Und über die fabricische Brücke, durch das carmentalische Tor gelangte der Präfekt an den Fuß des kapitolinischen Hügels auf das Forum romanum.

Leer sah der weite Raum aus: nicht gefüllt durch die paar tausend Menschen, die in elenden Kleidern auf den Stufen der Tempel und Hallen kauerten oder sich mühsam an Speeren und Stäben aufrecht hielten.

«Was will der Präfekt?» - «Was kann er noch wollen?»- «Wir haben nichts mehr als unser Leben.» - «Gerade das will er -» -«Wißt ihr schon? Vorgestern hat sich auch Centumcellä an der Küste den Goten ergeben.» - «Ja, die Bürger haben die Isaurier des Präfekten überwältigt und die Tore geöffnet.» - «Oh, könnten wir's nachtun.» - «Bald müssen wir's tun, sonst ist es zu spät.»

«Mein Bruder fiel gestern tot um, die gekochten Brennesseln noch im Munde: er konnte sie nicht mehr verschlingen.» - «Auf dem Forum Boarium ward gestern eine Maus in Gold aufgewogen. »

«Ich bezog heimlich eine Woche gebratenes Fleisch von einem Metzger - roh wollte er's nicht liefern... -» - «Sei froh! Sie stürmen ja das Haus, wo sie Bratendunst riechen -» - «Aber vorgestern ward er zerrissen vom Volk auf der Straße. Er hatte bettelnde Kinder in sein Haus gelockt - ihr Fleisch hatte er uns verkauft.» - «Der Gotenkönig aber, wißt ihr, wie der mit seinen Kriegsgefangenen umgeht?» - «Wie ein Vater mit seinen hilflosen Kindern.» - «Die meisten treten sofort in seine Dienste.» - «Ja, aber die, welche es nicht wollen, versieht er mit Reisegeld -» - «Ja, und mit Kleidern und Schuhen und Lebensmitteln.» - «Die Wunden und Kranken werden gepflegt.» - «Und er läßt sie durch Wegkundige bis an die Küstenstädte geleiten.» - «Auch die Überfahrt ins Ostreich auf

Kauffahrerschiffen hat er ihnen schon bezahlt.»

«Seht, da steigt der Präfekt von dem schwarzen Roß.» - «Wie Pluto sieht er aus.» - «Nicht Princeps senatus mehr, Princeps inferorum.»

«Seht - seinen Blick!» - «Kalt: und doch wie Flammenpfeile.» - «Ja, meine Muhme hat recht. So kann nur blicken, wer kein Herz mehr hat.» - «Das ist was Altes. Strigen und Lamien haben ihm nachts das Herz ausgefressen.» - «Was nicht gar! Es gibt gar keine Lamien. Aber den Teufel gibt es: denn der steht in der Bibel. Und er hat ein Bündnis mit ihm geschlossen. Der Numider, der dort sein schwarzes Roß am Zügel hält, ist der Bote der Hölle, der ihn überall begleitet. Keine Waffe kann dem Präfekten die Haut ritzen. Nicht Nachtwachen noch Hunger verspürt er. Aber er kann auch nie mehr lächeln. Denn er hat seine Seele der Hölle verpfändet.» - «Woher weißt du's?»

«Der Diakon von Sankt Paul hat's uns neulich alles gedeutet. Und Sünde ist es, einem solchen länger zu dienen. Hat er doch auch unsern Bischof Silverius dem Kaiser verraten und in Ketten übers Meer geschickt.»

«Und hat er doch neulich sechzig Priester, rechtgläubige und arianische, als des Verrats verdächtig aus der Stadt gewiesen.» -«Das ist wahr.» - «Er muß aber auch dem Teufel gelobt haben, alle Qualen über Rom und die Römer zu bringen.» - «Aber wir wollen's nicht mehr dulden.» - «Wir sind frei, er hat's uns oft gesagt. Ich will ihn fragen, mit welchem Recht...»

Aber mitten im Wort verstummte der tapfere Redner: - ein Blick des Präfekten hatte ihn getroffen, der im Emporsteigen zur Rednerbühne die kleine murrende Gruppe streifte.

«Quinten», hob er an, «ich rufe euch alle auf, Legionäre zu werden. Hunger und - schmählich zu sagen von römischen Männern! - Verrat lichten die Reihen unsrer Wachen. - Hört ihr die Hammerschläge? Ein Kreuz wird gezimmert für die Überläufer. - Noch größere Opfer fordert Rom von den Römern.

Denn ihr habt keine Wahl. Bürger anderer Städte mochten schwanken zwischen Übergabe und Untergang. Wir, erwachsen im Schatten des Kapitols, haben diese Wahl nicht. Hier gehn die Schauer von mehr als tausendjährigem Heldentum. Hier kann kein feiger Gedanke laut werden. Ihr könnt nicht wieder die Barbaren ihre Rosse binden sehen an die Säulen des Trajan. Eine letzte Anstrengung gilt es. Früh reift das Heldenmark in den Knaben des Romulus und Cäsar; spät weicht die Kraft aus den tibertrinkenden Männern. Ich rufe die Knaben vom zwölften, die Männer bis zum achtzigsten Jahre auf die Wälle. Still! Murrt nicht! Ich werde meine Tribunen mit den Lanzenträgern von Haus zu Haus gehen lassen: nur um zu hindern, daß nicht allzu zarte Knaben, allzu müde Greise zu den Waffen greifen. Was murrt ihr da drüben? Weiß jemand bessern Rat der Verteidigung? Er gebe ihn: laut, von diesem Platz herab, den ich ihm dann räumen werde.»

Da ward es still an der Stelle, wohin der Blick des Präfekten geblitzt.

Aber hinter ihm erhob sich, bei denen, die sein Auge nicht bändigen konnte, grollendes Gemurmel. «Brot!» - «Übergabe!» - «Friede!» - «Brot!»

Cethegus wandte sich. «Schämt ihr euch nicht? So viel habt ihr ertragen, eures Namens würdig. Und nun, da es noch kurze Zeit gilt, auszuharren, wollt ihr erlahmen? In wenigen Tagen bringt Belisar Entsatz.»

«Das hast du uns schon siebenmal gesagt.» - «Und nach dem siebenten Male verlor Belisar fast alle Schiffe.» - «Die helfen jetzt mit, unsern Hafen sperren.» - «Du sollst uns eine Frist, ein Ende setzen dieses Elends. Denn mich erbarmt es dieses Volks.»

«Wer bist du?» fragte Cethegus den unsichtbaren Redner. «Du kannst kein Römer sein.»

«Ich bin Pelagius der Diakon, ein Christ und ein Priester des Herrn. Und ich fürchte nicht die Menschen, sondern Gott. Der

König der Goten, obwohl ein Ketzer, soll versprochen haben, in allen Städten, die sich unterwerfen, die Kirchen, die seine Mitketzer, die Arianer, den Rechtgläubigen entrissen, zurückzugeben. Schon dreimal soll er Herolde an die Bürger Roms gesendet haben mit gütigsten Bedingungen - man hat sie nie zu uns sprechen lassen.»

«Schweig, Priester. Du hast kein Vaterland als den Himmel, keinen Staat als das Reich Gottes, kein Volk als die Gemeinde der Heiligen, kein Heer als die Engel. Bestelle du dein himmlisch Reich. Männern überlaß das Reich der Römer.»

«Aber der Mann Gottes hat recht.» - «Eine Frist!» - «Einen nahen Termin!» - «Bis dahin wollen wir noch ausharren.» -«Doch verläuft er ohne Entsatz -» - «Dann Übergabe!» - «Dann öffnen wir die Tore.»

Aber diesen Gedanken scheute Cethegus.

Wußte er doch, seit langen Wochen ohne alle Kunde von der Außenwelt, durchaus nicht, wann etwa Belisar vor der Tibermündung erscheinen konnte. «Wie?» rief er. «Soll ich euch eine Frist setzen, wie lang ihr noch Römer sein wollt und von wann ab Memmen und Sklaven? Die Ehre kennt keine Termine.»

«So sprichst du, weil du selbst nicht mehr an Entsatz glaubst.»

«So spreche ich, weil ich an Euch glaube.»

«Aber wir wollen es so. Wir alle. Hörst du? Du sprachst ja immer von der römischen Freiheit. Wohlan, sind wir frei oder dir verfallen, wie deine Söldner? Hörst du? Wir fordern einen Termin. Wir wollen es!» - «Wir wollen es!» wiederholte der Chor.

Da schollen, ehe Cethegus erwidern konnte, Tubarufe von der Südostecke des Forums her: von der sacra Via strömten Volk und Bewaffnete gemischt heran, in ihrer Mitte zwei Reiter in fremden Waffen.

Neuntes Kapitel

Lucius Licinius sprengte ihnen allen voraus, sprang ab und flog die

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