Auf allen Gesichtern zeichnete sich Uberraschung ab. Wahrscheinlich auch auf dem der Frau, hatte man es sehen konnen.

So schlecht war das Wetter nicht, da? mit einem Gewitter zu rechnen war. Und es war auch kein Gewitter. Kein Blitz, kein weiterer Donner.

Nur eine Wasserfontane, die vor dem Bug der ALBANY aufspritzte, als das schwere Gescho? ins Meer klatschte.

Da flog auch schon ein von mehreren Mundern aufgenommener Ruf uber das Deck der Bark:

»Kriegsschiffe! Sie schie?en auf uns!«

Die Seeleute und die Passagiere, die sich an Deck befanden, sturzten an die Reling und fanden den Ruf bestatigt.

Einer von ihnen war Joe Weisman. Er lief aufs Achterdeck und quittierte die Waffen in den Handen der schwarzgekleideten Frau und ihrer Begleiter mit einem verstorten Blick.

»Wie ist die Lage, Mr. Weisman?«

Hansens auf englisch ausgesprochene Frage ri? den Zweiten Steuermann aus seiner Verstorung.

»Wir haben drei Kriegsschiffe der Union ausgemacht, Kapten«, berichtete der gedrungene Deutsch- Amerikaner. »Ein Raddampfer und zwei zu Schrauben-Fregatten umgerustete Kauffahrer, eine Bark und eine Brigg. Sie haben Signal gesetzt, Kapten!«

Die Art, wie Weisman den letzten Satz aussprach, zeigte, da? er seine Verstorung keineswegs uberwunden hatte.

»Und?« schnarrte Hansen. »Was wollen sie von uns?«

»Wir sollen uns ergeben und ein Prisenkommando an Bord lassen«, berichtete der Zweite Steuermann fassungslos. »Kapten, was bedeutet das? Wir sind doch ein harmloses Handelsschiff!«

»Ja, eins, das Waffen fur den Suden schmuggelt«, sagte Jacob bitter. »Ein Blockadebrecher!«

»Schnauze!« schrie Abel McCord und zog den langen, schweren Lauf seines Leach & Rigdon-Revolvers uber den Kopf des Zimmermanns.

Jacob brach vor seinen Fu?en zusammen.

»Ist das wahr, Kapten?« fragte Weisman entsetzt. »Haben wir Kriegsfracht fur die Konfoderierten an Bord?«

»Stellen Sie jetzt keine Fragen, Weisman!« befahl Piet Hansen. »Fuhren Sie meine Befehle aus!«

Der Zweite Steuermann schuttelte den Kopf.

»Nein, Kapten! Erst will ich die Wahrheit wissen!«

»Die Wahrheit ist, da? du jetzt unser Gefangener bist, Teerjacke!« knurrte McCord und richtete den Leach & Rigdon auf Weisman. »Aber nicht lange, denn zur Aufrechterhaltung der Bordmoral werde ich jetzt ein Exempel an dir statuieren!«

Als McCords Daumen den Hahn zuruckzog, krachte Jacobs Fu? gegen die Waffenhand des Captains.

Der Schu? loste sich, wahrend der Revolver im hohen Bogen durch die Luft flog. Die Kugel klatschte in das Rettungsboot neben dem Besanmast.

»Verfluchter Dutch!« zischte McCord und sturzte sich auf Jacob.

Die Faust des Zimmermanns landete mitten im Gesicht des Offiziers und schleuderte ihn zuruck. Hart schlug McCords Kopf gegen eine der hufthohen Fensteraufbauten.

»Schlu? jetzt, Adler!« befahl die Frau in Schwarz.

Aber die vier Laufe ihres Sharps Derringers waren nicht auf Jacob gerichtet, sondern auf das kleine Kind in Irenes Armen.

»Machst du noch einmal Arger, stirbt der Kleine!« Ihre Stimme klang fast ein wenig bedauernd, als sie hinzufugte: »Es ist besonders traurig, wenn Kinder sterben.«

In diesem Augenblick glaubte Jacob zu wissen, wen er vor sich hatte.

Auch wenn es unglaublich schien! Er hatte die Frau fur tot gehalten.

Bevor er den Namen aussprechen konnte, rollte erneuter Donner uber die ALBANY.

Diesmal war es gleich eine ganze Salve, die an der Steuerbordseite der Bark den Pazifik aufri?.

Die Kartatschen schlugen so dicht am Rumpf des Dreimasters ein, da? nicht mit Sicherheit zu sagen war, ob es sich noch um blo?e Warnschusse handelte.

Hastig kurbelte Piet Hansen am Steuerrad, um die ALBANY aus der Schu?linie zu rei?en.

Der schlanke Rumpf legte sich nach Backbord. Die Bark floh vor dem Raddampfer, der sie unter Feuer genommen hatten.

Tief tauchte der schlanke Leib des Dreimasters in die Fluten des Pazifiks ein, als wolle er sich unter den Wellenbergen verstecken.

Das Manover fiel fur die Menschen an Bord der ALBANY zu uberraschend und zu heftig aus.

Nur die standfesten Seeleute - und nicht einmal alle von ihnen - konnten sich auf den Beinen halten.

Sonst sturzte alles hin und rutschte uber das schiefe Deck, bis Decksaufbauten oder die Reling die Rutschpartie beendeten. Die Menschen verschmolzen zu einem einzigen Durcheinander von verrenkten Gliedma?en, erschrockenen Schreien und schmerzerfulltem Stohnen.

Hande griffen nach jeder Kante, um sich festzuhalten. Fu?e suchten vergebens nach einem festen Stand und glitten aus. Kopfe prallten gegen Holz und Eisen. Blut flo?.

Hatte die Breitseite das Schiff getroffen, hatte es an Bord der ALBANY kaum wuster und unubersichtlicher zugehen konnen. Es war die Holle.

Wahrend Jacob sich an einer Verstrebung der Reling festklammerte, sah er mit Erleichterung, da? auch die Frau in Schwarz den Halt verlor. Dadurch waren Irene und Jamie au?er Gefahr, von einer Kugel des Derringers getroffen zu werden -zumindest vorerst.

Die verschleierte Frau sturzte und rutschte in Jacobs Richtung.

Auch Irene und das Kind waren gesturzt, hatte Joe Weisman sie nicht im letzten Augenblick mit einem Arm umschlungen und festgehalten. Mit der anderen Hand hielt er sich an den Pfosten fest, auf denen die Uberdachung fur den Steuermann ruhte. Der erfahrene Seemann stand relativ sicher auf gespreizten Beinen, die jede Schwankung der Bark abfederten.

Die ALBANY richtete sich wieder auf. Aber nur, um in einen neuen Donner hineinzufahren.

Diesmal hatte das kleinste der drei Kriegsschiffe, die zur Schrauben-Fregatte umgebaute Brigg, seine Geschutze abgefeuert. Der Pulverrauch ihrer eigenen Breitseite hullte sie fur Sekunden vollig ein wie ein plotzlich aus dem Meer gestiegener Nebel.

Aber auch das kleinste Kriegsschiff hatte gefahrliche Geschutze an Bord. Und was aus deren Rohren kam, waren gewi? keine Warnschusse!

Eine Kartatsche pfiff uber die Kopfe der Menschen auf dem Achterdeck der ALBANY, zerfetzte das Gaffelsegel am Besanmast und verschwand glucklicherweise im Meer, ohne gro?eren Schaden anzurichten.

Hinter dem Heck des Seglers schlugen die weiteren Geschosse ins Wasser. In schneller Reihenfolge und sehr dicht nebeneinander.

Die Breitseite war gut gezielt, zum Gluck fur die Menschen an Bord des Seglers nicht zu gut. Hatte sie nur ein paar Yards weiter vorn gelegen, hatte sie das gesamte Heck der ALBANY in Trummer gerissen.

Die dunkle Gestalt der vermummten Frau lag neben Jacob an der Reling.

Der uberraschende Sturz hatte sie benommen gemacht. Sie stohnte vor Schmerzen.

Der schwarze Hut mit Schleier und Haarnetz war von ihrem Kopf gerissen worden.

Voller Entsetzen starrte der junge Deutsche auf das, was einmal das Gesicht einer schonen Frau gewesen war.

Der Anblick war gra?lich.

Und doch vermochte Jacob die weit aufgerissenen Augen nicht abzuwenden.

Wie war so etwas moglich?

Er konnte einfach nicht fassen, was er sah!

Ende des 1. Teils

Und so geht das Abenteuer weiter

Kanonendonner und Pulverdampf. Dicke Rauchfahnen aus hohen Schornsteinen und im Wind knatternde Segel. Hektisch ausgesto?ene Kommandos und panische Schreie. Im Pazifischen Ozean, einige Meilen vor der Westkuste des nordamerikanischen Kontinents, war die Holle ausgebrochen. Unter dunklen Wolkenbergen tobte

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