«Warte nur. Vielleicht erlebst du ihn. Dann brauchst du ihn nicht zu erdichten. Übrigens zog ich schon am Morgen nach jener Siegesnacht in des Präfekten Haus zur Verfolgung der flüchtigen Legionäre aus. Ich weiß daher gar nicht, wie alles kam. Erzähle mir.»
Zweites Kapitel
«Nun, so höre. Nachdem ich den Präfekten nicht am Tiber und nicht am Kapitol gefunden, suchte ich ihn mit dir an seinem Herd. Und fand nur seines Blutes Spur und sein Schwert. Als du aber seinen Götzen zertrümmert und sein Haus verbrannt und alles zusammenbrach, bis in die Kellergewölbe, da fand ich, nachspürend, in dem Gebälk unter dem Sockel der Marmorstatue abermals einen hohlen Raum: mit Gold, Gestein und allerlei Geschreibsel angefüllt.
Ich brachte das Ganze auf einem breiten Schild dem König. Und der ließ seine Buchleser darin forschen und wühlen und las selbst darin. Und rief plötzlich: <Also Alarich, der Balte, unschuldig!) Und tags darauf, da ich zu einem Königsherold auserkoren, war mein erst Geschäft, umherzureisen in den Straßen Roms, auf weißem Roß, mit dem goldnen Heroldsstab, und auszurufen unter allen Goten und Römern:
<Adalgoth, des Königs Herold, ruft! Gefunden ward in des Expräfekten Haus, durch Adalgoths, des Hirtenknaben Hand, Beweis und Schrift, daß Herzog Alarich, der Balte, der vor zwanzig Jahren um Hochverrat zum Tode verurteilt ward, unschuldig war.)»
«Wie ward das entdeckt?»
«Cethegus hatte in Geheimschrift, die König Totila entziffern ließ, selbst in seinem Tagebuch verzeichnet, daß er den Verhaßten durch Briefe, die er in des getäuschten Königs Hand spielte, den Balten des Hochverrats verdächtigt. Der Stolze, Hochgemute reizte dann durch Trotz den Amaler und verschwand zuletzt plötzlich aus dem Kerker, niemand wußte, wie und wohin. Und weiter hatt' ich auszurufen in den Straßen: <Unschuldig ist Alarich, der Balte. Sein Eigen, das der Staat eingezogen, wird ihm zurückgestellt. Ihm oder seinem echten Erben. Das Herzogtum, das er geführt, das Herzogtum Apulia, wird ihm zurückgegeben. Ihm oder seinem echten Erben. Es melde sich laut an des Königs Thron Herzog Alarich oder sein echter Erbe. Gold und Gabe, Echt und Eigen, Vieh und Fahrnis, Wagen und Waffen, Geschmuck und Geschmeide, Äcker und Erbe, Rinder und Rosse und das reiche apulische Herzogtum, es werde dem Balten, dem Balten-Erben. Wo ist Alarich? Wo sein Erbe? >
Und wie ich zogen die Königsherolde durch alle Straßen und Städte Italiens, rufend und forschend nach Herzog Alarich, dem Balten, und seinem echten Erben. Und weißt du: es wäre doch wunderschön, wenn sie den verschollnen, landflüchtigen, alten Mann irgendwo fänden und wir ihn wieder mit Glanz und Ehren einführten in sein schönes Herzogtum.»
«Und da er dem Hirtenknaben die Rettung seiner Ehre, seines Rechts verdankt, - dürfte er ihm wohl schenken ein schönes Schloß, etwa am blauen Meer, am Berge Carganus, nicht wahr, unter Lorbeer und Myrten?»
«Nein, daran hab' ich noch nicht gedacht.»
«Aber schwerlich lebt er noch, der alte Herzog.»
«Nun, dann finden wir vielleicht den jungen. Herzog Guntharis sagte mir, er habe den hohen Baltenhelden noch wohl gekannt: der sei mit einem Knäblein in das Elend gegangen. Und obwohl sein Haus, die Wölsungen, mit den Balten erblichen Hader hegte, müsse er doch sagen: er habe nie an die Schuld des stolzen Mannes geglaubt, der ein Hauptfeind der Welschen war und ihnen lang ein Dorn im Auge. Und nie habe er ein schöner Kind gesehen, als jenes vierjährige Knäblein.
Ich muß nun immer nachdenken: wo der wohl hingekommen sein mag? Und wie der staunende Augen machen wird, wenn er, der vielleicht in irgendeiner kleinen Stadt sich verborgen hält, unter falschem Namen, - denn die Verbannung traf bei Todesstrafe das ganze Geschlecht - wenn der den Königsherold durch die Straßen seine Berufung zum goldnen Reif des Herzogs von Apulien künden hört. Das gäbe gar einen schönen Schluß zu einer <Baltensage> oder <Landflüchterlied>. Was meinst du? <Das Lied vom landverbannten Herzogssohn>: es klingt nicht übel!»
«Bei dir klingen alle Lieder glücklich aus!»
«Nun aber sage mir noch den Anfang des andren Gesanges, den du selbst, erwacht von jenem Traumgesicht, gesetzt.»
«Ja, denn das Totenlied, das hab' ich nur im Traum gehört, nicht selbst ersonnen. Aber nach dem Erwachen führte ich mir jene wohlbekannte Landschaft vor Augen am Vesuvius, gerade gegenüber dem Mons Lactarius, dem Milchberg: eine wunderbare Felsenschlucht, gebildet von dem Auswurf des Feuerbergs: kaltgewordnes schwarzes Feuer. Steil ragen die Schroffen: nur ein schmaler Zugang, den ein Mann mit einem Schilde leicht versperren und stundenlang verteidigen könnte wider jede Übermacht... »
«Du denkst bei jedem Berg und Tal gleich, wie man sie stürmen und verteidigen mag.»
«Und da kamen mir von selbst die Worte:
<Wo die Lavaklippen ragen An dem Fuße des Vesuvs, Durch die Nachtluft hört man klagen Töne tiefen Weherufs. Schäfer, Räuber nicht noch Bauer Dringet in die Bergschlucht ein: Und es schwebt ein banger Schauer Brütend ob dem dunklen Stein. Tobte hier in Vorzeit-Tagen Schon die Schlacht im Völkergroll? Oder wird sie erst geschlagen, Die den Ort verewigen soll?>» - -
Und er griff auf der Harfe langsam einige Akkorde: -Adalgoth antwortete, leise, wie das Echo.
Diese Töne waren es, die König Totila als unsichtbare Wegführer heranleiteten.
In dicht verwachsenen Pfaden folgte der König nun den Klängen, die aus dem Dunkel einer Zypressengruppe her, leise in unregelmäßigen Zwischenräumen, unterbrochen von halb gesungenen, halb gesprochnen Worten, von zwei deutlich unterscheidbaren Saiteninstrumenten ausklingend, vom Nachtwind ihm zugetragen wurden. Unbemerkt war Totila, auch von dem sanften Mondlicht nicht verraten, durch die zerfallnen Mauern, welche die weitläufigen Anlagen umgeben, in die halb verwilderten Lorbeer- und Zypressengänge gelangt, die in das Innere der Gärten führten.
Teja vernahm die Schritte des Nahenden und legte die Harfe nieder. «Es ist der König», sagte er: «ich kenne seinen Gang. Was suchst du hier, mein König?»
«Ich suche dich, Teja», antwortete dieser.
Teja sprang auf von der gefallnen Säule, darauf er saß. «So geht's zum Kampf?»
«Nein», sagte Totila, «doch verdien' ich diesen Vorwurf.» Er faßte ihn bei der Rechten und zog ihn liebevoll wieder auf den Marmorsitz, sich neben ihn niederlassend. «Ich suche nicht dein Schwert, ich suche dich. Ich brauche dich, aber nicht deinen Arm: - dein Herz. Nein, bleibe nur, Adalgoth: du darfst und sollst es hören, wie man den stolzen Mann, <den schwarzen Grafen> lieben muß.»
«Das weiß ich, seit ich ihn gesehen. Er ist wie der Dunkelwald, durch dessen Wipfel geheimnisvolles Rauschen geht: voll Schauer und voll Reiz zugleich.»
Teja heftete einen langen Blick auf den König aus seinen großen, traurigen Augen.
«Sieh, mein Freund, soviel ist mir geworden, so Reiches hat der gnädige
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