goldsuchtige Glucksritter!

Er sah seine Chance. Wenn die ALBANY tatsachlich ein Blockadebrecher war und er zu ihrem Aufbringen beitragen konnte, wurde er vielleicht nicht mehr lange hier sitzen und aus lauter Frust den Whiskey in sich hineinschutten.

Er sprang auf, und seine Schultern strafften sich.

»Sergeant«, bellte er den reglos im Raum stehenden Henderson an. »Sofort Eiltelegramme ans Hauptquartier in San Francisco und an das dortige Navy-Buro. Die ALBANY ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Blockadebrecher und unter allen Umstanden aufzubringen!«

*

Auf dem Pazifik, ein paar Stunden spater. »Mussen wir wirklich wie Diebe in der Nacht hier herumschleichen?« fragte Captain Abel McCord unwillig seine Begleiterin.

Er sprach im Flusterton.

In der Hand hielt er eine Blendlaterne aus rostigem Blech, deren matte Vergro?erungslinse einen hellen Schein auf die im heftigen Seegang schwankenden Planken warf.

»Es ist besser so«, beschied die Frau, die wie stets von Kopf bis Fu? schwarz verhullt war.

»Aber warum? Schlie?lich ist es unsere Ladung. Hm, jedenfalls dann, wenn wir sie bezahlt haben. Wir haben ein Recht darauf, sie in Augenschein zu nehmen. Warum kontrollieren wir sie nicht ganz offen?«

»Weil ich nicht das sehen will, was dieser Stutzer Schelp uns zeigt. Ich will mir selbst aussuchen, wo wir unsere Stichproben machen.«

»Yeah«, sagte McCord im zerdehnten Texas-Akzent. »Jetzt verstehe ich.«

Die beiden Menschen blieben vor einer Luke stehen, die das Zwischendeck von dem gro?en Frachtraum trennte, der den unteren Schiffsteil bildete und fast ganzlich unterhalb der Wasserlinie lag.

McCord ruttelte an der Luke, aber sie war verschlossen.

»Soll ich sie aufbrechen?« fragte er und legte die Rechte auf das Stemmeisen, das in seinem Gurtel steckte.

»Versuchen wir es erst mal hiermit.«

Die Frau zog einen Ring mit mehreren Schlusseln zwischen den Falten ihres Kleides hervor. Schon der zweite pa?te, und klackend sprang das gro?e Schlo? auf.

»Woher?« staunte der Captain.

»Von einem Maat, der funf Golddollars unwiderstehlich fand.«

Sie gingen die steile Treppe hinunter. Nur wenig Wasser stand in den Ecken und Bodenausbuchtungen. Die Pumpen der ALBANY arbeiteten gut.

Die Frau ubernahm die Blendlaterne und zeigte auf mehrere Kisten, die dann McCord mit dem schweren Eisen aufbrach. Jedesmal fiel die Inaugenscheinnahme des Inhalt zur vollen Zufriedenheit der beiden auf.

Keiner der beiden bemerkte, da? dabei ein kleines ovales Messingschild von einer Kiste abplatzte und zu Boden fiel. Die anderen Kisten waren nicht mit diesen Schildern versehen. Man hatte die Schilder entfernt, bevor die Kisten in Hamburg auf die ALBANY verladen worden waren. Helle Flecken auf dem Holz verrieten die Stellen, wo sie gesessen hatten.

Fast zartlich strich die in schwarzem Leder steckende Hand der Frau uber den kalten Stahl in einer der gro?en Kisten, als die Schwarzgekleidete plotzlich hart gegen das Holz gedruckt wurde.

Sie spurte McCords kraftige Hande an ihrem Leib abwarts wandern und ihre Rocke hochheben. Schnell schob die Frau in Schwarz die Blechblende uber die Linse der Laterne, und im Laderaum wurde es finster.

Die Welt bestand nur noch aus Gerauschen. Das Klatschen der Wellen, die gegen den Schiffsrumpf schlugen. Das Achzen und Knarren der Planken und der Kisten, die zwar gut vertaut waren, aber doch jede Bewegung der Bark nachvollzogen. Und das immer schnellere Keuchen des Sudstaatlers, der sich uber die Frau beugte und ihren Leib mit solcher Gewalt gegen die Kiste druckte, da? deren Rand schmerzhaft in ihren Bauch stach.

Sie bi? die Zahne zusammen und lie? es geschehen. Wenn sie keine Umstande machte, wurde es um so schneller vorbei sein.

Was waren schon die paar Minuten in der Nacht, die sie sich Abel McCord hingab? Der Captain setzte sein Leben bei dieser Mission aufs Spiel.

Sie ihres naturlich auch. Aber es bedeutete ihr nichts mehr, seitdem sie vom Schicksal ihres Mannes erfahren hatte.

Endlich war der Sudstaatler fertig. Er stand noch eine Minute uber die Frau gebeugt, bis er neue Kraft gefunden hatte. Dann lie? er von ihr ab und zog seine Hose hoch.

Er griff nach der Laterne, die sie noch in der Hand hielt. Wie er den Lichtstrahl aufflammen lie?, hatte sie ihre Rocke bereits wieder geordnet. Kein Zoll ihrer Haut war mehr zu sehen, als das Licht auf sie fiel.

Sie zuckte zuruck, als McCord die freie Hand nach ihrem Gesichtsschleier ausstreckte.

»Was soll das, Abel?« fragte sie erschrocken.

Sein breites Gesicht druckte wilde Entschlossenheit aus. Sie hatte sich getauscht. Seine Erregung war noch nicht abgeklungen, sondern hatte sich nur auf eine andere Ebene verlagert.

»Ich will endlich dein Gesicht sehen!« keuchte er mit der Stimme und den Augen eines Besessenen. »Ich halte es so nicht langer aus. Zeig es mir!«

Er wollte den Schleier wegrei?en, aber die linke Hand der Frau schlug seinen Arm beiseite. Ihre Rechte verschwand in den Falten des schwarzen Kleides und kehrte mit einem vierlaufigen Sharps Derringer zuruck, den sie auf McCords Brust richtete.

Ohne zu zogern zog sie den Hahn zuruck und sagte scharf:

»Wenn Sie mich auch nur anruhren, McCord, schicke ich Sie zur Holle!«

Ihre Stimme und ihre ganze Haltung lie?en den Captain keine Sekunde an der Ernsthaftigkeit der Drohung zweifeln.

»All right, Sie haben gewonnen«, brummte er und buckte sich nach dem Stemmeisen, das er auf den Boden gelegt hatte, bevor er sich der Frau genahert hatte.

Au?erlich war Abel McCord vollig ruhig. Aber innerlich brodelte er.

Lange wurde er die fortlaufende Kette von Demutigungen nicht mehr hinnehmen. Deutsche, Mexikaner und diese geheimnisvolle Frau, die das Oberkommando ihm vor die Nase gesetzt hatte - sie alle machten sich uber ihn, einen Offizier der Konfoderation, lustig!

Nicht mehr lange!

*

Die Tage auf See vergingen fur die Passagiere der ALBANY in rasch ermudender Eintonigkeit.

Das einzige, was sich anderte, war das Wetter. Es wurde von Tag zu Tag schlechter. Manchmal wurde der Himmel so duster, da? sich der Tag kaum von der Nacht unterschied.

Immer wieder peitschten Sturmwinde das Schiff. Und Regenboen waren der Meinung, der Pazifische Ozean rings um den schlanken Segler sei noch nicht genug Wasser.

Die Passagiere sahen nichts als tiefgrauen Himmel und hellgraues Meer, wenn sie sich einmal an Deck wagten. Meistens dauerten diese Ausfluge nicht sehr lange und endeten damit, da? sich die Landratten weit uber die Reling beugten, um ihren Gefuhlen freien Lauf zu lassen.

Nach sieben Tagen Fahrt wurden die Menschen allmahlich unruhig. Einige waren der Meinung, man mu?te San Francisco endlich erreicht haben.

Kapitan Hansen lie? verlauten, das schlechte Wetter haben die Bark vom Kurs abgebracht, und der schwere Seegang behindere ihr Vorankommen.

»Komisch«, bemerkte Jacob zu Irene. »Ich hatte nicht gedacht, da? der alte Piet sein Schiff so aus dem Ruder laufen la?t.«

Der alte Piet?

Nein, das war Hansen ganz und gar nicht. Er benahm sich gegenuber Jacob und Irene fast wie ein Fremder. Wenn er funf Worte mit ihnen wechselte, war das schon viel.

Arnold Schelp zeigte sich aufgeschlossener, gab aber nicht mehr als unverbindliche Plattituden von sich.

Das Zusammenleben mit den O'Faolains und den Connors verlief unerwartet harmonisch und trostete die beiden Deutschen uber Piet Hansens Schweigsamkeit ein wenig hinweg.

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