Tracy war froh, da? sie sich setzen konnte. Sie hatte weiche Knie. Der Gefangnisdirektor wurde ihr jetzt von Charles
Initiativeberichten, undbinnen kurzem wurde sie frei sein.
«Ich habe mir Ihre Akte angeschaut«, begannBrannigan.
Darum hat ihn Charles auch sicher gebeten.
«Wie ich sehe, werden Sie lange Zeitbei unsbleiben. Sie sind zu funfzehn Jahren verurteilt.«
Es dauerte einen Moment, bis Tracy die volle Tragweite seiner Wortebegriff. Irgend etwas lief hier auf entsetzliche Weise verkehrt.»Haben… haben Sie nicht mit… mit Charles gesprochen?«Tracy stotterte vor Nervositat.
Branniganblickte sie verstandnislos an.»Mit Charles?«
Und nun wu?te sie es. Ihr wurde flau im Magen.»Bitte«, sagte sie,»bitte, horen Sie mich an. Ichbin unschuldig. Ichbin hier fehl am Platz.«
Wie oft hatte er das schon gehort? Hundertmal? Tausendmal? Ichbin unschuldig.
Er sagte:»Das Gericht hat Sie aber fur schuldigbefunden. Ich kann Ihnen nur einen guten Rat geben: Machen Sie sich das Leben hier nicht unnotig schwer. Nehmen Sie es locker. Versuchen Sie es zumindest. Wenn Sie Ihre Lage akzeptieren, werden Sie sich sehr viel leichter tun. Uhren zahlen nicht im Gefangnis. Nur Kalender.«
Ich kann keine funfzehn Jahre hinter Gittern sitzen, dachte Tracy verzweifelt. Lieber ware ich tot. O Gott, la? michbitte sterben. Aber das darf ich ja nicht, oder? Denn das Kind wurde mit mir sterben. Es ist auch dein Kind, Charles. Warum hilfst du mir nicht? Und das war der Moment, in dem sie ihn zu hassenbegann.
«Wenn Sie Probleme haben«, sagte DirektorBrannigan,»ich meine, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann kommen Siebitte zu mir. «Er wu?te genau, wie hohl seine Worte klangen. Sie war jung und schon und unverdorben. Die lesbischen Mannweiber im Gefangnis wurden uber sie herfallen wie die Tiere. Er konnte ihr nicht einmal eine Zelle zuweisen, in der sie sicher war. In fast allen Zellen fuhrte ein
Mannweibdas Kommando. Brannigan hatte von nachtlichen Vergewaltigungen in den Duschraumen, auf der Toilette und auf den Fluren gehort. Aber nur geruchtweise. Denn die Opfer hielten danach den Mund. Oder sie waren tot.
DirektorBrannigan sagte freundlich:»Bei guter Fuhrung konnen Sie in zwolf Jahren entlassen werden, vielleicht auch schon in…«
«Nein!«Es war ein Schrei der schwarzen Verzweiflung, der tiefen Hoffnungslosigkeit. Tracy hatte das Gefuhl, da? die Wande desBuros sie erdruckten. Dann war sie auf denBeinen und schrie. Der Warter sturzte insBuro und packte Tracybei den Armen.
«Sachte«, sagteBrannigan.
Er sa? ratlos da und sah zu, wie Tracy abgefuhrt wurde.
Sie ging durch endlose Korridore, an Zellen mit Frauen jeder Art vorbei. Die Frauen waren schwarz und wei? undbraun und gelb. Sie starrten Tracy an, sie sprachen sie an in Dutzenden von Akzenten, sie riefen es ihr nach, sie psalmodierten es fast, und es war immer dasselbe:»Eine neue Fotze, eine neue Fotze!«
6
InBlock C sa?en sechzig Frauen ein, in jeder Zelle vier. Gesichter lugten zwischen Gitterstaben hindurch, als Tracy den stinkenden Flur entlanggefuhrt wurde. Der Ausdruck in diesen Gesichtern war unterschiedlich: teils Gleichgultigkeit, teils Gier, teils Ha?. Tracy schritt als Fremde durch ein seltsames, unbekanntes Land. Und es war alles ein Traum. Sie war stumm, aber in ihr gellten Schreie. Der Gang zum Direktor war ihre letzte Hoffnung gewesen. Jetzt gabes nichts mehr. Nichts als die niederschmetternde Aussicht, die nachsten funfzehn Jahre hier eingesperrt zu sein.
Die Aufseherin schlo? eine Zellentur auf.»Rein mit dir.«
Tracy schaute in die Zelle. Drei Frauenblickten ihr schweigend entgegen.
«Nun mach schon«, befahl die Aufseherin.
Tracy zogerte. Dann trat sie in die Zelle. Die Tur fiel krachend hinter ihr zu.
Sie war zu Hause.
Es war eng in der Zelle. Die vier Pritschen, der kleine Tisch mit dem Spiegel druber, durch den ein Sprung lief, die vier schmalen Spinde und die Toilette ohneBrille in der Ecke hatten kaum darin Platz.
Die drei Frauen starrten Tracy an. Die Puertoricanerinbrach das Schweigen.»Sieht ganz so aus, als hatten wir 'ne Neue. «Sie hatte eine tiefe, gutturale Stimme. Und sie ware schon gewesen ohne die violette Narbe, die ein Messer hinterlassen hatte und die von der Schlafebis zum Hals lief. Sie schien nicht alter als vierzehn zu sein. Bis man ihr in die Augen sah. Eine dicke Mexikanerin in mittleren Jahren sagte:»Hallo. Wegen was haben sie dich denn eingeknastet, Querida?«
Tracy war so gelahmt, da? sie nicht antworten konnte.
Die dritte Frau war eine Schwarze. Fast einsachtzig gro?, mit schmalen, lauernden Augen und einem maskenhaft starren und harten Gesicht. Sie hatte sich den Schadel kahlrasiert. Er glanzteblaulich im truben Licht.»Das da in der Ecke — das ist deine Pritsche.«
Tracy ging zu der Pritsche. Die Matratze starrte vor Dreck. Sie war fleckig von den Ausscheidungen Gott wei? wie vieler Frauen. Tracy konnte sich nicht dazu uberwinden, sie auch nur zuberuhren. Unwillkurlich verlieh sie ihrem Ekel Worte.»Auf… auf dieser Matratze kann ich nicht schlafen.«
Die dicke Mexikanerin grinste.»Mu?t du auch nicht, Schatzchen. Du kannst gern auf meiner schlafen.«
Tracy wurde sich plotzlich einer Unterstromung in der Zellebewu?t, die sie wie eine Naturgewalt traf. Die drei Frauen lie?en sie nicht aus den Augen, musterten sie, stierten sie an. Tracy fuhlte sich nackt. Eine neue Fotze. Sie hatte auf einmal schreckliche Angst. Das ist alles nur Einbildung, dachte sie. Oh, wenn es doch nur Einbildung ware…Bitte.
Jetzt konnte sie wieder sprechen.»An… an wen kann ich mich wenden, damit ich eine saubere Matratze kriege?«
«An Gott«, knurrte die Schwarze.»Blo? — der war in letzter Zeit nicht hier.«
Tracy drehte sich um undbetrachtete die Matratze von neuem. Mehrere gro?e schwarze Kakerlaken krabbelten daruber. Ich kann hier nichtbleiben, dachte Tracy. Hier werde ich verruckt.
Als hatte sie ihre Gedanken erraten, sagte die Schwarze:»Man gewohnt sich an alles, Baby.«
Tracy horte die Stimme des Gefangnisdirektors: Ich kann Ihnen nur einen guten Rat geben: Machen Sie sich das Leben hier nicht unnotig schwer. Nehmen Sie es locker. Versuchen Sie es zumindest…
Die Schwarze sprach weiter.»Ichbin Ernestine Littlechap.«
Sie nickte in die Richtung der Frau mit der langen Narbe.»Das ist Lola. Sie ist aus Puerto Rico. Der Fettsack hier ist Paulita aus Mexiko. Und werbist du?«
«Ich… ichbin Tracy Whitney. «Fast hatte sie gesagt:»Ich war Tracy Whitney. «Sie hatte dasbeklemmende Gefuhl, da? sie ihre Identitat verlor. Sie empfand einen entsetzlichenBrechreiz und hielt sich an der Kante der Pritsche fest.
«Wobist du her, Schatzchen?«fragte die dicke Mexikanerin.
«Es tut mir leid, aber… aber ich habe keine Lust zu reden. «Tracy fuhlte sich plotzlich so schwach, da? sie nicht mehr stehen konnte. Sie lie? sich auf die Kante der dreckigen Pritsche sinken und wischte sich mit ihrem Rock den kalten Schwei? von der Stirn. Mein Kind, dachte sie, ich hatte dem Direktor sagen sollen, da? ich ein Kind erwarte. Wenn ich's ihm sage, bekomme ich eine saubere Zelle. Vielleicht sogar eine fur mich allein.
Sie horte Schritte auf dem Flur. Eine Aufseherin ging an der Zelle vorbei. Tracy eilte zur Tur.»Entschuldigung«, sagte sie,»ich mu? mit dem Direktor sprechen. Ich…«
«Ich schick ihn dir gleich«, erwiderte die Aufseherin uber ihre Schulter hinweg.
«Sie verstehen mich nicht. Ich…«
Die Aufseherin war fort.
Tracybi? sich auf die Knochel, um nicht zu schreien.
«Bist du krank, oder was, Baby?«fragte die Puertoricanerin.
Tracy schuttelte den Kopf. Sie konnte nicht sprechen. Sie ging zu ihrer Pritsche zuruck, betrachtete sie