Sie sich in Zukunft aus allen Konflikten heraushalten.«

«Ja, Sir.«

Die Ruckkehr in ihre Zelle war das Schwierigste, was Tracy je erlebt hatte. In dem Moment, in dem sie eintrat, uberfiel sie mit aller Gewalt das Schreckliche, das sich hier ereignet hatte. Ihre Zellengenossinnen warenbei der Arbeit. Tracy lag auf ihrer Pritsche, starrte gegen die Decke, schmiedete Plane. Dann griff sie nach unten undbrach von der Seitenverkleidung ihrer Pritsche ein loses Stuck Metall ab, das sie unter der Matratze versteckte. Als es um 11 Uhr zum Mittagessen klingelte, war Tracy die erste, die auf dem Flur stand.

In der Kantine sa?en Paulita und Lola an einem Tisch nahe

beim Eingang. Von Ernestine Littlechap keine Spur.

Tracy setzte sich zu Frauen, die sie nicht kannte. Das Essen schmeckte nach nichts, doch sie a? ihren Teller leer. Den Nachmittag verbrachte sie allein in der Zelle. Um 14 Uhr 45 kehrten Paulita, Lola und Ernestine zuruck.

Paulita grinste uberrascht, als sie Tracy sah.»Dubist also zu uns zuruckgekommen, su?e Muschi. Hat dir wohl gefallen, was wir mit dir gemacht haben, wie?«

«Das kannst du gern auch noch ofter kriegen«, sagte Lola.

Tracy tat so, als horte sie den Spott nicht. Sie interessierte sich nur fur die Schwarze. Ernestine Littlechap war der Grund dafur, da? Tracy in diese Zelle zuruckgekommen war. Tracy vertraute ihr nicht. Nicht eine Sekunde. Aber siebrauchte sie.

Ich geh dir 'n guten Tip, Querida. Ernestine Littlechap hat hier das Sagen…

Als an diesem Abend funfzehn Minuten vor dem Verloschen des Lichts die Glocke schrillte, erhobsich Tracy von ihrer Pritsche und zog sich aus. Diesmal kehrte sie den anderen nicht den Rucken. Sie legte ihre Kleider mit der gro?ten Selbstverstandlichkeit ab, und die Mexikanerin pfiff leise durch die Zahne, als sie Tracys volle, festeBruste sah, ihre langen, wohlgeformtenBeine und ihre samtigen Oberschenkel. Tracy streifte ihr Nachthemd uber und legte sich auf die Pritsche. Das Licht ging aus.

Eine halbe Stunde verstrich. Tracy lag im Dunkeln und lauschte auf die Atemzuge der anderen. Dann horte sie Paulita flustern:»Mama zeigt dir heute, wie schon die Liebe ist. Zieh dein Nachthemd aus, Baby.«

«Wirbringen dirbei, wie man 'ne Muschi leckt, und du ubst es so lange, bis du's richtig machst«, kicherte Lola.

Die Schwarze sagte kein Wort. Tracy spurte den Luftzug, als Lola und Paulita auf sie zukamen. Doch sie war gerustet. Sie hobdas Stuck Metall, das sie unter der Matratze hervorgeholt hatte, und schwang es mit aller Kraft. Es klatschte einer der

Frauen mitten ins Gesicht. Ein Schmerzensschrei, und Tracy trat mitbeidenBeinen nach der anderen Gestalt.

«Wenn ihr's noch mal versucht, bring ich euch um«, keuchte Tracy.

«Du Drecksau!«

Tracy horte, wie diebeiden erneut auf sie losgingen, und hobdas Stuck Metall.

Plotzlich drang Ernestines Stimme aus dem Dunkel.»Jetzt reicht's. La?t sie in Ruhe.«

«Ernie, mir lauft dasBlut nur so runter. Der gebich's derma?en…«

«Mach, was ich dir sage, verdammt noch mal.«

Schweigen. Tracy horte, wie die zwei Frauen schweratmend zu ihren Pritschen zuruckgingen. Sie lag reglos da, alle Muskeln angespannt, darauf vorbereitet, da? diebeiden es noch einmal versuchen wurden.

Ernestine Littlechap sagte:»Du traust dich was, Baby.«

Tracy gabkeine Antwort.

«Du hast uns nichtbeim Direktor verpfiffen. «Ernestine lachte leise.»Wenn du's getan hattest, warst du jetzt tot.«

Tracy glaubte ihr aufs Wort.

«Warum hast du dich vom Direktor nicht in 'ne andere Zelle verlegen lassen?«

Selbst das wu?te sie.»Weil ich wieder hierher kommen wollte.«

«Echt? Warum?«Ernestine Littlechaps Stimme klang etwas verblufft.

Auf diesen Moment hatte Tracy gewartet.»Weil du mir helfen sollst. Ich will abhauen.«

8

Eine Aufseherin kam zu Tracy und sagte:»Du hastBesuch, Whitney.«

Tracyblickte sie verwundert an.»Besuch?«Wer konnte das sein? Und plotzlich wu?te sie es. Charles. Er war doch gekommen. Aber zu spat. Als sie ihn so dringend gebraucht hatte, war er nicht dagewesen. Und jetztbrauche ich ihn nicht mehr. Niemand mehr.

Tracy folgte der Aufseherin den Flur entlang undbetrat dasBesuchszimmer.

Ein wildfremder Mensch sa? an einem kleinen Holztisch. Er gehorte zu den unattraktivsten Mannern, die Tracy je gesehen hatte. Er war kleinwuchsig, hatte einen aufgeschwemmten, eunuchenhaften Korper, eine russelartige Nase und einen kleinen, verbitterten Mund. Seine Stirn war hoch undbauchig gewolbt. Er hatte dunkelbraune Augen, die durch die dicken Glaser seinerBrille vergro?ert wurden, und einen stechendenBlick.

Er stand nicht auf.»Mein Name ist Daniel Cooper. Der Gefangnisdirektor hat mir gestattet, mit Ihnen zu sprechen.«

«Woruber?«fragte Tracy mi?trauisch.

«Ichbin Versicherungsdetektivbei der IIPA, der International Insurance Protection Association. Einer unserer Klienten hat den Renoir versichert, der Mr. Joseph Romano gestohlen wurde.«

Tracy holte tief Luft.»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich habe ihn nicht gestohlen.«

Sie machte kehrt, ging auf die Tur zu.

Undbliebstehen, als sie Coopers nachste Worte horte.»Ich wei?.«

Tracy drehte sich um undblickte Cooper an. Argwohnisch und wachsam.

«Niemand hat ihn gestohlen. Sie sind reingelegt worden, Mi? Whitney.«

Langsam lie? sich Tracy auf einen Stuhl sinken.

Daniel Cooper war seit drei Wochen mit dem Fallbefa?t. J. J. Reynolds, sein Vorgesetzter, hatte ihn damals in der Hauptgeschaftsstelle der IIPA in Manhattan in seinBuro gerufen.

«Ich habe einen Auftrag fur Sie, Dan«, sagte Reynolds.

Daniel Cooper ha?te es, wenn man ihn Dan nannte.

«Ich werde mich kurz fassen. «Reynolds wollte sich kurz fassen, weil Cooper ihn nervos machte. Cooper machte alle nervos. Er war ein komischer Kauz. Viele sagten sogar, er sei ihnen unheimlich. Daniel Cooper war geradezu krankhaft verschlossen. Niemand wu?te, wo er wohnte, ober verheiratet war, ober Kinder hatte. Er war au?erst ungesellig. AnBuroparties oder Treffen au?erhalbdesBuros nahm er grundsatzlich nicht teil. Er war ein absoluter Einzelganger, und Reynolds duldete ihn nur in seiner Organisation, weil der Mann ein Genie war. Eine unfehlbare Spurnase mit Computergehirn. Daniel Cooper hatte mehr Diebesgut sichergestellt und mehr Falle von Versicherungsbetrug aufgedeckt als alle anderen Detektive der IIPA zusammen. Reynolds hatte nur gern gewu?t, wie der Kerl funktionierte. Er fuhlte sich schonbeklommen, wenn er ihm gegenubersa? und Cooper ihn anglotzte mit seinen dunkelbraunen Augen.

Reynolds sagte:»Eine unserer Vertragsgesellschaften hat fur eine halbe Million Dollar ein Gemalde versichert, und…«

«Den Renoir. New Orleans. Joe Romano. Eine Frau namens Tracy Whitney ist schuldig gesprochen und zu funfzehn Jahren verurteilt worden. Das Gemalde ist nicht wieder aufgetaucht.«

Schau ihn dir an! dachte Reynolds. Bei jedem anderen

wurde ich sagen, es ist reine Angabe.»Das ist richtig«, bestatigte Reynolds mit leisem Groll.»Die Whitney hat dasBild irgendwo versteckt, und wir wollen es wiederhaben. Ubernehmen Sie den Fall.«

Cooper drehte sich um und verlie? J. J. Reynolds' Zimmer. Gru?los.

Cooper lief durch das Gro?raumburo, in dem funfzig Angestellte arbeiteten, Computer programmierten, Berichte tippten, Telefongesprache fuhrten. Es ging zu wie im Tollhaus.

Als Cooper an einem der Schreibtische vorbeikam, sagte ein Kollege:»Wie ich gehort habe, sollst du den

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