Rednerbühne hinan. «Ein Herold der Goten! Ich kam zu spät, ihn wieder, wie sonst, abzuweisen. Die verhungernden Legionäre am tiburtinischen Tor ließen ihn herein.»
«Nieder mit ihm! Er darf nicht reden», sprach Cethegus, sprang die Tribüne herab und zog das Schwert.
Aber die Menge erriet ihn. Jubelnd, schützend umdrängte sie den Herold. «Friede! Heil! Brot!» - «Friede! Hört den Herold!»
«Nein, hört ihn nicht», donnerte Cethegus. «Wer ist Präfekt von Rom? Wer verteidigt diese Stadt? Ich: Cornelius Cethegus Caesarius. Und ich sage: hört ihn nicht.»
Und mit dem Schwert warf er sich vorwärts.
Aber dicht, wie ein Bienenschwarm, geballt, hemmten Weiber und Greise seinen Weg, während die Bewaffneten den Herold schützend umwogten.
«Sprich, Bote, was bringst du?» forschten sie.
«Frieden und Erlösung», rief Thorismut und schwenkte seinen weißen Stab. «Totila, der Italier und der Goten König, entbietet euch Huld und Gruß und fordert freies Geleit, euch Wichtiges zu künden und den Frieden.»
«Heil ihm!» - «Hört ihn!» - «Er soll kommen!»
Cethegus war eilig zu Pferd gestiegen und ließ seine Tubabläser die Schlachtfanfare schmettern.
Da wurde es still auf dem Forum.
«Höre, Herold: ich, der Befehlshaber dieser Stadt, verweigere das Geleit. Jeden Goten, der die Stadt betritt, werd' ich als Feind behandeln.»
Aber da erscholl tausendstimmiges Geschrei der Wut.
Ein Bürger erklomm die Rednertribüne. «Cornelius Cethegus,
bist du unser Tyrann oder unser Beamter? Wir sind frei. Und oft hast du's gerühmt: das Höchste ist in Rom des römischen Volkes Majestät. Wohlan, das römische Volk befiehlt, den König zu hören. Befiehlst du das nicht, Volk von Rom?» -
«Wir wollen es!» - «Es ist Gesetz», brüllten die Quinten. «Hast du's vernommen? Willst du dem Volk von Rom gehorchen oder trotzen?»
Cethegus stieß das Schwert in die Scheide. Thorismut sprengte davon, seinen König zu holen.
Der Präfekt winkte die jungen Tribunen an sich heran.
«Lucius Licinius», befahl er, «aufs Kapitol. Salvius Julianus, du deckst den untern, den Balkenstromriegel. Quintus Piso, du deckst den oberen, den Kettenriegel. Marcus Licinius, du hältst die Schanze, die den Aufgang vom Forum zum kapitolinischen Hügel und mein Haus beschützt. Der Rest der Söldner schart sich dicht hinter mir.»
«Was willst du, Feldherr?» fragte Lucius Licinius, ehe er davoneilte.
«Die Barbaren überfallen und verderben.»
Es waren etwa noch fünfzig Reiter und hundert Lanzenträger, die nach Entsendung der Tribunen hinter dem Präfekten hielten.
Nach kurzer banger Spannung schmetterte das gotische Heerhorn die heilige Straße herauf.
Und von dorther bogen auf das Forum ein Thorismut und sechs Hornbläser, Wisand, der Bandalarius, mit der blauen Königsfahne der Goten, der König zwischen Herzog Guntharis und Graf Teja und noch etwa zehn Heerführer und Reiter, fast alle ohne Waffen: nur Teja zeigte deutlich das breite, gefürchtete Beil.
Als eben der Zug sich aus dem Lager der Goten in Bewegung gesetzt hatte, durchs metronische Tor in die Stadt zu reiten, fühlte sich Herzog Guntharis am Mantel gefaßt: er sah neben seinem Pferd einen Knaben oder Jüngling mit kurzkrausem, goldbraunem Haar und blauen Augen und einen Hirtenstock in der Hand.
«Bist du der König? Nein, du bist es nicht. Und jener dort? Das ist der tapfere Teja, der schwarze Graf, wie ihn die Lieder nennen.»
«Was willst du, Bursche, von dem König?»
«Ich will für ihn fechten unter seinen Heerleuten.»
«Du bist noch zu jung und zart. Geh und komm nach zwei Sommern wieder: und hüte derweilen die Ziegen.»
«Ich bin noch jung: aber nicht mehr schwach. Und Ziegen hab' ich mir genug gehütet. Ha, ich seh's: das ist der König.»
Und er trat vor Totila, neigte sich zierlich und sprach: «Mit Gunst, Herr König.» Und er langte nach des Pferdes Zügel, es zu führen: als müßte das alles so sein. Und der König sah mit Wohlgefallen auf ihn herab und lächelte ihm zu. Und der Knabe führte sein Pferd am Zaum.
Guntharis aber sprach vor sich hin: «Dieses Knaben Antlitz habe ich schon gesehen. Nein, er gleicht ihm nur, -: doch solche Ähnlichkeit sah ich noch nie: und wie adelig des jungen Hirten Haltung! »
«Heil König Totila! Frieden und Heil», jauchzte dem Gotenkönig das Volk entgegen.
Der junge Zügelführer aber sah empor in des Königs schimmervolles Antlitz und sang leise, doch mit silbertöniger Stimme, zu ihm hinauf:
«Zittre und zage, Zäher Cethegus: Nicht taugt dir die Tücke! Es trümmert den Trotz dir Teja, der Tapfere: Und taghell empor taucht, Wie Maiglanz und Morgen Aus Nacht und aus Nebel, Der leuchtende Liebling Des Himmelsherrn: Der schimmernd schöne, Der kühne König. Ihm öffnen sich alle Die Türme, die Tore, Die Hallen und Herzen: Ihm weicht, überwunden, Wut,
Winter und Weh.»
Auf den Wink von des Königs Hand trat Stille ein.
Aber diesen erwarteten Augenblick nutzte Cethegus.
Er trieb seinen Rappen vorwärts in die Volksmenge und rief: «Was willst du, Gote, in dieser meiner Stadt?»
Nach einem lodernden Blick wandte sich Totila von ihm ab: «Mit ihm red' ich nur mehr mit dem Schwert, dem sechsfachen Lügner, dem Mörder! Zu dir sprech' ich, unseliges, betörtes Volk von Rom. Der Schmerz um euch zerreißt mein Herz. Ich kam, euer Elend zu enden. Ohne Waffen bin ich gekommen. Denn besser als Schwert und Schild schützt mich des Römervolkes Ehre.»
Er hielt inne. Cethegus unterbrach ihn nicht mehr.
«Quiriten, wohl habt ihr selbst erkannt: längst konnt' ich mit meinen Tausenden euere Mauern stürmen.
Denn ihr habt nur noch Steine, keine Männer mehr darauf. Aber fiel Rom durch Sturm, ging Rom in Flammen auf. Und ich gesteh's: lieber will ich niemals Rom betreten als Rom zerstören. Ich will euch nicht vorhalten, wie ihr Theoderichs und der Goten Güte vergolten. Habt ihr die Tage vergessen, da ihr dankbar Münzen schlugt mit der Umschrift: <Roma felix>? Wahrlich, ihr seid genug gestraft. Schwerer gestraft durch Hunger und Pest und Byzanz und jenen Dämon, als euch jemals unsere strengste Strafe getroffen hätte. Mehr als achttausend Männer von euch, Weiber und Kinder ungezählt, sind erlegen. Eure verödeten Häuser stürzen ein. Gierig rafft ihr das Gras, das in euren Tempeln wächst. Hohläugig schleicht durch eure Gassen die Verzweiflung.
Menschenfleisch, der eignen Kinder Fleisch, haben hungernde Mütter, römische Mütter verspeist. Und bis heute konnte man euren Widerstand beklagen, aber bewundern.
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