Noch war die Kirche nicht mächtig genug, ihre Forderung der Unauflöslichkeit einer kirchlich geschlossenen Ehe überall durchzusetzen; vornehme Römer und vollends Germanen verstießen noch häufig in voller Willkür ihre Frauen. Und wenn gar ein König aus Gründen des Staatswohls und ohne Einspruch der Gattin das Gleiche beschloß, erhob sich kein Widerstand. -
Aus der Kirche ging der Zug nach dem Palast, in dessen Hallen und Gärten ein großes Festmahl gerüstet war.
Das ganze Gotenheer und die ganze Bevölkerung der Stadt fand hier, dann auf der Fora des Herkules und des Honorins und in den nächsten Straßen und Kanälen auf Schiffen, an tausend Tischen reiche Bewirtung, während die Großen des Reiches und die Vornehmen der Stadt mit dem Königspaar in der Gartenrotunde oder in der weiten Trinkhalle, die Theoderich hatte in dem römischen Palast anbringen lassen, tafelten.
So wenig die Lage des Landes und des Königs Stimmung zu rauschenden Festen passen mochten - es galt, die Ravennaten mit den Goten und die verschiedenen Parteien der Goten unter sich zu versöhnen; und man hoffte, in Strömen des Festweins die letzten feindseligen Erinnerungen hinwegzuspülen.
Am besten übersah man den Königstisch und die festlichen Tafeln, die sich über den weiten Garten und Park verteilten, von dem zum Brautgemach Mataswinthens bestimmten kleinen Gelaß, dessen einziges Fenster auf die Rotunde vor dem Garten und, über den Garten hin, bis auf das Meer ausblicken ließ.
In diesem Gemach drei Tage zuvor schon schmückend zu schalten und zu walten, hatte sich Aspa, die Numiderin, als Lohn treuer Dienste ausgebeten. «Denn diese ernsten, finstern Römer wissen ebensowenig wie die rauhen Goten, dem schönsten Weib der Erde das Brautbett zu bereiten: in Afrika, im Land der Wunder, lernt man das.»
Und wohl war ihr's gelungen, wenn auch im Sinn der schwülen, phantastischen Üppigkeit ihrer Heimat. Sie hatte das enge und niedre Gemach wie zu einem kleinen Zauberkistchen umgeschaffen! Wände und Decke waren von glänzend weißen Marmorplatten gefügt.
Aber Aspa hatte den ganzen Raum mit drei- und vierfach aufeinandergelegten Gehängen von dunkelroter Seide verhüllt, die in schweren Falten von den Wänden niederfloß, sich über die Getäfeldecke wie ein Rundbogen wölbte und den Marmorbogen so dicht verhüllte, daß jeder Tritt lautlos drüber hinglitt und alles Geräusch sich im Entstehen brach. Nur an der Fensterbrüstung sah man den schimmernd weißen Marmor sich prachtvoll von der Glut der Seide heben.
Das Fenster von weißem Frauenglas war mit einem Vorhang von mattgelber Seide verhangen, und alles Licht in dem kleinem Raum strömte aus von einer Ampel, die von der Mitte der Decke aus niederhing: eine Silbertaube mit goldnen Flügeln schwebte aus einem Füllhorn von Blumengewinden, in den Füßen trug sie eine flache Schale aus einem einzigen großen Karneol, der, ein Geschenk des Vandalenkönigs, in den aurassischen Bergen gefunden, als ein seltenes Wunder galt.
Und in dieser Schale glühte ein rotes Flämmchen, genährt von stark duftendem Zedernöl. Ein gebrochenes, träumerisches Dämmerlicht ergoß sich von hier aus über das phantastische Doppelpfühl, das, halb von Blumen verschüttet, darunterstand. Aspa hatte sich das bräutliche Lager als die aufgeschlagenen Schalen einer Muschel gedacht, die an der inneren Seite zusammenhängen, zwei ovale, muschelförmige Klinen von Citrusholz erhoben sich nur wenig von dem Teppich des Bodens. Über die weißen Kissen und Teppiche hin war eine Linnendecke von orangegoldnem Glanz gegossen.
Aber der eigenste Schmuck des Gelasses war die Fülle von Blumen, welche die Hand der Numiderin mit poesiereichem, wenn auch phantastischem Geschmack über das ganze Gemach verstreut und über die Wände, Decken, Vorhänge, die Türe und das Lager verteilt hatte.
Ein Bogen von starkduftigen Geißblattranken überwölbte laubenartig die einzige Türe, den schmalen Eingang. Zwei mächtige Rosenbäume standen zu Häupten des Lagers und streuten ihre roten und weißen Blüten auf die Teppiche. Die Ampel hing, wie erwähnt, aus einem kunstvoll gewundnen Füllhorn von Blumen herab. Und überall sonst, wo eine Falte, eine Biegung der Teppiche das Auge zu verweilen lud, hatte Aspa eine seltene Blume glücklich angeschmiegt. Der Lorbeer und der Oleander Italiens, die sizilische Myrte, das schöne Rhododendron der Alpen und die glühenden Iriaceen Afrikas mit ihren reichen Kelchen: alle lauschten je am gelegensten Ort und doch, wie es schien, vom Zufall hingeworfen. -
Schon standen die Sterne am Himmel.
Es dämmerte draußen: im Gemach hatte Aspa die Flamme in der veilchendunkeln Schale entzündet und war nur noch beschäftigt, hier und da eine Falte zu glätten, indes sie eine römische Sklavin anwies, in den Silberkrügen auf dem Bronzekredenztisch den Palmwein mit Schnee zu kühlen, eine andre, das Gemach mit Balsam zu durchsprengen.
«Reichlicher die Narden, reichlicher die Myrrhen gesprengt! So!» rief Aspa, eine volle Libation über das Lager spritzend.
«Laß ab», mahnte die Römerin, «es ist zu viel! Schon der Duft der Blumen betäubt. Die Rose und das Geißblatt berauschen fast die Sinne: mir würde schwindeln hier.»
«Ah», lachte Aspa, «wie singt der Dichter: <Nüchternen nimmer nahet das Glück: nur in seligem Rausche.) Laß uns jetzt das Fenster schließen.» - «Nur ein wenig noch laß mich lauschen», bat eine dritte junge Sklavin, die dort lehnte. «Es ist schön! Komm, Frithilo», sprach sie zu einer gotischen Magd, die neben ihr stand, «du kennst ja all die stolzen Männer und Frauen. Sage, wer ist der zur Linken der Königin mit dem goldnen Schuppenpanzer? Er trinkt dem König zu.»
«Herzog Guntharis von Tuscien, der Wölsung. Sein Bruder, Graf Arahad von Asta... wo mag der sein zu dieser Stunde?»
«Und der Alte neben dem König, mit dem grauen Bart?»
«Das ist der Graf Grippa, der die Goten in Ravenna befehligt. Er spricht die Fürstin an. Wie sie lacht und errötet! Nie war sie so schön.» - «Ja, aber auch der Bräutigam - welch herrlicher Mann! Der Kopf des Mars, der Nacken des Neptun. Aber er sieht nicht fröhlich - vorhin starrte er lange sprachlos in seinen Becher und furchte die Stirn - die Königin sah es - bis der alte Hildebrand, gegenüber, ihm zurief. Da sah er seufzend auf. Was hat der Mann zu seufzen neben diesem Götterweib?»
«Nun», sprach die Gotin, «er hat dann doch nicht ein steinern Herz. Er denkt dann vielleicht an die, die sein rechtes Weib vor Gott und Menschen, die er verstoßen.»
«Was? Wie? Was sagst du?» riefen die drei Sklavinnen zugleich. Aber urplötzlich fuhr Aspa zwischen die Mädchen: «Willst du wohl schweigen mit dem dummen Gerede, Barbarin! Mach', daß du fortkommst! Ein solches Wort: eine Silbe, daß es die Königin hört, und du sollst der Afrikanerin gedenken.»
Frithilo wollte erwidern. «Still», rief eine der Römerinnen.
«Die Königin bricht auf.» - «Sie wird hier heraufkommen.» -«Der König bleibt noch.» - «Nur die Frauen folgen ihr.» - «Sie geben ihr das Geleit bis hierher», sprach Aspa. «Gleich kann sie hier sein: bereitet euch sie zu empfangen.»
Bald nahte der Zug, von Fackelträgern und Flötenbläsern eröffnet. Darauf eine Auswahl der gotischen Edelfrauen: neben Mataswintha, der Braut oder jungen Frau, schritt Theudigotho, die Gattin Herzogs Gunthar's, und Hildiko, die Tochter Grippas. Die vornehmen Frauen von Ravenna schlossen den Zug.
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