Galatea öffnete weit die Türe des Haupteingangs: ein ganzer Schwarm von Sklavinnen und Freigelassenen wogte herein. Die einen besorgten das Hinausräumen der gebrauchten Toilettegeräte, andre räucherten mit Kohlenpfännchen und sprengten aus schmalhalsigen Fläschchen Balsam durch das Gemach. Die meisten aber waren um die Person der Kaiserin beschäftigt, die jetzt ihren Anzug vollendete. Galatea nahm ihr den Rosaüberwurf ab. «Berenike», rief sie, «die milesische Tunika mit dem Purpurstreif und der goldnen Falbel: es ist Sonntag heute.»

Während die erfahrene Alte, die allein das Haar der Kaiserin berühren durfte, die kostbare Goldnadel, mit der Venusgemme im Knopf, kunstvoll in die Knoten des Hinterhauptes schob, fragte die Kaiserin: «Was gibt es Neues in der Stadt, Delphine?»

«Du hast gesiegt, o Herrin!» antwortete die Gefragte, mit den Goldsandalen niederkniend. «Deine Farbe, die Blauen, haben gestern im Zirkus gesiegt über die Grünen zu Roß und Wagen.»

«Triumph!» frohlockte Theodora, «eine Wette von zwei Zentenaren Gold, - es ist mein. Nachrichten? woher? aus Italien?» rief sie einer eben mit Briefen eintretenden Dienerin entgegen.

«Jawohl, Herrin, aus Florentia von der Gotenfürstin Gothelindis, ich kenne das Gorgonensiegel, und von Silverius, dem Diakon.»

«Gib», sagte Theodora, «ich nehme sie mit in die Kirche. Den Spiegel, Elpis.» - Eine junge Sklavin trat vor mit einer ovalen drei Fuß langen Platte von glänzend poliertem Silber in einem reich mit Perlen besetzten Goldrahmen und getragen von einem starken Fuß von Elfenbein. Die arme Elpis hatte harten Dienst. Sie mußte während der Vollendung des Ankleidens die schwere Platte bei jeder Bewegung der unruhigen Herrin sofort dermaßen drehen, daß diese sich ununterbrochen darin beschauen konnte, und weh ihr, wenn sie einer Wendung zu spät nachfolgte.

«Was gibt es zu kaufen, Zephyris?» fragte die Kaiserin eine dunkelfarbige libysche Freigelassene, die ihr eben die zahme Hausschlange, die in einem Körbchen auf weichem Moose ruhte, zur Morgenliebkosung reichte.

«Ach, nicht viel Besondres», sagte die Libyerin, «komm, Glauke», fuhr sie fort, indem sie die blendend weiße, golddurchwirkte Chlamys aus der Kleiderpresse nahm und sorgfältig auf den Armen ausgebreitet hielt, bis die Gerufene ihr sie abnahm, mit einem Wurf der Kaiserin in den schönsten Falten über die Schulter schlug, mit dem weißen Gürtel zusammenfaßte und das eine Ende mit einer Goldspange, die einst die Taube der Venus, jetzt aber im Gegenteil den Heiligen Geist darstellte, über der weißen Achsel befestigte. Glauke, die Tochter eines athenischen Bildhauers, hatte jahrelang den Faltenwurf studiert, war deshalb von der Kaiserin um viele tausend Solidi angekauft worden und hatte den ganzen Tag über nur dies einzige Geschäft.

«Duftige Seifenkugeln aus Spanien», berichtete Zephyris, «sind wieder frisch angekommen. Ein neues milesiches Märchen ist erschienen, und der alte Ägypter ist wieder da», setzte sie leiser hinzu, «mit seinem Nilwasser. Er sagt, es helfe
unfehlbar. Die Perserkönigin, die acht Jahre kinderlos -»

Seufzend wandte sich Theodora ab, ein Schatten flog über das glatte Gesicht. «Schick' ihn fort», sagte sie, «diese Hoffnung ist vorüber.»

Und es war einen Augenblick, als wollte sie in trübes Sinnen versinken.

Aber sich aufraffend trat sie, Galateen winkend, zu ihrem Lager zurück, nahm den zerdrückten Eppichkranz, der auf ihrem Kopfkissen lag, und gab ihn der Alten mit den geflüsterten Worten: «Für Anicius, schick' es ihm zu. - Den Schmuck, Erigone!» Diese, von zwei andern Sklavinnen unterstützt, trug mühsam die schwere Kiste von Erz herbei, deren Deckel, in getriebnen Figuren die Werkstätte des Vulcanus darstellend, mit dem Siegel der Kaiserin an die Lade befestigt war. Erigone zeigte, daß das Siegel unverletzt, und schlug den Deckel auf: neugierig stellte sich da manches Mädchen auf die Fußspitzen, einen Blick von den schimmernden Schätzen zu erhaschen.«Willst du noch die Sommerringe, Herrin?» fragte Erigone. - «Nein», sprach Theodora wählend, «die Zeit dafür ist um. Gib mir die schwereren, die Smaragden.» Erigone reichte ihr Ohrringe, Fingerring und Armband.

«Wie schön», sagt Antonina, von ihren frommen Versen aufsehend, «steht das Weiß der Perle zu dem Grün des Steins!»

«Es ist ein Schatzstück der Kleopatra», sagte die Kaiserin gleichgültig, «der Jude hat den Stammbaum der Perle eidlich erhärtet.»

«Aber du zögerst lange», erinnerte Antonina, «Justinians Goldsänfte harrte schon, als ich herauf kam.»

«Ja, Herrin», rief eine junge Sklavin ängstlich, «der Sklave vor der Sonnenuhr sagte schon die vierte Stunde an. Eile, Herrin.»

Ein Stich mit der Lanzette war die Antwort. «Willst du die Kaiserin mahnen?» Aber Antoninen flüsterte sie zu: «Man muß die Männer nicht verwöhnen: sie müssen immer auf uns warten, wir nie auf sie.

Meinen Straußenfächer, Thais. Geh, Jone, die kappadokischen Sklaven sollen an meine Sänfte treten.»

Und sie wandte sich zum Gehen. «O Theodora», rief Antonina rasch, «vergiß meine Bitte nicht.»

«Nein», sagte diese, plötzlich stehenbleibend, «gewiß nicht! Und damit du ganz sicher gehst», lächelte sie, «leg' ich's in deine eigne Hand. Meine Wachstafel und den Stift.» Galatea brachte sie eilig. Theodora schrieb und flüsterte der Freundin zu: «Der Präfekt des Hafens ist einer meiner alten Freunde. Er gehorcht mir blind. Lies, was ich schreibe: <An Aristarchos, den Präfekten, Theodora, die Kaiserin.

Wenn Severius, des Boethius Sohn, das Schiff des Belisarius besteigen will, halt' ihn, nötigenfalls mit Gewalt, zurück und sende ihn hierher in meine Gemächer: er ist zu meinem Kämmerer ernannt.) Ist's recht so, liebe Schwester?» flüsterte sie.

«Tausend Dank», sagte diese mit leuchtenden Augen.

«Aber wie», rief die Kaiserin laut, plötzlich an ihren Hals fassend, «und die Hauptsache hätten wir vergessen? Mein Amulett, den Mercurius! Bitte, Antonina, dort liegt es.» Hastig wandte sich diese, den kleinen goldnen Merkur, den besten Geleitsmann, der an seidner Schnur an dem Bette der Kaiserin hing, zu holen. Inzwischen aber strich Theodora schnell das Wort «Severinus» mit dem Goldgriffel aus und schrieb dafür «Anicius». Sie klappte das Täfelchen zusammen, umschnürte und siegelte es mit ihrem Venusring.

«Hier das Amulett», sagte Antonina zurückkommend.

«Und hier der Befehl!» lächelte die Kaiserin. «Du magst ihn selbst im Augenblick der Abfahrt an Aristarchos übergeben. Und jetzt», rief sie, «jetzt auf: in die Kirche.»

Zwanzigstes Kapitel

In Neapolis, derjenigen Stadt Italiens, über welcher die zu Byzanz aufsteigenden Wetterwolken sich zuerst entladen sollten, ahnte man nichts von einer drohenden Gefahr. Da wandelten damals Tag für Tag an den reizenden Hängen, welche nach dem Posilipp führen, oder an den Uferhöhen im Südosten der Stadt, in vertrautem Gespräch, alle Wonnen jugendlich begeisterter Freundschaft genießend, zwei herrliche Jünglinge, der eine in braunen, der andre in goldnen Locken: die Dioskuren, Julius und Totila.

O schöne Zeit, da es die reine Seele, umweht von der frischen Morgenluft des Lebens, noch unenttäuscht und unermüdet, trunken von der Fülle stolzer Träume,

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