Bohnen und

ungenie?bare Eintopfe; das Wachpersonal und die Verwaltungsleute speisten Steaks, frische Fische, Geflugel, Frischgemuse, Obst und verfuhrerische Desserts. Ihre Mahlzeiten wurden von ausgebildeten Kochen zubereitet. Die Gefangenen, die in der Kuche arbeiteten, kamen an diese Verpflegung heran, und sie nutzten es weidlich.

Als sich Tracy in der Kuche meldete, uberraschte es sie nicht uberma?ig, Ernestine Littlechap zu sehen.

Tracy ging zu ihr.»Danke. «Mit einiger Muhe verlieh sie ihrer Stimme einen freundlichen Ton.

Ernestine gabein undefinierbares Knurren von sich.

«Wie hast du mich an Old Iron Pants vorbeigeschleust?«

«Die ist nicht mehr da.«

«Wie kommt's?«

«Wir haben hier unsere Grundsatze. Wenn 'ne Aufseherin zu verbiestert ist und uns das Leben schwermacht, sagen wir sie ab.«

«Du meinst, der Direktor hort auf…«

«Quatsch. Was hat der denn damit zu tun?«

«Wie konnt ihr dann…«

«Ganz einfach. Wenn die Aufseherin, die du absagen willst, Dienst hat, gibt's Knatsch. Manbeschwert sich uber sie. ZumBeispiel meldet 'ne Frau, da? Old Iron Pants ihr an die Muschi gefa?t hat. Am nachsten Tag jammert 'ne andere, sie war tierischbrutal. Und dann sagt eine, sie hatte ihr was aus der Zelle geklaut, 'n Radio oder so. Ja, und wo taucht das Radio auf? Naturlich im Zimmer von Old Iron Pants. Und schon ist sie weg. Die Aufseherinnen haben hier nichts zu melden. DieBosse im Knast — das sind wir.«

«Warumbist du hier?«fragte Tracy. Die Antwort interessierte sie nicht. Es ging nur darum, freundschaftlicheBeziehungen zu dieser Frau aufzubauen.

«Reines Pech. Ich hatte da 'n paar Madchen. Die haben fur mich gearbeitet.«

Tracyblickte Ernestine Littlechap an.»Du meinst, als…?«Sie zogerte.

«Als Nutten?«Ernestine lachte.»Nein. Als Dienstmadchenbei reichen Knackern. Ich habso 'n Stellenvermittlungsburo aufgemacht. Und ich habmindestens zwanzig Madchen gehabt. Die reichen Knacker finden ja kaum Personal. Also habich stinkfeine Anzeigen in die Zeitung gesetzt, und wenn sie mich angerufen haben, habich ihnen meine Madchen geschickt. Die haben sich im Haus umgeschaut, und wenn ihre Leute weg waren — beim Arbeiten oder verreist oder so —, haben sie das Silber und den Schmuck und die Pelze und alles eingesammelt und sind abgehauen. «Ernestine seufzte.»Wir haben Geld gemacht, kann ich dir sagen… also, du wurdest mir's echt nicht glauben.«

«Und wie haben sie dich erwischt?«

«War 'n saudummer Zufall. Eins von meinen Madchen hat im Haus vomBurgermeister Essen serviert, und der hat Gaste gehabt, und da war auch 'ne alte Tante eingeladen, bei der das Madchen mal gearbeitet hat — und tuchtig abgeraumt, ist ja klar. DieBullen haben sie in die Mangel genommen, und sie hat mich verpfiffen, und deswegenbin ich hier.«

Sie standen allein an einem Herd.

«Ich kann hier nichtbleiben«, flusterte Tracy.»Ich mu? drau?en was Dringendes erledigen. Hilfst du mirbeim Abhauen? Ich…«

«Jetzt schneid mal schon Zwiebeln. Heut abend gibt's Irish Stew.«

Und damit ging sie.

Das Informationssystem im Gefangnis war unglaublich. Die Haftlinge wu?ten alles, was geschehen wurde, langebevor es geschah. Gefangene fischten Merkblatter aus dem Mull, horten Telefongesprache abund lasen die Post des Direktors. Die Informationen wurden koordiniert und an die» wichtigen«

Insassinnen weitergeleitet. Ernestine Littlechap war die Nummer Eins auf der Liste. Tracy merkte, wie das Wachpersonal und die Gefangenen vor Ernestine kuschten. Da die anderen Haftlinge zu dem Schlu? gekommen waren, da? Ernestine Tracy unter ihre Fittiche genommen hatte, lie?en sie Tracy in Ruhe. Und nun wartete Tracy voll Unbehagen auf die Annaherungsversuche der Schwarzen. Doch Ernestine hielt Distanz. Warum? fragte sich Tracy.

In Paragraph 7 der zehnseitigen Gefangnisordnung, die jeder Fraubei Haftantritt uberreicht wurde, hie? es:»Jede Form von geschlechtlicherBetatigung ist streng verboten. Zu keiner Zeit durfen sich mehr als vier Insassinnen in einer Zelle aufhalten. Zu keiner Zeit darf auf den Pritschen mehr als eine Insassin liegen.«

Die Wirklichkeit war so lacherlich anders, da? die Frauen die Gefangnisordnung nur als» das Witzblatt «bezeichneten. Im Laufe der Wochen verfolgte Tracy mit, wie tagtaglich» Neue «eintrafen. Und es war immer das gleiche. Heterosexuelle Frauen, die zum ersten Mal in Haft waren, hatten keine Chance. Sie kamen schuchtern und furchtsam an, und die Lesben warteten schon auf sie. Das Drama gliederte sich in mehrere, sorgfaltig durchplante Akte. In einer kalten und feindseligen Welt war die Lesbe freundlich und mitfuhlend. Sie lud ihr zukunftiges Opfer in den Aufenthaltsraum ein. Dort sahen diebeiden fern. Und wenn die Lesbe die Hand der Neuen hielt, lie? es die Neue geschehen, weil sie Angst hatte, ihre einzige Freundin zu kranken. Die Neue merktebald, da? die anderen Frauen sie in Ruhe lie?en. Ihre Abhangigkeit von der Lesbe nahm zu, die Intimitaten ebenfalls, bis die Neue schlie?lichbereit war, alles zu tun, um ihre einzige Freundin nicht zu verlieren.

Wer sich nicht fugte, wurde vergewaltigt. 90 Prozent der Frauen, die neu ins Gefangnis kamen, wurden in den ersten Tagen mehr oder minder direkt zu homosexuellen Aktivitaten

genotigt. Tracy war entsetzt.

«Warum wird das geduldet? Ich meine, von oben?«fragte sie Ernestine.

«Das liegt am System«, erklarte Ernestine.»Und es ist in jedem Gefangnis so. Es geht nicht, da? du zwolfhundert Frauen von ihren Mannern trennst und meinst, sie ficken mit niemand. Wir vergewaltigen, okay. Aber da geht's nichtblo? um Sex. Es geht auch um Power. Wir wollen zeigen, wer derBo? ist. Die Neuen, die hier reinkommen, sind Freiwild. Da hilft nur eins: da? sie die Frau von jemand werden. Dann haben sie ihre Ruhe.«

Tracy wu?te, da? sie einer Expertin lauschte.

«Aber die Warterinnen sind genauso ubel«, fuhr Ernestine fort.»Sagen wir mal, 'ne Neue kommt hier an und hangt an der Nadel. Sie ist auf Turkey undbraucht 'n Schu?. Sie schwitzt und zittert wie verruckt. Na, und die Aufseherin kann ihr Heroinbesorgen. Aber die will naturlich was dafur, verstehst du? Also leckt die Neue der Aufseherin die Muschi, und sie kriegt ihren Schu?. Die Warter sind noch ubler. Die haben Schlussel zu den Zellen, und da mussen sieblo? in der Nacht reinhuschen und sichbedienen. Kann naturlich sein, da? sie dich anknallen — aber sie konnen 'ne Menge fur dich tun. Wenn du 'ne Nase Koksbrauchst oder so, oder wenn duBesuch von deinem Freund haben willst, la?t du mal schnell den Warter druber. Wir nennen das Tauschhandel, gibt's in jedem Gefangnis hier.«

«Das ist ja furchtbar!«

«Kann schon sein, aber irgendwie mu? man uberleben. «Das Deckenlicht in der Zelle schien auf Ernestines kahl rasierten Schadel.»Wei?t du, warum in diesem Knast Kaugummi streng verboten ist?«

«Nein.«

«Weil die Frauen den unauffallig in die Schlosser kleben. Dann sperren die Turen nicht richtig, und in der Nacht konnen

sie raus aus den Zellen und sichbesuchen. Die Frauen, die hier zurechtkommen, sind vielleicht keine Intelligenzbestien, aber schlau sind sie auf jeden Fall.«

Es gabzahlreiche Liebesaffaren im Gefangnis. Und die Regeln waren noch strenger als drau?en. Die Rollen von Mann und Frau wurden starr festgelegt und durchgespieltbis ins letzte Detail. Der» Mann «war ein Macho in einer mannerlosen Welt. Er anderte seinen Namen. Ernestine hie? Ernie, aus Tessie wurde Tex, ausBarbara wurdeBob, und Katherine war Kelly. Der» Mann «trug die Haare kurz oder rasierte sich den Schadel und verrichtete keine» weiblichen «Arbeiten. Die» Frau «hatte fur ihn sauberzumachen, Wasche zu flicken und zubugeln. Lola und Paulitabuhlten verbissen um Ernestines Gunst und versuchten standig, einander zu ubertreffen.

Die Eifersucht war gro? und fuhrte oft zu gewalttatigen Szenen. Wenn die Frau einem anderen» Mann «schone Augen machte oder gar auf dem Gefangnishof mit einem sprach und dabei erwischt wurde, erhitzten sich die Gemuter. Es herrschte ein reger postalischer Verkehr — vor allem Liebesbriefe.

Вы читаете KALTE GLUT
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату