Der vergitterte Laden ward etwas in die Höhe geschoben von dem Getragenen - ich sah hin, und es war mir, als erkenne ich... -»

«Nun?» fragte Teja.

«Meinen unsel'gen väterlichen Freund, den verschollnen Cethegus», schloß Julius traurig.

«Schwerlich», meinte der König. «Er ist gefallen. Es war wohl Täuschung, daß Teja in seinem Hause noch seine Stimme zu vernehmen glaubte.»

«Ich diese Stimme mißkennen! Und sein Schwert, das Adalgoth an der Straßenecke fand?»

«Kann früher, kann bei dem Forteilen des Mannes nach dem Tiber aus seinem Hause verloren sein. Deutlich sah ich ihn dort auf seinem Schiff die Verteidigung leiten. Der Speerwurf gegen meinen Hals war mit des Hasses bester Kunst und Kraft geführt. Ich traf ihn, ich sah's, mit dem zurückgeschleuderten Speer. Auch sagte mir Gundhamund, der treffliche Schütz, er sei gewiß, ihn getroffen zu haben am Halse. Man fand am Fluß seinen purpurgesäumten Mantel, von vielen Pfeilen durchlöchert und von Blut ganz überströmt.»

«Er ist wohl dort gestorben», sprach Julius tiefernst.

«Seid ihr so gute Christen», fragte Teja, «und wißt nicht, daß der Teufel unsterblich ist?»

«Mag sein», sprach der König, «aber auch das Licht!» Und mit drohenden Brauen fuhr er fort: «Auf, mein tapfrer Teja, jetzt gibt es neue Arbeit für dein Schwert. Hört, Herzog Guntharis, Wisand, Grippa, Markja, Aligern, Thorismut, Adalgoth: bald hab' ich vollauf zu schaffen für euch alle. Ihr habt's vernommen: Kaiser Justinian verweigert uns den Frieden und Italiens ruhigen Besitz. Offenbar darum, weil er uns für zu friedlich hält. Er meint, es könne ihm nie schaden, uns zu Feinden zu haben. Schlimmstenfalls säßen wir ruhig, seine Angriffe abwartend, in Italien. Und Byzanz könne jederzeit den Augenblick wählen, uns anzugreifen, sooft den Versuch wiederholend, bis er gelingt. Wohlan: zeigen wir ihm, daß wir als unversöhnliche Feinde gefährlich werden können, daß es wohl geraten sein mag, uns Italien friedlich zu belassen, um uns nicht zum Angriff zu reizen.

Er will uns nicht in Italien leben lassen? Wohlan, er soll die Goten wieder, wie unter Alarich und Theoderich, im eignen Lande sehen. Einstweilen nur dies: denn das Geheimnis ist der Mutterschoß des Siegs: auf linnenen Flügeln, auf hölzernen Brücken dringen wir, wie in Rom, in das Herz des Ostreichs ein. Jetzt, Justinianus, schirm' den eignen Herd!»

Sechstes Kapitel

Geraume Zeit, nachdem die Abweisung der Friedensvorschläge nach Rom gelangt war, finden wir in dem Speisegemach eines einfach, aber geschmackvoll gebauten und eingerichteten Hauses auf dem Forum Strategii zu Byzanz, das, nahe gelegen dem unvergleichlichen Küstensaum des «goldnen Horns», den Blick über die Meerenge hin und auf die jenseitige, prachtvoll angelegte Neustadt «Justiniana» gewährte, zwei Männer in vertrautem Gespräch.

Der Herr des Hauses war unser alter - und hoffentlich nicht unlieber - Bekannter Prokopius, der nunmehr in hohem Ansehen als Senator zu Byzanz lebte.

Er schenkte seinem Gast eifrig ein, aber er bediente sich dabei der linken Hand. Der rechte Arm verlief in einen verhüllten Stumpf.

«Ja», sagte er, «bei jeder Bewegung mahnt mich der fehlende rechte Vorderarm an eine Torheit. Zwar bereue ich die Torheit nicht: ich folgte ihr abermals, und kostete es die Augen aus dem Kopf. Sie war eine Torheit des Herzens. Und eine solche zu haben ist des Menschen größtes Glück. Zu Frauenliebe hab' ich's nie recht gebracht. Meine Liebe heißt und hieß: Belisarius! Ich erkenne recht gut - du brauchst nicht so höhnisch den Mund zu verziehn, Freund - ich durchschaue recht gut die Schwächen und Unvollkommenheiten meines Helden. Aber das ist gerade das Süße an der Herzenstorheit: sie liebt die Fehler des Geliebten mit, ja mehr als andrer Leute Vorzüge.

Und so denn - um's kurz zu machen - warnte ich bei dem letzten Perserkrieg den Mann mit dem Löwenmut und mit dem Kindesherzen wieder einmal, mit geringer Bedeckung durch einen unsichren Wald zu reiten. Bei Dara war's. Natürlich tat er's nun erst recht, der dumme, liebe Tor. Und natürlich ritt Prokopius, der kluge Tor, nun auch mit. Und es kam alles, wie ich vorausgesehen und gesagt. Der ganze Wald ward auf einmal lebendig von lauter Persern. Es war, als schüttelte der Wind sein dürres Laub von den Wipfeln. Aber alle Blätter waren Pfeile und Speere.

Es ging wieder ganz wie vor dem tiburtinischen Tor. Balan, der treue Scheck, tat dort seinen letzten Sprung. Gespickt von Speeren brach er tot zusammen. Ich hob den Helden auf mein eigen Roß. Dabei hieb aber ein Perserfürst, der fast so lang war wie sein Name - Adrastaransalanes hieß der liebe Mann - auf den Magister Militum einen Hieb, den ich in der Eile nur mit dem rechten Arm auffangen konnte -: denn mein Schild deckte den Feldherrn gegen einen Sarazenen. Der Hieb war gut: traf er Belisars helmloses Haupt - es wäre gespalten gewesen wie eine Klaffmuschel. So schnitt er mir nur den Vorderarm so haarscharf ab, als wär' er nie angewachsen gewesen.»

«Belisarius natürlich entkam, und Prokopius natürlich ward gefangen», sagte der Gast kopfschüttelnd.

«Beides richtig, o du Gebietiger des Scharfsinns, wie dich mein Freund Adrastaransalanes nennen würde. Aber derselbe Mann mit dem langen Leibe, Säbel und Namen - auf dessen Wiederholung du nicht bestehen wirst - war so gerührt von meiner <elefantenhaften Großherzigkeit), wie er sich ausdrückte, daß er mich alsbald ohne Lösegeld freiließ: nur einen Ring, der an einem Finger meiner ehemaligen rechten Hand steckte, erbat er sich: zum Andenken, wie er sagte.

Seitdem ist es mit meinen Kriegsfahrten vorbei», fuhr Prokop ernster fort. «Ich erblicke aber in dem Verlust der Schreibhand auch eine Strafe. Ich habe manches unnütze oder nicht ganz aufrichtige Wort damit geschrieben. Freilich: träfe gleiche Strafe alle Schriftsteller von Byzanz, es gäbe keinen zweiarmigen Menschen mehr, der schreiben kann. Es geht nun etwas langsamer mit dem Schreiben und müheschwerer. Und das ist gut. Man überlegt dann länger bei jedem Wort, ob es der Mühe lohnt, und ob es zu rechtfertigen ist, es niederzuschreiben.»

«Ich habe mit wahrem Genuß», sagte der Gast, «deinen Vandalenkrieg, Perserkrieg und, soweit er vollendet ist, den Gotenkrieg gelesen. Es war bei meiner langwierigen Heilung mein Lieblingsbuch. Aber mich wundert, daß du nicht zu unsrem Freunde Petros, zu den ultziagirischen Hunnen und den Bergwerken von Cherson, geschickt wurdest. Wenn Justinian die Urkundenfälschung so schwer bestraft, - wie schwer muß er erst die Wahrhaftigkeit in Geschichtsurkunden strafen! Und du hast seinen Wankelmut, seinen Geiz, seine Fehlgriffe in Wahl der Feldherrn und Beamten so schonungslos gegeißelt: - mich wundert, daß du noch ungestraft bist.»

«Oh, ich bin nicht ungestraft», sprach grimmig der Historiker. «Er ließ mir den Kopf, aber er wollte mir die Ehre nehmen. Und noch mehr sie, diese schöne Teufelin. Denn ich hatte angedeutet, daß Justinian ganz in ihrem Gängelbande geht. Und gleich leidenschaftlich will sie diese Herrschaft fortsetzen und -verbergen. So ließ sie mich kommen, als meine Bücher erschienen waren.

Als ich eintrat und diese Blätter auf ihrem Schoße liegen sah, dachte ich: Adrastaransalanes nahm die Hand, die es geschrieben, dies Weib nimmt den Kopf, der es gedacht. Aber sie begnügte sich, mir von der Kline her den kleinen goldnen

Schuh zum Kusse darzureichen, lächelte sehr schön und sprach: <Du schreibst griechisch wie kein andrer, Prokopius, in unsrer Zeit. So schön und so wahr! Man hat mir geraten, dich zu den stummen Fischen im Bosporus zu versenken. Aber der Mann, der am besten die Wahrheit sagte, wo sie uns bitter klang, wird auch die Wahrheit sagen, wo sie uns lieblich klingt.

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