»Ich werde nichts unterschreiben, Tikkirej«, erklarte die Beamtin. »Nimm deine Unterlagen und geh in die Schule. Deine Eltern haben sich so um dich gekummert und du…«
»Sie haben kein Recht, nicht zu unterschreiben«, sagte ich. »Sie wissen das selbst ganz genau. Wenn ich keine Unterschrift bekomme, gehe ich zum stadtischen Sozialdienst und beschwere mich uber Sie. Wegen grundloser Ablehnung einer Erlaubnis wird man Ihnen das Nutzungsrecht fur die Lebenserhaltungssysteme fur ein halbes Jahr oder, wenn es ganz schlimm kommt, fur ein Jahr entziehen. Das Gesetz muss geachtet werden!«
Das Gesicht der Frau bekam rote Flecken. Sie war ehrlich davon uberzeugt, dass sie wusste, was fur mich am besten ware.
»Du hast dich informiert?«, fragte sie.
»Na klar. Ich bereite mich immer vor.«
Die Beamtin offnete noch einmal die Akte und unterschrieb die Papiere…
»Zimmer 8, dort wird gesiegelt und kopiert«, sagte sie trocken und reichte die Unterlagen zuruck.
»Danke«, verabschiedete ich mich.
»Schone funf Jahre, Gehirn in der Flasche…«, flusterte sie giftig.
Mir machte das nichts aus. Vielleicht hat auch sie fruher wie Dajka davon getraumt, in den Kosmos zu fliegen. Auf unseren Planeten kamen naturlich keine interessanten Raumschiffe.
Was sollten hier auch reiche Touristen oder Militars? Jedes halbe Jahr landete ein Passagierschiff, das bis zur Erde flog, aber seine Mannschaft war sicher komplett. Gutertransporter kamen dafur taglich. Und auf jedem Gutertransporter, sogar dem kleinsten, musste es neben der Mannschaft zehn bis zwolf Module geben.
Also nahm ich das Geld, das von den Eltern ubrig geblieben war, meine eigenen Ersparnisse und die Munzsammlung des Gro?vaters, die zwar keinen gro?en Wert hatte, deren Munzen aber noch im Umlauf waren. Ich machte mich auf den Weg zum Kosmodrom, ging zuerst unter der Erde aus der Wohnkuppel in die technische und fuhr danach mit dem Bus durch den offenen Raum. Niemand beachtete mich. Vielleicht glaubten alle, dass ich zu meinen Eltern fahren wurde, die irgendwo auf dem Kosmodrom arbeiteten.
Als der Bus am Hotel hielt, bezahlte ich und stieg aus.
Wir hatten auf Karijer keine eigene Weltraumflotte und auch keine entsprechende Personalvermittlung. Wenn also ein Flugkapitan Module brauchte, ging er einfach in die Bar des Kosmodroms und wartete dort bei einem Glas Bier. Das hatte ich von Erwachsenen gehort und in den Nachrichten gesehen und wollte es jetzt selbst ausprobieren.
Die Bar sah nicht so luxurios aus wie im Fernsehen. Obwohl, da war die Tafel mit den Autogrammen beruhmter Piloten, ein Stuck von der Hulle eines Kampfraumschiffs des Imperiums, ein Tresen mit au?erplanetaren Getranken, die ein Vermogen kosteten. Aber all das war klein. In der Bar waren vielleicht zehn Gaste. Dabei dachte ich, dass die Bar riesig sein wurde, mindestens so gro? wie die Schulturnhalle…
Im Halbdunkel, durch das wunderschone holographische Bilder schwebten, ging ich zum Tresen. Ich sah auf die Preise und erstarrte. Ein Glas Limonade kostete hier mehr als eine Zweiliterflasche im Geschaft. Aber was blieb mir ubrig? Ich suchte meinen gro?ten Geldschein heraus, bestellte ein Glas Ingwerbier, nahm das Wechselgeld entgegen und setzte mich auf einen hohen Drehstuhl.
Der Barkeeper, ein ganz junger Mann mit einem Radio im Shunt beobachtete mich neugierig. Dann schaute er auf die Kaffeemaschine, die summte und eine Tasse betorend duftenden Kaffees zubereitete.
»Entschuldigung, sind hier Flugkapitane?«, fragte ich.
»Ach so«, erwiderte der Barkeeper, »dass ich das nicht gleich gemerkt habe… Nein, mein Junge. Auf dem Kosmodrom sind gegenwartig nur zwei Erztransporter, der eine schon auf Startposition.«
»Fliegt er bald los?«, wollte ich wissen und trank einen Schluck. Schmeckte gut.
»In ein paar Minuten, du wirst es horen. Wenn du willst, mache ich den Monitor an.«
»Als ob ich noch keinen Start gesehen hatte! Aber wie finde ich den zweiten Kapitan?«
»Willst du als Modul anheuern?«
Er sagte nichts vom »Gehirn in der Flasche«, deshalb fand ich ihn sofort sympathisch.
»Woher wissen Sie das?«
Der Barkeeper lachte. »Was sollte denn ein Halbwuchsiger sonst in dieser Bar machen? Etwa Ingwerbier trinken, das hier mehr kostet als ein Mittagessen in der Stadt? Du brauchst keinen Flugkapitan, mein Freund. Die Kapitane heuern richtige Kosmonauten an, fur die Module sind die Altesten zustandig.«
»Aber die Module gehoren auch zur Mannschaft!«
»Ja, ungefahr so wie meine Kaffeemaschine. Mochtest du einen Kaffee? Ich lade dich ein.«
Ich hatte gern einen Kaffee getrunken, aber ich schuttelte den Kopf.
Der junge Mann schaute mich an und zuckte nach einer Weile mit den Schultern. »Ich werde dir nicht auf die Nerven gehen, die brauchst du noch. Was hast du fur einen Neuroshunt?«
»Kreativ-Gigabit.«
Er schien sich zu wundern.
»Tja, das ist nicht schlecht. Und alle Unterlagen sind vollstandig? Und die Eltern sind einverstanden?«
»Die Eltern haben ihr Verfassungsrecht in Anspruch genommen. Vor einer Woche.«
»Alles klar«, er stellte die Tasse zur Seite, »dort in der Ecke, unter dem Eisenteil…«
Er hatte nichts ubrig fur das ruhmreiche Stuck aus der Panzerung des Kampfschiffes.
»Ja, und?«, fragte ich.
»Der Kerl, der Wodka sauft, ist der Alteste des zweiten Erztransporters. Spendiere ihm etwas zu trinken, das gehort sich so. Und biete deine Dienste an.«
Ich schaute sofort auf die Preisliste, aber der Barkeeper verdeckte sie mit seiner Hand.
»Du wolltest keinen Kaffee, also… gib mir einfach ein Zeichen und ich bringe etwas.«
»Danke«, murmelte ich. Die Alkoholpreise hatte ich gesehen. Wenn ich hatte bezahlen mussen, ware nicht einmal Geld fur die Ruckfahrt ubrig geblieben.
»Dafur bedankt man sich nicht. Wenn du davon uberzeugt bist, dass du richtig handelst, dann geh!«
»Danke«, wiederholte ich storrisch.
Auf einmal schwankte die Bar leicht. Durch die verdunkelten Fenster brach ein roter Schein. Der Alteste am Ecktisch erhob das Glas, als ob er mit jemand Unsichtbarem ansto?en wollte, und trank es in einem Zug aus.
»Der ist uberladen, fliegt mit dem Hauptmotor«, bemerkte der Barkeeper, »also, entscheide dich, Junge.«
Ich sprang vom Barhocker und ging zum Altesten. Es war nicht so, dass ich Hemmungen gehabt hatte. Letztendlich war ich dazu bereit, jeden Tag hierherzukommen. Aber der nette Barkeeper wurde mir nicht jedes Mal helfen. Ich wollte mir diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen.
Der Alteste hob den Kopf und schaute mich aufmerksam an.
Vor ihm stand eine fast leere Flasche.
Papa hatte niemals so viel getrunken. Der Kosmonaut wirkte nicht einmal betrunken. Er war ungefahr vierzig Jahre alt, ohne besondere Kennzeichen. Keine Narben, keine kosmische Braune, keine kunstlichen Organe.
»Guten Abend«, sagte ich, »darf ich Sie einladen?«
Eine Weile schwieg der Alteste, dann zuckte er mit den Schultern. »Bitte!«
Ich winkte dem Barkeeper zu, der mir mit einem vollig ernsten und undurchdringlichen Gesicht zunickte. Er stellte zwei volle Glaser auf das Cybertablett und sandte es durch den Saal. Der kleine Gravitator des Tabletts blinkte orangefarben, er entlud sich. Aber das Tablett kam problemlos am Tisch an, schaffte es sogar, durch die Hande eines Typs zu schlupfen, der lachend nach einem Glas griff.
Erst daraufhin nahm ich beide Glaser und realisierte, dass auch ich trinken musste.
Bisher hatte ich nur Hopfenbier und Sekt probiert. Den Sekt allerdings vor so langer Zeit, dass ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, und das Bier hatte mir nicht geschmeckt.
»Das hat beim Start ganz schon gewackelt, findest du nicht?«, sagte plotzlich der Alteste.
Ich erinnerte mich an die Worte des Barkeepers und antwortete: »Fliegt mit dem Hauptmotor. Uberladen.«
»Dumm bist du nicht, Junge«, bemerkte der Alteste zufrieden, »na dann, auf einen guten Flug…«
Er trank mit einem Schluck aus und verzog dabei keine Miene.
Ich musste daran denken, wie Vater Wodka trank: Er hielt die Luft an und goss ihn mit einem Schluck in sich hinein. Schleunigst spulte ich mit Ingwerbier nach. Das war Klasse. Die Nase kribbelte vom scharfen Aroma