saß hinter einem Schreibtisch in einem Fernsehstudio: »Offenbar beschränkt sich das Phänomen nicht, wie zunächst angenommen wurde, auf zwei bestimmte Staaten. Von überall her sind Berichte eingegangen. Eine Krankenschwester aus New York erzählt von einem höchst merkwürdigen Erlebnis.« Die Leute in dem Millerschen Wohnzimmer drängten sich näher um das Fernsehgerät, während das Bild des Ansagers verblaßte und statt dessen eine junge Frau sichtbar wurde, die ein Interview gab. Karen war von dem Geräusch des Fernsehers herbeigelockt worden und schlich sich leise dicht neben Ann. Die Gefangenen am Boden hoben die Köpfe und versuchten zwischen den Beinen der übrigen Anwesenden hindurch einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen. Zu sehen war eine Krankenschwester in einem New Yorker Krankenhaus, der ein Reporter ein Mikrofon unter die Nase hielt. »Also«, setzte sie an - noch immer erschüttert von dem Erlebnis. »Ich hatte gerade einen toten Organspender aus dem Operationssaal im Erdgeschoß in den Vorraum gestellt. Sein Herz war entfernt worden. Ich hatte ihn an seinen Platz gebracht, mich für einen kleinen Augenblick abgewandt, und als ich wieder hinschaute, kam er auf mich zu - ich kann es noch immer nicht fassen! Ich rannte hinaus und schrie um Hilfe, und als wir wieder hineinkamen, hatte er sich durch eine Fensterscheibe gestürzt und war in Sekundenschnelle verschwunden.«
Auf dem Bildschirm erschien wieder der Nachrichtensprecher. »Ich wiederhole: Entsetzliche Berichte dieser Art treffen aus allen Teilen des Landes ein.«
Karen stöhnte plötzlich laut auf, schleppte sich zu einem Stuhl und ließ sich darauffallen. Sie krümmte sich vor Schmerzen. Billy und Ann sprangen hinzu und versuchten, ihr zu helfen, bis zum Sofa zu gehen. Sie bewegte sich langsam und steif aus Angst, ihre Wehen hätten schon eingesetzt. »Es ist doch erst in einem Monat fällig!« rief sie und verschränkte die Arme vor ihrem Leib, während Billy und Ann sie aufs Sofa betteten »Es kann doch noch nicht losgehen!« »Ist es sehr schlimm?« fragte
Ann. »Eben hat es scheußlich weh getan. Und es fühlt sich so an, als käme es gleich wieder.«
Während Billy und Ann sich um Karen kümmerten, liefen die Fernsehnachrichten weiter. Flack, Angel, John Carter und Wade Connely folgten ihnen aufmerksam. Das Gesicht des Ansagers füllte den ganzen Bildschirm.
»Die vor kurzem Verstorbenen - Leichen aus Leichenhäusern, Bestattungsunternehmen und Krankenhäusern - werden wieder lebendig und laben sich an Menschenfleisch. Niemand weiß, wie viele Menschen von den Leichenfressern ermordet worden sind, nur um sich dann ihrerseits den Reihen der wandelnden Toten anzuschließen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß diese Seuche - wenn sie nicht schleunigst unter Kontrolle gebracht wird - zur Vernichtung der gesamten Menschheit führen kann. In den meisten Gebieten haben die lokale Polizei, Einheiten der Nationalgarde und Freiwillige damit begonnen, rund um die Uhr zu arbeiten, um das Problem in den Griff zu bekommen. Überflüssig zu erwähnen, daß sowohl unsere Städte als auch die ländlichen Bezirke inzwischen zu blutigen Schlachtfeldern geworden sind. Die Katastrophe verschlimmert sich noch durch die Tatsache, daß die Menschen anfangen, gegenseitig aufeinander loszugehen. Banden von Plünderern und Vergewaltigern machen die Landbezirke unsicher - ganz besonders in abgelegenen Gegenden - und nutzen das Zusammenbrechen von Gesetz und Ordnung aus, das als Folge des Überfalls der Leichenfresser zu chaotischen Zuständen geführt hat. Nachrichten über Mord, Vergewaltigungen und Brandstiftungen sind inzwischen an der Tagesordnung. Hier in unserem eigenen Distrikt hat Sheriff Conan McClellan, der vor zehn Jahren erfolgreich mit einer vergleichbaren Notlage fertig geworden ist, wieder das Kommando über ein bewaffnetes Aufgebot aus Polizeibeamten und freiwilligen Zivilisten übernommen. Es ist uns gelungen, Sheriff McClellan im Laufe des heutigen Tages zu interviewen.«
Auf dem Bildschirm waren im Vordergrund McClellan und ein Reporter zu sehen, im Hintergrund herrschte ein emsiges Gewimmel. Hinter den beiden Männern war ein Zeltlager zu erkennen. Weitere Zelte wurden aufgerichtet. Überall wuselte es von Männern mit Hunden, von Lagerfeuern, Jeeps und Rettungswagen. Der Sheriff trug Zivil. Die Hosen seines dunklen Anzugs stecken in gefütterten Stiefeln, die Krawatte hatte er gelockert. Er wirkte sehr erschöpft. Er hatte ein Schnellfeuergewehr mit Zielfernrohr und einen Munitionsgürtel geschultert.
»Sheriff..., inwieweit läßt sich der gegenwärtige Notstand mit der Situation von vor zehn Jahren vergleichen? « fragte der Reporter und hielt dem Sheriff das Mikrofon unter die Nase. Der Sheriff gab eine klare Antwort: »Diesmal ist es schlimmer. Wesentlich schlimmer sogar. Die Leute nutzen die Situation aus und gehen aufeinander los. Die Leichenfresser könnten wir eventuell unter unsere Kontrolle bringen, aber wir haben es zusätzlich mit Vergewaltigern und Plünderern zu tun.«
»Haben Sie eine Erklärung für das, was geschieht?« »Nicht die mindeste. Ich tue meine Arbeit, das ist alles. Ich hätte nie gedacht, daß diese verdammte, unglaubliche Geschichte sich je wiederholen könnte.«
»Sheriff, was läßt Sie annehmen, der Leichenfresser Herr werden zu können?«
»Es ist uns schon einmal gelungen. Wir können diese Kreaturen überwältigen und vernichten. Anschließend wieder Ordnung zu schaffen, darin besteht die eigentliche Schwie...« John Carter stand auf und schaltete das Gerät aus. Er drehte sich zu Ann und Billy um, die Karens regelmäßigem Stöhnen lauschten, sie leise nach ihren Schmerzen ausfragten, versuchten, sie zu beruhigen, und über die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt diskutierten.
»Es tut so weh«, jammerte Karen nach einer besonders heftigen Wehe. »Und die Schmerzen kommen wieder und
wieder.«
»Wir müssen sie in ein Krankenhaus schaffen«, forderte Billy und ließ seinen Blick in Erwartung von Zustimmung zu John Carter schnellen.
Carter bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Es ist viel zu gefährlich, sich nach draußen zu wagen.« Flack grinste, schnippte eine Zigarette aus einer Packung und zündete sie an. »Komm, wir bringen Karen erst mal nach oben«, schlug Ann Billy resigniert vor.
Billy und Ann halfen Karen beim Aufstehen und machten sich auf den Weg zur Treppe. Flack trat ihnen in den Weg und zwang sie, stehenzubleiben. Karen wurde von einer weiteren Wehe erfaßt, krümmte sich und stöhnte, die Hände auf dem Unterleib.
»Wo wollt ihr denn hin?« begehrte Flack zu wissen. Ann versuchte, Karen zu helfen, während Billy dem Mann verständnislos ins Gesicht starrte. Karen verbiß ihren Schmerz und sah ihn ebenfalls ungläubig an. Ann warf John Carter einen flehenden Blick zu.
»Ihr müßt euch nur meine Erlaubnis erbitten«, erklärte Flack. Angel gab Wade einen amüsierten Stoß in die Rippen. Wade Connely grinste. Flack stülpte die Lippen vor und blies eine lange Reihe von Rauchringen aus.
»Bitte«, keuchte Ann mit dem Blick auf Carter gerichtet. Sie
konnte nicht begreifen, daß er in Anbetracht der Lage zuließ,
daß einer seiner Männer sich so benahm.
»Bitte was?« beharrte Flack spitz und genoß offenkundig seine
Machtposition.
Ann traten Tränen in die Augen. »Bitte erlauben Sie uns, Karen nach oben zubringen«, flüsterte sie und schaute Flack dabei hilflos an.
»Das klingt schon besser«, erwiderte Flack. »Also gut. Meinetwegen.«
Billy und Ann beeilten sich, Karen, die in Schweiß ausgebrochen war, die Treppe hinaufzuhelfen.
»He, ihr Macker«, rief Angel. »Laßt uns mal diesen Safe knacken.«
Flack pflanzte sich vor Carter auf. »Machen wir endlich mit diesem Zirkus hier Schluß. Wir müssen uns langsam entscheiden, was wir mit den Leuten hier machen wollen, und es dann auch hinter uns bringen.«
»Immer mit der Ruhe«, versetzte Carter. »Das Spiel hat ja gerade erst
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