Wir tanzten ungefähr viermal. In den Pausen ist sie furchtbar komisch. Sie bleibt in Tanzstellung stehen und will nicht einmal sprechen. Auch man selber muß genauso stehenbleiben und warten, bis das Orchester weiterspielt. Das wirft mich um. Man darf auch nicht lachen oder so.

Nach vier Tänzen drehte ich das Radio ab. Phoebe hopste wieder ins Bett und schlüpfte unter die Decke. «Ich mache Fortschritte, nicht wahr?» fragte sie.

«Und wie», sagte ich. Dann setzte ich mich wieder auf den Bettrand. Ich war sozusagen außer Atem. Ich hatte so viel geraucht, daß ich fast keine Luft mehr bekam. Phoebe war überhaupt nicht außer Atem.

«Fühl meine Stirn», sagte sie plötzlich.

«Warum?»

«Fühl. Nur ganz schnell.»

Ich legte die Hand an ihre Stirn. Ich fühlte aber weiter nichts Besonderes.

«Ist sie fiebrig?» fragte sie.

«Nein. Sollte sie das sein?»

«Ja - ich mach es absichtlich. Fühl noch mal.»

Ich versuchte es wieder und fühlte immer noch nichts, aber ich sagte: «Doch, ich glaube, es fängt an.» Ich wollte nicht, daß sie einen verdammten Minderwertigkeitskomplex bekäme.

Sie nickte. «Ich kann es so machen, daß es bis über das
Thermometer
hinaufsteigt.»

«Thermometer. Wer hat das gesagt?»

«Alice Holmborg hat es mir gezeigt. Man muß die Beine kreuzen und den Atem anhalten und an etwas sehr, sehr Heißes denken. Eine Heizung oder so. Dann wird die ganze Stirn so heiß, daß man jemand die Hand verbrennen kann.»

Das warf mich um. Ich zog die Hand von ihrer Stirn weg, als ob es furchtbar gefährlich wäre.

«Danke für die Warnung», sagte ich.

«Ach, dir hätte ich nicht die Hand verbrannt. Ich hätte aufgehört, bevor es zu heiß - sst!» Dabei setzte sie sich blitzschnell auf.

Sie jagte mir einen wahnsinnigen Schrecken damit ein. «Was ist los?» fragte ich.

«Die Haustür!» flüsterte sie. «Sie kommen!»

Ich sprang auf und rannte zum Schreibtisch und drehte das Licht aus. Dann drückte ich die Zigarette auf meinem Schuh aus und steckte sie in die Tasche. Dann fächelte ich wie besessen in der Luft herum, damit der Rauch wegginge - ich hätte überhaupt nicht rauchen sollen, großer Gott. Dann packte ich meine Schuhe und verschwand im Schrank und zog die Tür zu. Mein Herz schlug wie toll.

Ich hörte meine Mutter hereinkommen.

«Phoebe?» sagte sie. «Mach mir nichts vor. Ich habe das Licht schon gesehen, mein Fräulein.»

«Hallo!» hörte ich Phoebe antworten. «Ich konnte einfach nicht einschlafen. Ist es nett gewesen?»

«Sehr, sehr nett», sagte meine Mutter, aber man merkte gut, daß sie es nicht wirklich meinte. Einladungen machen ihr nie viel Vergnügen. «Warum bist du denn noch wach, wenn ich fragen darf? Ist dir warm genug?»

«Warm genug ist mir, aber ich konnte nicht schlafen.»

«Phoebe, hast du hier drin geraucht? Die Wahrheit bitte, mein Fräulein.»

«Was?» fragte Phoebe.

«Du hast mich gut verstanden.»

«Ich habe nur eine Sekunde lang eine angezündet. Nur für einen einzigen Zug. Dann hab ich sie zum Fenster hinausgeworfen.»

«Und warum, wenn ich fragen darf?»

«Weil ich nicht schlafen konnte.»

«Ich hab das nicht gern, Phoebe. Gar nicht gern. Möchtest du noch eine Decke?»

«Nein, danke. Gute Nacht!» sagte Phoebe. Sie wollte meine Mutter loswerden, das war deutlich zu hören.

«Wie war der Film?» fragte meine Mutter.

«Ausgezeichnet. Bis auf Alicens Mutter. Sie hat sich immer herübergebeugt und sie gefragt, ob sie sich grippig fühle, während dem ganzen Film. Wir sind im Taxi heimgefahren.»

«Laß mich deine Stirn fühlen.»

«Ich hab mich nicht angesteckt. Sie hat gar keine Grippe. Es war nur ihre Mutter.»

«Schön. Dann schlaf jetzt. Wie war das Abendessen?» «Lausig», sagte Phoebe.

«Du weißt, was dein Vater über dieses Wort gesagt hat. Was war denn daran lausig? Du hast ein ausgezeichnetes Lammkotelett bekommen. Ich bin bis in die Lexington Avenue gegangen, nur um-»

«Das Lammkotelett war schon recht, aber Charlene atmet mich immer an, wenn sie etwas auf den Tisch stellt. Sie atmet auf das Essen und alles. Einfach überallhin.»

«Gut, aber dann schlaf jetzt. Gib mir einen Kuß. Hast du gebetet?»

«Schon im Badezimmer. Gut Nacht.»

«Gute Nacht. Schlaf jetzt aber gleich. Ich hab furchtbares Kopfweh», sagte meine Mutter. Sie hat wirklich sehr oft Kopfweh.

«Nimm ein paar Aspirin», sagte Phoebe. «Holden kommt doch am Mittwoch heim, nicht?»

«Soviel ich weiß. Schnell unter die Decke. Ganz hinunter.»

Ich hörte, wie meine Mutter hinausging und die Tür zumachte. Danach wartete ich noch ein paar Minuten. Dann kam ich aus dem Schrank. Ich prallte mitten auf Phoebe, weil sie im Dunkeln aus dem Bett gekommen war, um mich zu holen. «Hab ich dir weh getan?» fragte ich. Wir durften jetzt nur noch flüstern. «Ich muß weiter», sagte ich. Ich tastete mich im Dunkeln zum Bett, setzte mich wieder auf den Rand und fing an, meine Schuhe anzuziehen. Ich war ziemlich nervös, muß ich sagen.

«Geh noch nicht jetzt», flüsterte Phoebe. «Wart noch, bis sie schlafen!»

«Nein, jetzt ist es am besten», sagte ich. «Jetzt ist sie im Badezimmer, und der Vater hört wohl die Nachrichten oder was. Jetzt geht es am besten.» Ich war so verdammt nervös, daß ich mir kaum die Schuhe zuschnüren konnte. Sie hätten mich zwar

nicht umgebracht, wenn sie mich zu Hause erwischt hätten, aber es wäre doch sehr unangenehm gewesen. «Wo zum Teufel steckst du denn?» fragte ich.

Ich konnte sie im Dunkeln nicht sehen.

«Hier.» Sie stand ganz nah bei mir.

«Meine verdammten Koffer sind noch am Bahnhof», sagte ich. «Hör, hast du wohl etwas Geld, Phoebe? Ich bin sozusagen bankrott.»

«Nur das für Weihnachten. Für die Geschenke und so. Ich hab noch gar keine gekauft.»

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