fuhlt sich einsam, hat Angst, er ist schwach, sucht eine schutzende Hand … Da begegnet ihm ein Aristokrat. Aus Dummheit und Uberheblichkeit kennen sich die Aristokraten in der Politik nicht aus, dafur haben sie uberlange Sabel, und sie lieben die Grauen nicht. Warum sollte der Burger Kiun nicht einfach Schutz suchen wollen bei einem dummen und uberheblichen Aristokraten? Na also. Ich werde ihn naturlich nicht besonders im Auge behalten. Ich habe auch gar keinen Anla? dazu. Plaudern wir ein wenig, schlagen wir die Zeit tot, und gehen wir als Freunde auseinander …

»Kiun …«, sagte er laut. »Ich kannte einmal einen Kiun. Quacksalber und Alchimist in der Klempnerstra?e. Bist du mit ihm verwandt?«

»O weh, ja«, sagte Kiun. »Ich bin zwar nur ein ganz entfernter Verwandter von ihm, aber denen ist das ja ganz egal … Bis zum zwolften Nachkommen rotten sie unsereins aus.«

»Und wohin willst du fluchten, Kiun?«

»Irgendwohin … Weit weg von hier. Viele gehen nach Irukan. Ich werde es auch in Irukan versuchen.«

»So, so«, sagte Rumata. »Und du hast dir wohl vorgestellt, der edle Don wird dich nun sicher durch den Wachtposten geleiten?« Kiun schwieg.

»Oder, vielleicht denkst du, der edle Don wei? nicht, was der Alchimist von der Klempnerstra?e fur ein Mensch ist?« Kiun schwieg. Mir scheint, ich rede lauter dummes Zeug, dachte Rumata. Dann aber richtete er sich in den Steigbugeln hoch auf, ahmte mit geblahtem Hals den Ausrufer am Koniglichen Platz nach und schrie:

»Angeklagt und schuldig der furchtbarsten, unverzeihlichsten Verbrechen gegen Gott, gegen die Krone und die offentliche Ruhe.« Kiun schwieg noch immer.

»Und wie, wenn der edle Don etwa Don Reba, den Vater aller Scheu?lichkeiten, anbetet und verehrt? Wie, wenn er mit Haut und Haaren der Sache der Grauen ergeben ware? Oder haltst du das fur ausgeschlossen?«

Kiun schwieg weiter. Rechts vom Weg tauchte in der Dunkelheit die schwarze Silhouette eines Galgens auf. Am Querbalken baumelte ein nackter Korper, er war an den Fu?en aufgehangt und schimmerte wei? heruber. Ach, dachte Rumata, es kommt ja ohnehin nichts heraus dabei. Er straffte die Zugel, fa?te Kiun an der Schulter und drehte ihn mit dem Gesicht zu sich. »Und wie, wenn dich der edle Don jetzt auf der Stelle gleich neben diesen Galgenvogel hangt?« sagte er und blickte in das wei?e Gesicht des Mannes mit den dunklen Augenhohlen. »Ich selbst. Rasch und geschickt. An einer starken arkanarischen Schnur? Im Namen der Ideale? Was schweigst du, Bucherwurm Kiun?« Kiun schwieg.

Er klapperte vor Angst mit den Zahnen und wand sich ganz schwach unter der Hand Rumatas, wie eine gefangene Eidechse. Plotzlich fiel mit einem leichten Klatschen etwas in den Kanal, der sich den Weg entlang hinzog, und sogleich, wie um das Platschern des Aufschlags zu ubertonen, schrie der Mann verzweifelt: »So hangt mich halt auf! Erhangt mich, Verrater!« Rumata stockte der Atem, er lie? Kiun los. »Ich habe nur gescherzt«, sagte er. »Furchte dich nicht.«

»Luge, Luge …«, murmelte Kiun unter Schluchzen. »Uberall nur Lugen!«

»Also gut«, sagte Rumata. »Verzeih! Hol jetzt lieber das wieder aus dem Wasser heraus, was du da eben hineingeschmissen hast. Sonst wird es noch ganz na? …«

Kiun ruhrte sich zunachst nicht von der Stelle, schwankte mit dem Oberkorper unschlussig hin und her, schluchzte noch immer leise vor sich hin und schlug mit den Handflachen wie sinnlos gegen seinen Uberwurf. Dann kroch er in den Kanal. Rumata wartete. Mude wie er war, sank er in seinem Sattel zusammen. Es mu? wohl so sein, dachte er, das hei?t, anders geht es einfach nicht … Kiun kam aus dem Kanal herausgekrochen, unter seinem Umhang war ein Bundel verborgen.

»Bucher, naturlich«, sagte Rumata. Kiun schuttelte leicht den Kopf. »Nein«, sagte er heiser. »Nur ein Buch. Mein Buch.«

»Was schreibst du?«

»Ich furchte, es wird Euch nicht interessieren, edler Don.« Rumata runzelte die Stirn und seufzte. »Halt dich am Steigbugel fest«, sagte er, »und komm!« Dann schwiegen sie lange Zeit.

»Hor mal, Kiun«, sagte Rumata. »Ich habe nur gescherzt. Hab keine Angst vor mir.«

»Eine schone Welt«, brummte Kiun. »Eine lustige Welt. Alle scherzen. Und alle auf die gleiche Weise. Sogar der edle Don Rumata.« Rumata stutzte verwundert. »Du kennst meinen Namen?«

»Ja«, sagte Kiun. »Ich erkannte Euch an dem Reif um die Stirn. Und ich war zuerst auch so froh, gerade Euch auf diesem Weg zu treffen …«

Ah, naturlich, dachte Rumata. Das hatte er also im Sinn, als er mich einen Verrater nannte. Er sagte:

»Siehst du, ich dachte, du bist ein Spion. Und Spione, die bring ich gewohnlich gleich um.«

»Ein Spion …«, erwiderte Kiun. »Ja, naturlich. Heutzutage ist es ja so einfach und so eintraglich, ein Spion zu sein. Unser lichter Adler, der hochedle Don Reba, ist ja sehr besorgt darum, was die Untertanen des Konigs sprechen und denken. Ich wollte, ich ware ein

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