An der Schwelle der Brautkammer verabschiedete Mataswintha ihr Gefolge, an die jungen Mädchen ihren Schleier, an die Frauen ihren Gürtel verschenkend.
Die meisten zogen sich wieder zu dem Fest in den Garten, andre nach Hause zurück. Sechs Gotinnen aber, drei Frauen und drei Jungfrauen, ließen sich als Ehrenwache vor der Tür des Brautgemaches nieder, wo Teppiche für sie bereitet lagen. Dort hatten sie mit einer gleichen Zahl gotischer Männer, die den Bräutigam geleiteten, die Nacht zu verbringen: so wollt es die gotische Sitte.
Mataswintha überschritt die Schwelle mit einem Ausruf des Staunens. «Aspa», rief sie, «das hast du schön gemacht -zauberisch!»
Die Afrikanerin kreuzte selig die Arme über die Brust und beugte den Nacken. Sie an sich ziehend, flüsterte die Braut:
«Du kanntest mein Herz und seine Träume! Aber», fuhr sie aufatmend fort, «wie schwül! Deine glühenden Blumen berauschen.»
«In Glut und Rausch nahen die Götter!» sprach Aspa.
«Wie schön jene Violen, und dort die Purpurlilie; mir ist, die Göttin Flora flog durchs Zimmer und dachte einen Liebestraum und verlor darüber ihre schönsten Blumen. Es ist ein ahnungsvolles Wunder, das ich hier erlebe. Es durchrieselt mich heiß. Es ist schwül. Nehmt mir den schweren Prunk ab.» Und
sie nahm die goldne Krone aus dem Haar.
Aspa strich ihr die vollen, dunkelroten Flechten hinter das feine Ohr und zog die goldne Nadel heraus, die sie am Hinterkopf zusammenhielt: frei wallte das Haar in den Nacken. Die andern Sklavinnen lösten die Spange, die in Gestalt einer geringelten Schlange den schweren Purpurmantel mit seinen reichen Goldstreifen auf der linken Schulter zusammenhielt. Der Mantel fiel und zeigte die edle, hochschlanke Gestalt der Jungfrau in dem ärmellosen, wallenden Unterkleid von weißer, persischer Seide. Ihre schimmernden Arme umzirkten zwei breite, goldne Armreife: Erbstücke aus dem alten Schatz der Amalungen, grüne Schlangen von Smaragden waren darin eingelegt.
Mit Entzücken schaute Aspa auf die Gebieterin, wie diese vor den in den Marmor eingelassenen Metallspiegel trat, das lose Haar mit goldnem Kamm zu schlichten.
«Wie schön du bist! Wie zauberschön! - Wie Astraroth, die Liebesgöttin - nie warst du so schön, wie in dieser Stunde.» Mataswintha warf einen raschen Blick in den Spiegel. Sie sah, noch mehr, sie fühlte, daß Aspa recht hatte, und sie errötete.
«Geht», sagte sie, «laßt mich allein mit meinem Glück.» - Die Sklavinnen gehorchten. Mataswintha eilte ans Fenster, das sie rasch öffnete, wie um ihren Gedanken zu entfliehen. Ihr erster Blick fiel auf Witichis, der unten vom Schein der Hängelampen im Garten voll beleuchtet war.
«Er! Wieder er. Wohin entflieh' ich vor ihm, dem süßen Tod?»
Sie wandte sich rasch: da an der Wand, gerade dem Fenster gegenüber glänzte im Ampellicht eine weiße Marmorbüste. Sie kannte sie wohl: Aspa hatte den Areskopf nicht vergessen, den treuen Begleiter lang harrender Sehnsucht. Heute aber schlang sich ein Kranz von weißen und roten Rosen um sein Haar. «Und wieder du!» flüsterte die Braut, süß erschrocken, und legte die weiße Hand vor die Augen. «Und schließ' ich die Augen und wend' ich sie nach innen, so seh' ich wieder ein Bild, sein Bild allein im tiefsten Herzen. Ich werde noch untergehn in diesem Bilde! Ach, und ich will's!» rief sie, die Hand fallen lassend und dicht vor die Büste tretend: «ich will's! Wie oft, mein Ares, wann der Abend kam, hab' ich zu dir aufgeblickt, wie zu meinem Stern, bis Frieden und Ruhe aus deinen klaren, großen Zügen drang in die schwanke Seele. Wie wunderbar hat dieses Ahnen, dieses Sehnen, dieses Hoffen sich erfüllt! Wie er einst dem weinenden Kinde die Tränen getrocknet und die Ratlose nach Hause geführt, so wird er auch jetzt all mein Klagen stillen und mir die wahre Heimat bauen in seinem Herzen. Und durch all diese öden Jahre, durch all die letzten Monate voll Gefahr und Angst trug ich in mir das sichere Gefühl: <Es wird! Dir wird geschehen, wie du glaubst! Dein Retter kommt und birgt dich sicher an der starken Brust.) Und, o Gnade, unaussprechliche reiche Gnade des Himmels: es ward. Ich bin sein! Dank, glühenden, seligen Dank, wer immer du bist, beglückende Macht, die über den Sternen die Bahn der Menschen lenkt mit weiser, mit liebender, mit wunderbar segnender Hand. Oh, ich will's verdienen, dieses Glück. Er soll im Himmel wandeln. Sie sagen, ich bin schön; ich weiß es, daß ich's bin, ich weiß es ja durch ihn - ich will's für ihn sein. Laß mir, Himmel, diese Schöne. Sie sagen: ich habe einen mächtigen, schwungvollen Geist. Oh, gib ihm Flügel, Gott, daß ich seiner Heldenseele folgen kann in alle Sonnenhöhen. Aber, o Gott, laß mich auch abtun meine Fehler, den spröden, stolzen, leicht gereizten Sinn, den Trotz des zornigen Eigenwillens, den unbändigen Drang nach Freiheit... Oh, fort damit: beuge dich, beuge dich, hochmütiger Geist; ihm sich zu beugen ist edelster Ruhm. Gib dich gebunden, Herz, und verloren auf ewig an ihn, deinen starken und herrlichen Herrn. O Witichis», rief sie und sank fortgerissen vom Gefühl halb aufs Knie, sich an das Lager lehnend und zu der Büste aufblickend mit schwimmenden
Augen - «ich bin dein. Tu, wie du willst mit meiner Seele! Vernichte sie! Nur gesteh, daß du glücklich durch mich.»
Und sie beugte das schöne Haupt vor, nach den gefalteten Händen.
Doch plötzlich fuhr sie empor. Licht, helles Licht floß ins Gemach. An der offenen Türe stand der König: draußen auf dem Gang zeigten sich zahlreiche Goten und Ravennaten mit hellen Fackeln.
«Dank, meine Freunde», sprach der König mit ernster Stimme. «Dank, für das Festgeleit. Geht nun und vollendet die Nacht», und er wollte die Türe schließen.
«Halt», sprach Hildebrand, mit der Hand die Türe wieder öffnend, so daß Mataswintha sichtbar ward, «hier seht ihr, alles Volk: der Mann und das Weib, die heut' wir vermählt, sind glücklich geeint im Ehegemach. Ihr sehet Witichis und Mataswintha und ihren ersten ehelichen Kuß.»
Mataswintha erbebte. Sie wankte und schlug erglühend die Augen nieder.
Unschlüssig stand der König in der Tür. «Du kennst der Goten Brauch», sprach Hildebrand laut, «so tu danach.»
Da wandte sich Witichis rasch, ergriff die zitternde Linke Mataswinthens, führte sie schnell einen Schritt vorwärts und berührte mit den Lippen ihre Stirn. Mataswintha zuckte.
«Heil euch!» rief Hildebrand. «Wir haben gesehen den bräutlichen Kuß. Wir bezeugen hinfort den ehelichen Bund! Heil König Witichis und seinem schönen Weib, der Königin Mataswintha.»
Der Zug wiederholte den Ruf, und Hildebrand, Graf Grippa, Herzog Guntharis, Hildebad, Aligern und der tapfere Bandalarius (Bannerträger) des Königs, Graf Wisand von Volsinii, lagerten sich neben den sechs Frauen und Mädchen vor der Türe des Brautgemachs, welche Witichis nun schloß.
Sie waren allein.
Witichis warf einen langen, prüfenden Blick durch das Gemach. Das erste, was Mataswintha tat, war - sein Kuß brannte auf ihrer Stirn -, daß sie unwillkürlich so weit als möglich von ihm hinwegglitt. So war sie - sie wußte nicht wie - in die fernste Ecke des Zimmers, an das Fernster, gelangt. Witichis mochte es bemerken. Er stand hart an der Schwelle, die Hände auf das mächtige, breite und fast brusthohe Schwert gestützt, das er, aus dem Wehrgehäng genommen, in der Scheide, wie einen Stab in der Rechten führte.
Mit einem Seufzer trat er einen Schritt vor, das Auge ruhig auf Mataswintha
Вы читаете Ein Kampf um Rom