«Ich bin nicht feige, und ich verleugne die Wahrheit nicht. Ja, ich liebe.»

«Und wen, Unselige?»

«Das wird mir kein Gott entreißen.»

Und so entschieden sah sie dabei aus, daß Amalaswintha keinen Versuch machte, es zu erfahren.

«Wohlan», sagte sie, «meine Tochter ist kein gewöhnlich Wesen. So fordere ich das Ungewöhnliche von dir: Dein Alles dem Höchsten zu opfern.»

«Ja, Mutter, ich trage im Herzen einen hohen Traum. Er ist mein Höchstes. Ihm will ich alles opfern.»

«Mataswintha», sprach die Regentin, «wie unköniglich! Sieh, dich hat Gott vor Tausenden gesegnet an Herrlichkeit des Leibes und der Seele: du bist zur Königin geboren.»

«Eine Königin der Liebe will ich werden. Sie preisen mich alle um meine Weibesschönheit: wohlan, ich hab' mir's vorgesteckt, liebend und geliebt, beglückend und beglückt, ein Weib zu sein.»

«Ein Weib! Ist das dein ganzer Ehrgeiz?»

«Mein ganzer. O wär' es auch der deine gewesen!»

«Und der Enkelin Theoderichs gilt das Reich und die Krone nichts? Und nichts dein Volk, die Goten?»

«Nein, Mutter», sagte Mataswintha ernst: «es schmerzt mich beinahe, es beschämt mich, aber ich kann mich nicht zwingen zu dem, was ich nicht fühle: ich empfinde nichts bei dem Worte, <Goten>. Vielleicht ist es nicht meine Schuld: du hast von jeher die Goten verachtet, diese Barbaren gering geschätzt: das waren die ersten Eindrücke: sie sind geblieben. Und ich hasse diese Krone, dieses Gotenreich: es hat in deiner Brust dem Vater, dem Bruder, mir den Platz fortgenommen. Diese Gotenkrone, nichts

ist sie mir von je gewesen und geblieben als eine verhaßte, feindliche Macht.»

«O mein Kind, weh mir, wenn ich das verschuldet hätte! Und tust du's nicht um des Reiches, o tu's um meinetwillen. Ich bin so gut wie verloren ohne die Wölsungen. Tu's um meiner Liebe willen.»

Und sie faßte ihre Hand.

Mataswintha entzog sie mit bittrem Lächeln: «Mutter, entweihe den höchsten Namen nicht. Deine Liebe! Du hast mich nie geliebt. Nicht mich, nicht den Bruder, nicht den Vater.»

«Mein Kind! Was hätt' ich geliebt, wenn nicht euch!»

«Die Krone, Mutter, und diese verhaßte Herrschaft. Wie oft hast du mich von dir gestoßen vor Athalarichs Geburt, weil ich ein Mädchen war und du einen Thronerben wolltest. Denke an meines Vaters Grab und an -»

«Laß ab», winkte Amalaswintha.

«Und Athalarich? Hast du ihn geliebt, oder vielmehr sein Recht auf den Thron? O wie oft haben wir armen Kinder geweint, wenn wir die Mutter suchten und die Königin fanden.»

«Du hast mir nie geklagt. Erst jetzt, da du mir Opfer bringen sollst.»

«Mutter, es gilt ja auch jetzt nicht dir, nur deiner Krone, deiner Herrschaft. Leg' diese Krone ab, und du bist aller Sorgen frei. Die Krone hat dir und uns allen kein Glück, nur Schmerzen gebracht. Nicht du bist bedroht: dir wollt' ich alles opfern - nur dein Thron, nur der goldne Reif des Gotenreichs, der Götze deines Herzens, der Fluch meines Lebens: nie werd' ich dieser Krone meine Liebe opfern, nie, nie, nie!»

Und sie kreuzte die weißen Arme über ihrer Brust, als wollte sie die Liebe darin beschirmen.

«Ah», sagte die Königin zürnend, «selbstisches, herzloses Kind! Du gestehst, daß du kein Herz hast für dein Volk, für die

Krone deiner großen Ahnen - du gehorchst nicht freiwillig der Stimme der Ehre, des Ruhmes deines Hauses - wohlan, so gehorche dem Zwang. Du sprichst mir die Liebe ab, so erfahre meine Strenge. Zur Stunde verläßt du mit deinem Gefolge Ravenna.

Du gehst als Gast nach Florentia in das Haus des Herzogs Gunthari: seine Gattin hat dich geladen. Graf Arahad wird deine Reise begleiten. Verlaß mich. Die Zeit wird dich beugen.»

«Mich?» sprach Mataswintha, sich hoch aufrichtend: «keine Ewigkeit!»

Schweigend blickte ihr die Königin nach. Die Anklagen der Tochter hatten einen mächtigeren Eindruck auf sie gemacht, als sie zeigen wollte. «Herrschsucht?» sagte sie zu sich selbst. «Nein, das ist es nicht, was mich erfüllt. Ich fühlte, daß ich dies Reich schirmen und beglücken konnte, darum liebte ich die Krone. Und gewiß, ich könnte, wie mein Leben, so meine Krone opfern, verlangte es das Heil meines Volkes. Könntest du das, Amalaswintha?» fragte sie sich, zweifelnd die Linke auf die Brust legend.

Sie ward aus ihrem Sinnen geweckt durch Cassiodor, der langsam und gesenkten Hauptes eintrat.

«Nun», rief Amalaswintha, erschreckt von dem Ausdruck seiner Züge, «bringst du ein Unglück?»

«Nein, nur eine Frage.»

«Welche Frage?»

«Königin», hob der Alte feierlich an, «ich habe deinem Vater und dir dreißig Jahre lang gedient, treu und eifrig, ein Römer den Barbaren, weil ich eure Tugenden ehrte, und weil ich glaubte, Italien, der Freiheit nicht mehr fähig, sei unter eurer Herrschaft am sichersten geborgen: denn eure Herrschaft war gerecht und mild. Ich habe fort gedient, obwohl ich meiner Freunde Boethius und Symmachus Blut fließen sah, wie ich glaube, unschuldig Blut: aber sie starben durch offenes Gericht,

nicht durch Mord. Ich mußte deinen Vater ehren, auch wo ich ihn nicht loben konnte. Jetzt aber -»

«Nun, jetzt aber?» fragte die Königin stolz.

«Jetzt komme ich, von meiner vieljährigen Freundin, ich darf sagen, meiner Schülerin -»

«Du darfst es sagen», sprach Amalaswintha weicher.

«Von des großen Theoderich edler Tochter ein einfach schlichtes Wort, ein Ja zu erbitten. Kannst du dies Ja sprechen -ich flehe zu Gott, daß du es könntest -, so will ich dir dienen treu wie je, solang es dieses greise Haupt vermag.»

«Und kann ich's nicht?»

«Und könntest du es nicht, o Königin», rief der Alte schmerzlich, «oh, dann Lebewohl dir und meiner letzten Freude an dieser Welt.»

«Und was hast du zu fragen?»

«Amalaswintha, du weißt, ich war fern an der Nordgrenze des Reichs, als hier Aufstand losbrach, als jene furchtbare Kunde, jene furchtbare Anklage sich erhob. Ich glaubte nichts - ich flog hierher - von Tridentum. Seit zwei Tagen bin ich hier, und keine Stunde vergeht, keinen Goten spreche ich, ohne daß die schwere Klage mir schwerer aufs Herz fällt. Und auch du bist verwandelt, ungleich, unstet, unruhig - und doch will ich's nicht glauben. - Ein treues Wort von dir soll all diese Nebel zerstreuen.»

«Wozu die vielen Reden», rief sie, auf die Armlehne des Thrones sich stützend, «sage kurz, was hast du zu fragen?»

«Sprich nur ein schlichtes Ja: bist du schuldlos an dem Tod der drei Herzoge?»

«Und wenn ich es nicht wäre - haben sie nicht reichlich den Tod

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