Dämon, Herr im Palast ist, hat's ein gefährlich Ansehn. Alle Tage besucht er ihn selbst im Kerker.
Und spricht lang und eifrig und drohend in ihn hinein. Ich habe oft im Gang gelauscht. Er muß aber wenig ausrichten. Denn der Herr gibt ihm, glaub' ich, gar keine Antwort. Und wenn der Präfekt herauskommt, blickt er so finster wie - wie der König der Schatten. Und seit sechs Tagen erhalte ich keinen Wein und keine Speisen für ihn als ein kleines Stück Brot. Und die Luft da unten ist so moderdumpf wie im Grabe.»
Rauthgundis seufzte tief
«Und gestern, als der Präfekt herauf kam - er sah grimmiger als je darein - da fragte er mich... -»
«Nun? Sprich es aus, was es auch sei!»
«Ob die Foltergeräte in Ordnung seien.» Rauthgundis erbleichte, aber sie schwieg. «Der Neiding!» rief Wachis, «was hast du» - «Sorget nicht, eine Weile hat's noch gute Wege.
<Clarissime>, antwortete ich - und es ist die reine Wahrheit -die Schrauben und die Zangen, die Gewichte und die Stacheln und das ganze saubere Qualzeug liegt in schönster Ordnung alles beisammen.' - <Wo?> fragte er. <Im tiefen Meer. Ich selbst hab' es, schon auf König Theoderichs Befehl, hineingeworfene Denn wisset, Frau Rauthgundis: euer Herr hat einmal, da er noch einfacher Graf war, mich gerettet, da die Geräte an mir selbst versucht werden sollten. Da wurde auf sein Bitten das Foltern völlig abgetan: ich schulde ihm mein Leben und meine heilen Glieder. Und darum wag' ich mit Freuden meinen Hals für ihn. Und will auch, wenn's nicht anders geht, gern diese Stadt mit euch verlassen. Aber lange dürfen wir nicht säumen. Denn der Präfekt bedarf nicht meiner Zangen und Schrauben, wenn er einem das Mark aus dem Leibe quälen will. Ich fürcht' ihn wie den Teufel.»
«Ich haß' ihn wie die Lüge», sagte Rauthgundis grimmig.
«Darum müssen wir rasch sein, eh' er seine schwarzen Gedanken vollführen kann. Denn er sinnt Arges gegen den guten König. Ich weiß nicht, was er noch weiter von dem armen Gefangenen will. Also hört und merkt euch meinen Plan. In der dritten Nacht, da mein Paulus die Wache hat, wann ich ihm den Nachttrunk bringe, schließe ich ihm die Ketten los, werfe ihm meinen Mantel über und führe ihn aus dem Kerker und dem Gang in den Hof.
Von da kommt er ungehindert bis an das Tor des Palastes, wo ihn die Torwache um die Losung fragt. Diese werd' ich ihm sagen.
Ist er auf der Straße, dann rasch an den Turm des Aetius, wo ihn mein Paulus die Mauerlücke passieren läßt. Draußen im Pinienwald, im Hain der Diana, wenige Schritte vor dem Tore, wartet Wachis auf ihn, der ihn auf Wallada hebt. Begleiten aber darf ihn niemand. Auch du nicht, Rauthgundis. Er flieht am sichersten allein.»
«Was liegt an mir! Frei soll er sein, nicht noch einmal an mich gebunden. Du nennst meinen Namen gar nicht. Ich hab' ihm nur Unglück gebracht. Ich will ihn nur noch einmal sehen, von
diesem Fenster aus, wenn er in die Freiheit tritt.»
*
Der Präfekt sonnte sich in diesen Tagen im Vollgefühle der Macht.
Er war Statthalter von Italien: in allen Städten wurden auf seine Anordnung die Befestigungen geflickt und verstärkt, die Bürger an die Waffen gewöhnt. Die Vertreter von Byzanz vermochten ihm in keiner Weise Gegengewicht zu halten. Ihre Heerführer hatten kein Glück, die Belagerungen von Tarvisium, Verona und Ticinum machten keine Fortschritte.
Und mit Vergnügen vernahm Cethegus, daß Hildebad, dessen Schar sich durch Zulauf unterwegs auf etwa sechshundert erhöht, Acacius, der ihn mit tausend Perser-Reitern eingeholt und angegriffen, blutig zurückgeschlagen hatte. Eine starke Abteilung von Byzantinern aber, die ihm von Mantua aus entgegenrückte, verlegte ihm alle Wege - er wollte nach Tarvisium zu Totila - und nötigte ihn, sich in das noch von den Goten unter Thorismut besetzte Kastell von Castra Nova zu werfen. Hier hielten ihn die Byzantiner eingeschlossen, vermochten aber nicht, den festen Bau zu nehmen, und schon sah der Präfekt die Stunde kommen, da ihn Acacius zu Hilfe rufen würde, den Goten, der ihm dann nicht mehr entrinnen konnte, zu vernichten.
Es freute ihn, daß die Kriegsmacht von Byzanz seit Belisars Entfernung sich offen vor ganz Italien als unfähig erwies, den letzten Widerstand der Goten zu brechen. Und die Härte der byzantinischen Finanzverwaltung, die Belisar überall, wo er einzog, mit sich führen mußte - er konnte die auf Befehl des Kaisers geübte Aussaugung nicht hindern -, erweckte oder steigerte in den Städten und auf dem flachen Lande die
Abneigung gegen die Oströmer. Cethegus hütete sich wohl, wie Belisar getan, den ärgsten Übergriffen der Beamten Justinians zu wehren. Er sah es mit Freude, daß in Neapolis, in Rom wiederholt das Volk gegen die Bedrücker in offnem Aufruhr emporloderte.
Waren die Goten vollends vernichtet, der Byzantiner Macht verächtlich, ihre Tyrannei verhaßt genug geworden, dann konnte Italien aufgerufen werden, frei zu sein, und der Befreier, der Beherrscher hieß Cethegus.
Dabei verließ ihn nur die eine Besorgnis nicht - denn er war fern von Unterschätzung seiner Feinde -, der Gotenkrieg, dessen letzte Funken noch nicht ausgetreten, könne nochmal aufflammen, geschürt durch die Entrüstung des Volkes über den geübten Verrat.
Schwer fiel dem Präfekten ins Gewicht, daß die tiefstgehaßten Führer der Goten, daß Totila und Teja nicht mit im Netze zu Ravenna waren gefangen worden. Um der Gefahr jener begeisterten Volkserhebung zuvorzukommen, trachtete er so eifrig, dem gefangenen Gotenkönig die Erklärung zu entreißen, er habe sich und die Stadt zuletzt ohne Hoffnung und Bedingung unterworfen, und er fordre die Seinen auf, den aussichtslosen Widerstand aufzugeben.
Und auch das Kastell, in welchem der Kriegsschatz Theoderichs geborgen lag, sollte ihm sein Gefangener angeben. In jener Zeit war ein solcher, schon um fremde Fürsten und Söldner zu gewinnen und anzuziehen, von höchster Bedeutung. Verloren ihn die Goten, so verloren sie die letzte Hoffnung, ihre geschwächte Kraft durch fremde Waffen zu ergänzen. Und viel lag dem Präfekten daran, jenen als unermeßlich reich von der Sage gepriesenen Hort nicht in die Hände der Byzantiner fallen zu lassen, deren Geldnot und daher verursachte Tyrannei ein wichtiger Bundesgenosse seiner Pläne war: sondern ihn sich selbst zu sichern - auch seine Mittel waren ja nicht unerschöpflich.
Aber all sein Bemühen schien an der Unerschütterlichkeit seines Gefangenen zu scheitern.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Die Maßregeln zur Befreiung des Königs waren getroffen.
Rauthgundis war mit Wachis hinausgegangen, sich das Walddickicht genau einzuprägen, wo der treue Freigelassene mit dem treuen Roß Dietrichs von Bern ihrer warten sollte.
Und mit der Ruhe, welche die Vollendung aller Vorbereitungen starkem Sinn gewährt, war die Gotin nach der Wohnung des Kerkermeisters zurückgekehrt. Aber sie erbleichte, als dieser ihr wie verzweifelt entgegenstürzte und sie über die Schwelle in das Gemach zog. Dort warf er sich vor ihr nieder, schlug die Brust mit den Fäusten und raufte sein graues Haar. Lange fand er keine Worte.
«Rede», gebot Rauthgundis und preßte die Hand auf das wild pochende Herz,
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