Sie wurden es ihrbu?en mussen. Tracy wu?te noch nicht, wie, aber sie wu?te, da? sie es schaffen wurde.
Alles fiel von ihr ab, bis nur noch ein Glosen in ihr war. Kalte Glut.
7
Die Zeit verlor jedeBedeutung. Es drang nie Licht in die Zelle, und so gabes keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, und Tracy wu?te nicht, wie lange sie in Dunkelhaft sa?. Von Zeit zu Zeit wurde kaltes Essen durch eine Klappe am unteren Ende der Tur geschoben. Tracy hatte keinen Appetit. Aber sie zwang sich, ihren Teller leer zu essen. Du mu?t was essen, sonst machst du's hier nicht lang. Jetztbegriff sie es. Jetzt wu?te sie, da? sie all ihre Kraftbrauchen wurde fur das, was sie plante. Siebefand sich in einer Lage, die jeder andere fur hoffnungslos gehalten hatte. Sie war zu funfzehn Jahren Haft verurteilt. Sie hatte kein Geld und keine Freunde, hatte nichts. Aber tief in ihr war ein Quell der Starke. Ich werde uberleben, dachte Tracy. Ja, sie wurde uberleben, wie ihre Vorfahren uberlebt hatten. Sie hatte englisches und irisches und schottischesBlut in ihren Adern, und sie hatte diebesten Eigenschaften dieser Volker geerbt: Intelligenz und Mut und Willenskraft. Meine Vorfahren haben Hungersnote, Seuchen und Sturmfluten uberlebt, und ich werde das hier uberleben. Sie waren jetztbei ihr in ihrer hollischen Zelle: die Hirten und die Trapper, die Farmer und die Kramer, die Arzte und die Lehrer — die Geister der Vergangenheit, und jeder war ein Teil von ihr.»Ich werde euch nicht enttauschen«, flusterte Tracy in die Dunkelheit. Siebegann, ihre Flucht zu planen.
Zunachst mu?te sie korperlich wieder zu Kraften kommen. Die Zelle war zu eng fur intensive Gymnastik, aber sie war gro? genug fur Tai Chi Chuan, furs Schattenboxen, jene uralte Kunst, die die Krieger als Vorbereitung auf den Kampf erlernt hatten. Die Ubungen erforderten nur wenig Raum, aber sie
beanspruchten jeden Muskel des Leibes. Tracy stand auf undbegann mit den einleitendenBewegungen. Jede hatte einen Namen und eineBedeutung. Sie fing an mit der kampferischen Vertreibung der Damonen. Dann kam das sanftere Sammeln des Lichts. DieBewegungen waren anmutig und flie?end und wurden sehr langsam ausgefuhrt. Jede ruhrte her aus der geistigen Mitte, und alle kehrten regelma?ig wieder. Tracy hatte die Stimme ihres Lehrers im Ohr: Erwecke dein Chi, deine Lebensenergie. Am Anfang ist sie schwer wie einBerg, doch dann wird sie leicht wie eine Vogelfeder. Tracy spurte, wie die Energie ihre Finger durchstromte, und sie sammelte sich, bis ihr ganzes Sein auf ihren Korper konzentriert war, der die zeitlosenBewegungen durchlief.
Der ganze Zyklus dauerte eine Stunde, und danach war Tracy erschopft. Sie vollzog dieses Ritual jeden Morgen und jeden Nachmittag, bis sich ihr Leibzu kraftigenbegann.
Wenn sie ihren Korper nicht ubte, ubte sie ihren Geist. Sie lag im Dunkeln und rechnete komplizierte Gleichungen aus, sie arbeitete in Gedanken an ihrem Computer in derBank, sie loste Denksportaufgaben, sie sagte Gedichte auf, sie rekonstruierte so wortlich wie moglich den Text der Stucke, bei denen sie am College mitgespielt hatte. Sie war eine Perfektionistin, und wenn sie damals eine Rollebekommen hatte, die mit einembestimmten Akzent gesprochen werden mu?te, hatte sie, bevor das Stuck einstudiert wurde, wochenlang diesen Akzent geubt. Einmal war ein Talentsucher an sie herangetreten und hatte ihr eine Drehprobe in Hollywood angeboten.»Nein, danke«, hatte ihm Tracy gesagt,»ich will nicht im Licht der Offentlichkeit stehen. Das ist nichts fur mich.«
Sie horte Charles' Stimme: Dubist die Schlagzeile in der Philadelphia Daily News…
Tracy verbannte diese Erinnerung aus ihrem Gedachtnis. Es gabPforten in ihr, die von nun an verschlossenbleiben
mu?ten. Sie hatte sich darauf zu konzentrieren, wie sie ihre Feinde vernichten wurde. Einen nach dem andern. Siebesann sich auf ein Spiel, das sie als Kind gespielt hatte: Wenn man die Hand in den Himmel hob, konnte man die Sonne ausloschen.
Und das hatten ihre Feinde mit ihr gemacht: Sie hatten die Hand gehoben und ihr Leben ausgeloscht.
Tracy wu?te nicht, wieviel Gefangene durch die Dunkelhaft seelisch gebrochen worden waren. Es ware ihr auch egal gewesen.
Als die Zellentur am siebten Tag geoffnet wurde, war Tracy geblendet vom Licht, das plotzlich hereinstromte. Ein Warter stand drau?en.»Auf geht's. Du kommst wieder nach oben.«
Er streckte die Hand aus, um Tracy auf dieBeine zu helfen, doch zu seiner Verbluffung stand sie muhelos auf und ging ohne Hilfe aus der Zelle. Die anderen Gefangenen, die er aus dem Loch geholt hatte, waren erledigt oder trotzig gewesen, aber diese war weder das eine noch das andere. Eine Aura von Wurde umgabsie, und sie strahlte ein Selbstbewu?tsein aus, das sich seltsam abhobvon diesem Ort. Tracy stand im Licht und wartete, bis sich ihre Augen allmahlich wieder an die Helligkeit gewohnten. Die wurde ich gern vogeln, dachte der Warter. Wenn die gewaschen ist, kannst du dich mit der uberall sehen lassen. Die tut sicher was fur mich, wenn ich was fur sie tue.
Und er sagte:»So 'n hubsches Madchen sollte man nicht ins Loch stecken. Wenn wir gute Freunde waren, wurde ich dafur sorgen, da? das nicht noch mal passiert.«
Tracy drehte sich um undblickte ihn an, und als er den Ausdruck in ihren Augen sah, beschlo? er unverzuglich, die Sache nicht weiter zu verfolgen.
Der Warter fuhrte Tracy nach oben und ubergabsie einer Aufseherin.
Die Aufseherin rumpfte die Nase.»Heiliger Gott, du stinkst ja furchterlich. Stell dich unter die Dusche. Deine Kleider verbrennen wir.«
Die kalte Dusche war ein Genu?. Tracy wusch sich die Haare und schrubbte sich von Kopfbis Fu? mit der harten Kernseife. Dann trocknete sie sich abund zog frische Kleider an. Die Aufseherin wartete schon auf sie.»Der Direktor will mit dir reden.«
Als Tracy diese Worte zum letzten Mal gehort hatte, hatte sie geglaubt, die Freiheit winke. So naiv wurde sie nie wieder sein.
DirektorBrannigan stand am Fenster, als Tracy in seinBuro kam. Er drehte sich um und sagte:»Bitte, nehmen Sie Platz. «Nachdem Tracy sich gesetzt hatte, fuhr er fort:»Ich war in Washington, bei einer Tagung, undbin erst heute morgen zuruckgekommen. Ich habe einenBericht uber den Vorfall gelesen. Man hatte Sie nicht in Einzelhaft stecken sollen.«
Tracy sa? da undbeobachtete ihn. Ihr Gesicht war ausdruckslos, gabnichts preis.
Der Direktor schaute auf ein Papier, das auf seinem Schreibtisch lag.»DemBericht zufolge sind Sie von Ihren Zellengenossinnen sexuellbelastigt worden.«
«Nein, Sir.«
Brannigan nickte verstandnisvoll.»Es ist mir klar, da? Sie Angst haben. Aber ich kann es nicht dulden, da? in diesem Gefangnis die Haftlinge das Regiment fuhren. Ich mochte die Frauenbestrafen, die Ihnen das angetan haben. Doch dazubrauche ich Ihre Aussage. Ich werde dafur sorgen, da? Ihnen nichts passieren kann. Und jetzt erzahlen Sie mirbitte genau, was geschehen ist und wer dafur verantwortlich war.«
Tracyblickte ihm in die Augen.»Ich. Ichbin von meiner Pritsche gefallen.«
Der Direktorbetrachtete sie lange. Tracy sah, da? Enttauschung sein Gesicht verdusterte.»Sind Sie sicher?«
«Ja, Sir.«
«Und Sie werden es sich nicht noch anders uberlegen?«
«Nein, Sir.«
Brannigan seufzte.»Na schon. Wie Sie meinen. Ich werde Sie in eine andere Zelle verlegen, wo…«
«Das will ich nicht.«
Erblickte sie verdutzt an.»Sie… Sie wollen in Ihre alte Zelle zuruck?«
«Ja, Sir.«
Branniganbegriff es nicht. Vielleicht hatte er sich in dieser Frau getauscht. Vielleicht hatte sie das Ganze selbst provoziert. Was diese verdammten Insassinnen taten und dachten, das wu?te nur Gott der Herr. Er wunschte sichblo? eins: versetzt zu werden in ein ruhiges, halbwegs normales Mannergefangnis. Aber seiner Frau und seiner kleinen Tochter Amy gefiel es hier. Sie wohnten in einembezaubernden Haus, und die Gefangnisfarm hatte eine ebensobezaubernde Umgebung. Fur diebeiden war es, als lebten sie auf dem Land. Er dagegen mu?te sich vierundzwanzig Stunden am Tag mit diesen verruckten Weibsbildern herumschlagen.
Branniganblickte die junge Frau an, die vor ihm sa?, und sagte linkisch:»Also gut. Dann sehen Sie zu, da?