wo sie das nachste Telegramm des Notar Tornbrock abwarten sollten. Andererseits wissen wir, da? Max Real beschlossen hatte, Saint-Louis nicht eher zu verlassen, als bis der Ausfall des Wurfelns am 20. bekannt geworden ware, da er sich an den Gedanken klammerte, Lissy Wag vielleicht begegnen zu konnen, wenn er sich nach Philadelphia begab, um dort an Tom Crabbe’s Stelle zu treten.

Man kann sich wohl leicht die Freude der beiden Freundinnen vergegenwartigen – eine Freude, die bei der einen gewi? lebhaft, aber doch still, bei der anderen laut und demonstrativ zu Tage trat – als sie gleich bei ihrer Ankunft aus den Richmonder Tageszeitungen die Befreiung Max Real’s erfuhren.

»Siehst Du nun, meine Liebe, erklarte Jovita Foley vor Aufregung zitternd, es giebt doch einen Gott! – Manche Leute behaupten ja, es gebe keinen!… Diese Thoren! Wenn es keinen gabe, wurden fur Tom Crabbe wohl jemals diese funf Augen gefallen sein?… Nein! Die Vorsehung wei? schon, was sie thut, und wir mussen ihr dankbar sein…

– Von ganzem Herzen! vollendete Lissy Wag, die in tiefster Erregung war, die Worte ihrer Gefahrtin.

– Das Gluck des einen ist freilich oft genug das Ungluck des anderen, fuhr Jovita Foley fort. Ich habe mir auch schon immer gedacht, da? es auf Erden nur eine gewisse Summe von Gluck fur die Menschen giebt, und da? sich jeder sein Theil davon zum Nachtheil des anderen aneignet!«

Das merkwurdige Madchen erging sich jetzt gar in philosophischen Betrachtungen! Wenn es in dieser niederen Welt aber auch nur eine gewisse Summe von Frohsinn giebt, dann lie? sie, die einen Lowenantheil davon in Anspruch nahm, anderen gewi? wenig ubrig.

»Da sitzt also nun, schwatzte sie weiter, Tom Crabbe an Stelle Max Real’s im Gefangni?!… Meiner Treu, desto schlimmer fur ihn, wenn ihn der Commodore Urrican nicht etwa noch ablost. Wenn es aber dazu kame, mochte ich der Marinebombe wahrlich nicht in den Weg laufen!«

Vorlaufig galt es nun, den 20. geduldig abzuwarten. In den sechs Tagen bis dahin mu?te ja die Zeit recht angenehm verlaufen, wenn die Freundinnen sich die gro?e Stadt Richmond ansahen, deren Schonheit Max Real so warm gepriesen hatte. Noch schoner ware sie in ihren Augen freilich gewesen, wenn der junge Maler sie bei ihren Ausgangen begleitet hatte. So au?erte sich wenigstens Jovita Foley, und Lissy Wag mochte wohl derselben Meinung sein.

Im Hotel verweilten die beiden so wenig wie moglich. Dadurch entgingen sie den Interviewers der virginischen Zeitungen, die die Anwesenheit der funften Partnerin in Richmond mit lautem Trommelschlag verkundet hatten. Zum gro?ten Verdru? Lissy Wag’s hatten einige Zeitungen sogar ihr Portrat und das Jovita Foley’s gebracht, was »ihrem zweiten Ich«, wie die Leute sagten, dagegen gro?en Spa? machte. Und war das nicht erklarlich gegenuber dem Interesse, das ihnen bei ihren Spaziergangen bewiesen wurde?

So flogen die Stunden nur zu schnell dahin im Salon. (S. 445.)

Gewi?! Wie begru?ten alle Leute die beiden reichen Erbinnen, seit ihnen kein anderer voraus war, als der rathselhafte X. K. Z., an dessen Existenz die meisten ubrigens gar nicht glauben wollten. Jetzt war Lissy Wag in den Wettbureaus und auf den Markten der Union die, die am dringendsten verlangt wurde.

»Ich nehme Lissy Wag!

– Ich biete Kymbale gegen Lissy Wag an!

– Ich Titbury!

– Wer will Titbury haben?

– Hier ist Titbury…

– Und Tom Crabbe gleich packetweise!

– Wer hat noch Real?

– Wer hat Lissy Wag abzugeben?«

Etwas anderes horte man gar nicht mehr, und man kann sich daher wohl vorstellen, welche Summen in den Vereinigten Staaten wie im Auslande auf den Sieg der funften Partnerin verwettet sein mochten. Durch zwei gluckliche Wurfe konnte sie das Ziel erreichen und damit, selbst bei einer Theilung mit ihrer treuen Gefahrtin, im Lande der Dollars eine der reichsten Erbinnen werden, die im Goldenen Buche Amerikas eingetragen sind.

Als der 16. Juni herankam, hatten einige Interessenten, da der noch fur einen Monat im prachtigen Excelsior Hotel zuruckgehaltene Hermann Titbury nicht in Frage kommen konnte, wie wir wissen, beantragt, da? das nachste Auswurfeln fur den vierten Partner, Harris T. Kymbale, gelten und uberhaupt jede weitere »Ziehung« um achtundvierzig Stunden fruher verlegt werden sollte. Dem stimmten aber weder Georges B. Higginbotham. noch die anderen Mitglieder des Excentric Club und ebensowenig Meister Tornbrock zu, denen es ja oblag, die Absichten des Verstorbenen zu interpretieren.

Am 18. wurde der Hauptberichterstatter der »Tribune« bekanntlich von Olympia nach Yankton geschickt, und schon am darauffolgenden Tage meldeten die Zeitungen, da? er die Hauptstadt Washingtons auf der Ueberlandlinie der Northern Pacific verlassen habe.

Durch seine Versetzung vom drei?igsten nach dem neununddrei?igsten Felde bedrohte er ubrigens Lissy Wag, die das vierundvierzigste besetzt hatte, in keiner Weise.

Am 20. endlich fand sich Jovita Foley, die ihre Freundin zum Mitgehen gezwungen hatte, schon vor acht Uhr im Postamte von Richmond ein. Eine halbe Stunde spater kam auf dem Drahtwege die Meldung: zwolf, durch sechs und sechs, die hochste Augenzahl, die die Wurfel ergeben konnten. Das bedeutete einen Fortschritt um zwolf Felder, durch den sie aus dem vierundvierzigsten nach dem sechsundfunfzigsten Felde, dem Staate Indiana, kamen.

Die beiden Freundinnen kehrten eiligst in ihr Hotel zuruck, um den sturmischen Demonstrationen der Leute zu entgehen.

»O, meine Beste! jubelte Jovita auf, Indiana und seine Hauptstadt Indianopolis!… Nein, kann man wirklich so viel Gluck haben! Damit nahern wir uns unserem Illinois, jetzt stehst Du an der Spitze und hast diesen Eindringling, den X. K. Z., um funf Felder uberholt und die gelbe Flagge besiegt die rothe! Nur noch sieben Punkte sind nothig, um zu triumphieren! Und warum sollte die Zahl sieben nicht herauskommen? Es ist doch die der Arme des biblischen Leuchters, die der Tage der Woche… die der Plejaden… (die der Todsunden, wagte sie nicht zu sagen)… und die der Partner, die um die Erbschaft kampfen! O Gott, mache, da? fur uns sieben Augen geworfen werden und da? wir die Partie gewinnen!… Wenn Du wu?test – doch Du mu?t es ja wissen – welch guten Gebrauch wir von den Millionen machen wurden… wie wir zu Wohlthatern der ganzen Welt werden wollten!… Wir grundeten Pflegehauser fur Alte, Arbeitsstatten, ein Krankenhaus… ja, das Lissy Wag-Stift fur die Kranken Chicagos, wie eine leuchtende Inschrift verkunden mu?te. Und ich selbst, ich errichtete noch ein Stift fur Madchen, die aus Mangel an Mitgift nicht heirateten, und ich ware die Leiterin darin… o, Du solltest sehen, wie ich mich als solche bewahrte!… Du naturlich, Du wurdest in das Stift nicht eintreten, Fraulein Milliardarin, da… nun ja… ich wei? schon!… Uebrigens werden sich Herzoge, Marquis und Prinzen um Deine Hand streiten!«

Offenbar delirirte Jovita Foley nicht wenig. Sie pre?te Lissy Wag in die Arme, die alle diese Zukunftstraume mit leichtem Lacheln hinnahm, und dann drehte sie sich um sich herum und wirbelte umher wie der Kreisel unter der Peitsche des Kindes.

Jetzt galt es, daruber schlussig zu werden, ob die funfte Partnerin Richmond sofort verlassen solle, da sie ja doch bis zum 4. Juli Zeit hatte, in Indianopolis einzutreffen. Da sie sich aber schon seit sechs Tagen in der virginischen Stadt aufhielt, bestand Jovita Foley darauf, gleich am nachsten Tage nach dem neuen Bestimmungsort weiter zu fahren. Da Max Real nicht in Richmond war, warum sollten sie dann den Aufenthalt hier verlangern?… Diese letzte Begrundung vertrat Jovita Foley mit einem Nachdruck, der Lissy Wag wohl gefallen mochte, so da? sie auf den Vorschlag nichts erwiderte.

Am Morgen des 21. lie?en sich beide also nach dem Bahnhofe fahren. Der Zug, der der Bahnlinie durch Ost-und Westvirginien und schlie?lich durch Ohio folgte, sollte sie – die Strecke betragt nur vierhundert Meilen (640 Kilometer) – noch am namlichen Abend in der Hauptstadt von Indiana absetzen.

Da naherte sich ihnen auf dem Bahnhofe unerwarteter Weise ein Herr von recht seinem Aussehen.

»Ich habe wohl die Ehre, sagte er mit hoflicher Verbeugung, Mi? Lissy Wag und Mi? Jovita Foley vor mir zu sehen?

– Zu Diensten, antwortete die Eiligste der beiden.

– Ich bin der Haushofmeister der Mistre? Migglesy Bullen, und Mistre? Migglesy Bullen wurde sich glucklich schatzen, wenn Mi? Lissy Wag und Mi? Jovita Foley das Anerbieten annahmen, sich des Zuges meiner Herrin bis

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