Phoebe W. Caulfield

Phoebe Weatherfield Caulfield Esq.

Bitte an Shirley weitergeben!!!!

Shirley du hast gesagt du bist Schütze aber

du bist nur Stier

bring die Schlittschuhe mit

wenn du zu mir kommst

Ich saß an D.B.s Schreibtisch und las das Notizbuch. Ich brauchte nicht lange dazu, und ich könnte solches Zeug, so ein Kindernotizbuch, den ganzen Tag und die ganze Nacht lesen, ob es Phoebe gehört oder einem anderen Kind. Notizbücher von Kindern werfen mich jedesmal um. Dann zündete ich mir wieder eine Zigarette an - es war die letzte. Ich hatte an dem einen Tag sicher drei Päckchen geraucht. Schließlich weckte ich Phoebe. Ich konnte ja nicht für den Rest meines Lebens an diesem Schreibtisch sitzen bleiben, und außerdem hatte ich Angst, daß meine Eltern hereinplatzen könnten, und ich wollte ihr wenigstens vorher noch guten Tag sagen. Deshalb weckte ich sie.

Sie wacht sehr leicht auf. Ich meine, man braucht sie nicht anzubrüllen oder so. Eigentlich genügt es schon, daß man sich auf ihr Bett setzt und sagt: «Wach auf, Phoebe», dann ist sie schon wach.

«Holden!»

sagte sie sofort und schlang die Arme um meinen Hals und so. Sie ist sehr zärtlich. Ich meine, für ein Kind ist sie wirklich zärtlich. Manchmal sogar zu zärtlich. Ich gab ihr einen Kuß, und sie sagte: «Seit wann bist du zu Hauset» Sie freute sich furchtbar, das konnte man sehen.

«Nicht so laut. Grade jetzt gekommen. Wie geht's?»

«Gut. Hast du meinen Brief bekommen? Ich hab dir fünf Seiten-»

«Jaja - nicht so laut. Danke vielmals.»

Sie hatte mir geschrieben, aber ich hatte ihr nicht mehr antworten können. Der ganze Brief war über eine Schüleraufführung, bei der sie mitspielte, und ich sollte für den Freitag nichts anderes abmachen, damit ich es sehen könne.

«Was macht die Aufführung?» fragte ich. «Wie heißt das Stück eigentlich?»

«<Ein Weihnachtsspiel für Amerikaner! Miserabel, aber ich bin Benedict Arnold. Ich hab die größte Rolle», sagte sie. Sie war hellwach. Sie wird immer ganz aufgeregt, wenn sie von so etwas erzählt.

«Es fängt an, als ich am Sterben bin. Am Heiligen Abend kommt dieser Geist und fragt mich, ob ich mich schäme oder so. Verstehst du. Weil ich mein Land verraten habe und so weiter. Kommst du auch?» Sie saß kerzengerade im Bett. «Davon hab ich dir eben geschrieben. Kommst du?»

«Natürlich, ganz sicher komme ich.»

«Dad kann nicht. Er muß nach Kalifornien fliegen», sagte sie. Sie war wirklich ganz hellwach. Es dauert bei ihr nur zwei Sekunden, bis sie ganz wach ist. Sie saß - oder kniete eigentlich halb - im Bett und hielt meine blöde Hand. «Du, die Mutter hat gesagt, daß du am Mittwoch kommst. Am Mittwoch, hat sie gesagt.»

«Ich konnte früher weg - sei nur leise. Du weckst noch alle auf.»

«Wieviel Uhr ist? Sie kommen erst spät heim, hat die Mutter gesagt. Sie sind zu einer Einladung in Norwalk gefahren, in Connecticut», sagte die gute Phoebe. «Jetzt mußt du raten, was ich heute nachmittag gemacht hab! In welchem Film ich war! Rat!»

«Ich weiß nicht- Hör, haben sie nicht gesagt, um wieviel U In sie-»

«Der Arzt»,

sagte Phoebe. «Das ist ein besonderer Film, den sie bei der Lister-Stiftung gegeben haben. Nur gerade heute, nur an einem Tag. Es war von dem Doktor in Kentucky, der diesem Mädchen eine Decke über den Kopf tut, weil sie ein Krüppel ist und nicht gehen kann. Dann kommt er ins Gefängnis und so weiter. Es war ausgezeichnet.»

«Wart einen Augenblick. Haben sie nicht gesagt, wann sie -»

«Er hat Mitleid mit ihr, dieser Arzt. Deswegen wirft er ihr die Decke über den Kopf, bis sie erstickt.

Dann tun sie ihn lebenslänglich ins Gefängnis, aber dieses Kind, dem er die Decke über den Kopf getan hat, besucht ihn die ganze Zeit und dankt ihm dafür, was er getan hat. Er war ein Mörder aus Mitleid. Aber er selber weiß, daß er es verdient hat, daß er ins Gefängnis muß, weil ein Arzt dem lieben Gott nichts wegnehmen darf. Die Mutter von einer in meiner Klasse hat uns mitgenommen. Alice Holmborg. Sie ist meine beste Freundin. Sie ist die einzige in der ganzen-»

«Wart einen Augenblick, bitte!» sagte ich. «Ich hab dich etwas gefragt. Haben sie gesagt, wann sie zurückkommen, oder haben sie nichts davon gesagt?»

«Nein, aber sicher sehr spät. Sie sind mit dem Auto gefahren, damit sie nicht von den Zügen abhängig sind. Wir haben jetzt ein Radio drin! Aber Mutter hat gesagt, man dürfe es nicht andrehen, wenn man im Verkehr ist.»

Ich war etwas erleichtert. Ich meine, ich machte mir schließlich keine Sorgen mehr, ob sie mich zu Hause erwischen würden. Zum Teufel damit. Wenn sie mich erwischten, dann erwischten sie mich eben. Diese Phoebe muß man gesehen haben. Sie hatte einen blauen Pyjama an, mit roten Elefanten auf dem Kragen. Sie schwärmt für Elefanten.

«Der Film war also gut?» fragte ich.

«Glänzend, nur hatte Alice Schnupfen, und ihre Mutter fragte immer, ob sie sich grippig fühle. Mitten im Film. Immer mitten drin, wenn etwas Wichtiges kam, beugte sich die Mutter ganz über mich und fragte Alice, ob sie sich grippig fühle. Das ist mir auf die Nerven gegangen.»

Dann erzählte ich ihr von der Schallplatte. «Hör, ich hab dir eine Platte gekauft», sagte ich. «Nur hab ich sie leider auf dem Heimweg zerbrochen.» Ich zog die Stücke aus der Manteltasche und zeigte sie ihr. «Das hat mich wahnsinnig geärgert», sagte ich.

«Gib mir die Stücke», sagte sie. «Ich heb sie auf.» Sie nahm sie mir aus der Hand und legte sie in die Nachttischschublade. Sie kann mich einfach umwerfen.

«Kommt D.B. zu Weihnachten?» fragte ich.

«Möglicherweise, aber vielleicht auch nicht, hat Mutter gesagt. Es hängt von Verschiedenem ab.

Vielleicht muß er in Hollywood bleiben und einen Film über
Annapolis
schreiben.»

«Über
Annapolis,
um Himmels willen!»

«Es ist eine Liebesgeschichte und so. Rate, wer drin spielen soll. Welcher Filmstar? Rate!»

«Das interessiert mich nicht,
Annapolis,
um Himmels willen. Lieber Gott, was weiß denn D.B. von
Annapolis?
Was hat das denn mit dem zu tun, was er sonst schreibt?» sagte ich. So etwas macht mich verrückt. Dieses verdammte Hollywood. «Was hast du mit deinem Arm gemacht?» fragte ich.

Sie hatte ein großes Pflaster am Ellbogen. Das bemerkte ich deshalb, weil ihr Pyjama kurze Ärmel hatte.

«Dieser Curtis Weintraub aus meiner Klasse hat mir einen Stoß gegeben, als ich im Park die Treppe hinuntergegangen bin», sagte sie. «Willst du's sehen?» Sie wollte schon das blöde Pflaster abreißen.

«Laß das Pflaster drauf. Warum hat er dich die Treppe

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