sagt, sonst knallt's. «Und damit ging sie.
«Das war Old Iron Pants, Baby«, erklarte Paulita.»Leg dich nicht mit ihr an. Die ist hundsgemein.«
Tracy stand langsam auf und fing an, sich auszuziehen. Den anderen kehrte sie dabei den Rucken. Sie legte alle ihre Kleider ab. Nur die Unterhosebehielt sie an. Dann streifte sie das grobe Nachthemd uber den Kopf. Sie spurte dieBlicke der drei Frauen auf sich.
«Du hast wirklich 'n hubschen Korper«, sagte Paulita.
«Echt«, bestatigte Lola.
Ein kalter Schauer uberlief Tracy.
Ernestine kam zu Tracy undblickte auf sie herunter.»Wir sind deine Freundinnen. Wir kummern uns um dich und sind nett zu dir. «Ihre Stimme war heiser vor Erregung.
Tracy drehte sich wutend um.»La?t mich in Ruhe! Ich… ichbin nicht…«.
Die Schwarze gluckste.»Dubistbald so, wie wir dich haben wollen, Baby.«
«Wir haben Zeit. Viel Zeit«, sagte die Mexikanerin. Das Licht
ging aus.
Die Dunkelheit war Tracys Feindin. Starr vor Nervositat sa? sie auf der Kante ihrer Pritsche. Die anderen warteten nur darauf, uber sie herzufallen. Das spurte sie. Oderbildete sie es sichblo? ein? Sie war so uberreizt, da? ihr alles alsBedrohung erschien. Hatten die Frauen siebedroht? Nicht richtig. Vielleicht versuchten sie nur, nett zu sein, und sie sah Gespenster. Naturlich hatte sie schon von homosexuellen Aktivitaten im Gefangnis gehort, aber das war doch wohl die Ausnahme und nicht die Regel. Vom Wachpersonal wurde so etwas gewi? nicht geduldet.
Trotzdem verstummten ihre Zweifel nicht. Tracybeschlo?, die ganze Nacht wach zubleiben. Wenn eine der Frauen ihr zu nahe kam, wurde sie um Hilfe rufen. Das Wachpersonal war dafur verantwortlich, da? den Gefangenen nichts passierte. Kein Grund zur Aufregung, Tracy. Du mu?t nur auf der Hut sein.
Tracy lauschte auf jedes Gerausch. Sie horte, wie die drei Frauen nacheinander auf die Toilette gingen und anschlie?end zu ihren Pritschen zurucktappten. Als Tracy es nicht mehr aushielt, ging auch sie auf die Toilette. Die Spulung funktionierte nicht. Der Gestank war fast unertraglich. Sie eilte zu ihrer Pritsche zuruck und setzte sich wieder auf die Kante. Es wirdbald hell, dachte sie. Morgen fruhbitte ich um ein Gesprach mit dem Direktor. Ich werde ihm sagen, da? ich ein Kind erwarte. Er wird mich in eine andere Zueile verlegen.
Tracy war am ganzen Leibverspannt. Sie legte sich auf die Pritsche. Sekunden spater krabbelte etwas uber ihren Hals. Sie unterdruckte einen Schrei. Ich mu? durchhaltenbis morgen fruh, dachte Tracy. Morgen fruh ist alles in Ordnung.
Um drei Uhr fielen ihr die Augen zu.
Sie wurde dadurch wach, da? sich eine Hand uber ihren
Mund legte und zwei andere Hande nach ihrenBrusten tasteten. Sie versuchte, sich aufzusetzen und zu schreien. Das Nachthemd wurde ihr vom Korper gerissen. Dann die Unterhose. Tracy wehrte sich verzweifelt, kampfte, wollte hoch von der Pritsche.
«Immer mit der Ruhe«, flusterte eine Stimme aus dem Dunkel.»Dann tut's nicht weh.«
Tracy drosch mitbeidenBeinen in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ihre Fu?e klatschten gegen pralles Fleisch.
«Carajo!«keuchte die Stimme.»Du Sau! Dir werden wir's zeigen!«
Ein Faustschlag traf Tracys Gesicht, ein zweiter ihren Magen. Jemand war uber ihr, druckte sie nieder, wurgte ihr die Luft ab, wahrend Hande sie obszonbefingerten.
Tracy konnte sich einen Moment lang losrei?en, aber dann packte sie eine der Frauen und schlug ihren Kopf gegen die Gitterstabe. Blut spritzte ihr aus der Nase. Sie wurde auf denBoden geworfen und an Armen undBeinen festgehalten. Tracy straubte sich mit aller Kraft, doch sie war den dreien nicht gewachsen. Kalte Hande und hei?e Zungen liebkosten ihren Korper. IhreBeine wurden auseinandergestemmt. Etwas Kaltes und Hartes wurde in sie hineingesto?en. Sie wand sich hilflos, versuchte zu schreien. Ein Arm legte sich uber ihren Mund, und Tracy grubdie Zahne in das fremde Fleisch undbi? zu, so fest sie konnte.
Ein dumpfer Schrei.»Du miese Fotze!«
Fauste trommelten ihr ins Gesicht… Schmerz hullte sie ein, und sie sank tiefer, immer tiefer, bis sie schlie?lich nichts mehr spurte.
Die schrille Glocke weckte sie. Sie lag nackt auf dem kaltenBoden der Zelle. Die anderen Frauen lagen auf ihren Pritschen.
Auf dem Flur rief Old Iron Pants:»Aufstehen!«Als sie an der
Zelle vorbeikam, sah sie Tracy. Sie lag in einer kleinenBlutlache, das Gesicht grun undblau geschlagen, ein Auge zugeschwollen.
«Was ist denn hier los?«Die Aufseherin sperrte die Tur auf und trat in die Zelle.
«Die mu? von ihrer Pritsche gefallen sein«, sagte Ernestine Littlechap.
Die Aufseherin ging zu Tracy und stie? sie mit dem Fu? an.»He! Steh auf.«
Tracy horte die Stimme wie aus weiter Ferne. Ja, dachte sie, ich mu? aufstehen. Ich mu? hier weg. Aber sie konnte sich nichtbewegen. Ihr ganzer Korper war wie eine offene Wunde.
Die Aufseherin packte Tracybei den Ellenbogen und zerrte sie in eine halbsitzende Stellung. Es tat so weh, da? Tracy fast ohnmachtig wurde.
«Was ist passiert?«
Mit dem einen Auge sah Tracy verschwommen ihre Zellengenossinnen, die stumm auf ihre Antwort warteten.
«Ich… ich…«Tracy versuchte weiterzusprechen, doch siebrachte kein Wort uber die Lippen. Sie versuchte es noch einmal. Und irgendein tief verwurzelter Instinkt lie? sie sagen:»Ichbin von meiner Pritsche gefallen…«
«Du lugst!«fauchte die Aufseherin.»Ich hasse das. Wir werden dich ins Loch stecken, damit du einbi?chen Respekt lernst.«
Es war eine Art Vergessenheit, eine Ruckkehr in den Mutterleib. Sie war allein im Dunkeln. Die enge Zelle im Keller war leerbis auf eine dunne, abgewetzte Matratze, die auf dem kalten Zementfu?boden lag. Ein stinkiges Loch imBeton diente als Toilette. Tracy lag in undurchdringlicher Schwarze und summte Lieder vor sich hin, die ihr Vater ihr vor langer Zeitbeigebracht hatte. Sie wu?te nicht, wie nah sie dem Wahnsinn war.
Und sie wu?te auch nicht genau, wo sie war. Aber das war egal. Es gabnur eins: Die Leiden ihres mi?handelten Korpers. Ich mu? hingefallen sein und mir weh getan haben. Aber Mama kummert sich schon darum. Mit gebrochener Stimme rief sie:»Mama, Mama…«, und als keine Antwort kam, schlief sie wieder ein.
Sie schlief achtundvierzig Stunden, und an die Stelle der Qual trat Schmerz, und an die Stelle des Schmerzes trat Elend. Tracy offnete die Augen. Das Nichts umgabsie. Es war so dunkel, da? sie nicht einmal die Umrisse der Zelle erkennen konnte. Erinnerungen kehrten wieder. Man hatte sie zum Arzt gebracht. Sie horte seine Stimme:»… eine Rippe gebrochen, Fraktur an der Handwurzel… Die Platzwunden und Prellungen sehen ziemlichbose aus, aber das heilt schon wieder… Sie hat das Kind verloren…«
«Mein Kind«, flusterte Tracy.»Sie haben mein Kind ermordet.«
Und sie weinte. Siebeweinte ihr Kind. Siebeweinte sich selbst. Siebeweinte die ganze kranke Welt.
Dann lag sie auf der dunnen Matratze im Dunkel und war von solchem Ha? erfullt, da? es sie schuttelte. Ihre Gedanken loderten auf undbrannten alles nieder, bis nur noch eine Empfindung in ihr war: der Wunsch nach Rache. Nicht Rache an ihren Zellengenossinnen. Die waren Opfer wie sie. Sondern Rache an den Mannern, die ihr Leben zugrunde gerichtet hatten.
Joe Romano:»Ihre Frau Mama hat mir was vorenthalten. Sie hat mir nicht verraten, da? sie eine geile Tochter hat…«
Anthony Orsatti:»Joe Romano arbeitet fur einen Mann namens Anthony Orsatti. Und Orsatti hat das Sagen in New Orleans…«
Perry Pope:»Wenn Sie sich schuldigbekennen, ersparen Sie dem Staat die Proze?kosten…«
Richter Henry Lawrence:»… denn die nachsten funfzehn
Jahre werden Sie im Gefangnis verbringen…«
Das waren ihre Feinde. Und dann war da noch Charles, der ihr nicht einmal zugehort hatte:»Herrgott, wenn du so dringend Geld gebraucht hast, hattest du es mir doch sagen konnen… Offenbar habe ich dich nie richtig gekannt… Mach mit deinem Kind, was du fur richtig haltst…«