich mir nich gefallen; da denk' ich viel zu hoch und diagonal von mir!«

«Aber ich scherze ja nicht; es ist mein volliger Ernst!«

«Was? Sie wollen dieses Gewehr wirklich aus Ihrem Besitztum entlassen?«

«Ja, «entgegnete der Englander.

«Und mir als bona immobilia schenken?«

«So ist es.«

«Dann her damit, nur rasch her damit, ehe die Reue kommt! Der Wahn is kurz wie Jemmy, aber die Reue lang wie Davy, singt Freiligrath. Dieses Gewehr mein Eegentum, mein unumschto?liches und konzentrirtes Eegentum. Das is ja grad, als ob heut' Christbescherung war'! Ich bin ganz au?er mir vor Freede! Ich bin ganz komplexiert und uberwaltigt! Mylord, brauchen Sie mal eenen guten Freund, der fur Sie durch dick und dunne geht, so pfeifen Sie mir nur; ich werde sofort aprasang sein! Wie bedanke ich mich nur? Wollen Sie eenen freundlichen Handedruck, eenen lukrativen Ku? oder eene interimistische Umarmung vor der ganzen Welt?«

«Ein Handedruck genugt.«

«Gut! Tu lah woluh, Anton. Hier is meine Hand. Drucken Sie sie; immer drucken Sie sie, solange es Ihnen Freede und Vergnugen macht. Ich schtelle sie Ihnen von jetzt an taglich zur Verfugung, so oft ich sie nich selber brauche, denn Dankbarkeet is eene Zier, und finden thut man sie bei mir. Droll, Vetter aus Altenburg, hast du gehort, was mir das Gluck dieses Tages in aller Hochachtung beschieden hat?«

«Ja, «antwortete der Altenburger.»Wennste een andrer warst, so that' ich dich beneide, weilste aber mein Freund und Vetter bist, gonn' ich dersch aus Herzegrund. Ich gratuliere!«

«Danke, wunsch' gleichfalls! Hurrje, wird's von jetzt an an een Schie?en gehen! Mit diesem Gewehre fordre ich mein Jahrtausend in die Schranken, ohne Advokat und Protokoll. Hier, Mylord, is meine Hand noch eenmal; drucken Sie; drucken Sie nur immer zu; ich will mirsch gern gefallen lassen. Ihr Englander seid doch schtets prachtige Kerle; das konschtatiere ich, wenn's verlangt wird, sehr gern mit meiner eegenhandigen Namensunterschrift. Zahlen Sie mich von heute an zu Ihren intimsten Haus- und Familienfreunden. Sobald ich mal nach London offs Newskij-Prospekt komme, besuche ich Sie. Sie brauchen sich nich zu schenieren; ich bin die reene Bescheidenheet und nehme mit allem furlieb.«

Er war uber das Geschenk unendlich glucklich und erging sich darum noch weiter in Redensarten, durch welche die andern sich hochst belustigt fuhlten. Ein Gluck, da? es so dunkel war und er also die Gesichter der Gefahrten nicht erkennen konnte.

Da fur den andern Tag bedeutende Anstrengungen zu erwarten waren, so wurden Wachen ausgelost, und dann versuchte man, zu schlafen, was aber lange nicht gelingen wollte. Man schlief erst nach Mitternacht ein, wurde aber schon beim Grauen des Morgens wieder munter, da der Abzug der Indianer unter bedeutendem Larm vor sich ging.

Als es dann drau?en ruhig geworden war, schlupfte der Apache hinaus, um zu sehen, ob man das Versteck verlassen konne. Als er zuruckkehrte, brachte er einen befriedigenden Bescheid. Es war kein einziger Utah mehr im Thale. Man konnte also das Versteck verlassen, welches zwar Raum genug geboten hatte, aber wegen der Anwesenheit der Pferde unbequem gewesen war. Zunachst wurde der Sicherheit wegen der Ein- und Ausgang des Thales mit je einem Posten besetzt und dann das letztere selbst genauer untersucht. Man fand ein Massengrab, welches einfach aus einem uber den Leichen errichteten Steinhaufen bestand. Auch gab es einige tote Pferde, welche von irregegangenen Kugeln getroffen worden waren. Die Roten hatten sie unbenutzt liegen lassen; die Wei?en waren kluger. Der Weg nach dem Silbersee fuhrte, wenn man den Utahs ausweichen wollte, durch wuste Gegenden, die alles pflanzlichen und also auch animalischen Lebens entbehren. Es war da nicht leicht, hinreichend Nahrung zu finden. Da kamen die Pferde sehr gelegen. Der Westmann ist nicht wahlerisch; er sattigt sich auch mit Pferdefleisch, wenn er nichts andres und besseres hat. Wird ihm doch, wenn er Gast der Indianer ist, sehr oft gemasteter Hund als Festbraten vorgesetzt! Man nahm also die besten Stucke, verteilte sie und brannte einige Feuer an, an denen sich jeder seinen Anteil braten konnte, um ihn zu konservieren.

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