verdient?»

«Amalaswintha, ich bitte dich: sage ja.»

«Du nimmst ja auf einmal großen Anteil an den gotischen

Rebellen!»

«Ich beschwöre dich», rief der Greis, auf die Knie fallend, «Tochter Theoderichs, sage ja, wenn du kannst.»

«Steh auf», sprach sie finster sich abwendend, «du hast kein Recht, so zu fragen.»

«Nein», sagte der Alte, ruhig aufstehend, «nein, jetzt nicht mehr. Denn von diesem Augenblick an gehör' ich der Welt nic ht mehr an.»

«Cassiodor!» rief die Königin erschrocken.

«Hier ist der Schlüssel zu meinen Gemächern in dieser Königsburg: du findest darin alle Geschenke, die ich von dir und Theoderich erhalten, die Urkunden meiner Würden, die Abzeichen meiner Ämter. Ich gehe.»

«Wohin, mein alter Freund, wohin?»

«In das Kloster, das ich gegründet zu Squillacium in Apulien. Fortan werd' ich, fern von den Werken der Könige, nur die Werke Gottes auf Erden verwalten: längst verlangt meine Seele nach Frieden, und jetzt hab' ich auf Erden nichts mehr, was mir teuer. Noch einen Rat will ich dir scheidend geben: lege das Zepter aus der blutbefleckten Hand: sie kann diesem Reiche nicht mehr Segen, nur Fluch kann sie ihm bringen. Denke an das Heil deiner Seele, Tochter Theoderichs: Gott sei dir gnädig.»

Und ehe sie sich von ihrer Bestürzung erholt, war er verschwunden.

Sie wollte ihm nacheilen, ihn zurückrufen, aber an dem Vorhang trat ihr Petros, der Gesandte von Byzanz, entgegen.

«Königin», sagte er rasch und leise, «bleib' und höre mich. Es gilt ein dringendes Wort. Man folgt mir auf dem Fuß.»

«Wer folgt dir?»

«Leute, die es nicht so gut meinen mit dir als ich. Täusche dich nicht länger: die Geschicke dieses Reiches erfüllen sich: du hältst sie nicht mehr auf, so rette für dich, was zu retten ist: ich

wiederhole meinen Vorschlag.»

«Welchen Vorschlag?»

«Den von gestern.»

«Den der Schande, des Verrats! Niemals! Ich werde diese Beleidigung deinem Herrn, dem Kaiser, melden und ihn bitten, dich abzurufen. Mit dir verhandle ich nicht mehr.»

«Königin, es ist nicht mehr Zeit, dich zu schonen. Der nächste Gesandte Justinians heißt Belisar und kommt mit einem Heere.»

«Unmöglich!» rief die verlassene Fürstin. «Ich nehme meine Bitte zurück.»

«Zu spät. Belisars Flotte liegt schon bei Sizilien. Den Vorschlag, den ich dir gestern als meinen Gedanken mitteilte, hast du als solchen verworfen. Vernimm: nicht ich, der Kaiser Justinian selbst ist es, der ihn ausspricht als letztes Zeichen seiner Huld.»

«Justinian, mein Freund, mein Schützer, will mich und mein Reich verderben!» rief Amalaswintha, der es schrecklich tagte.

«Nicht dich verderben, dich erretten! Wiedergewinnen will er dies Italien, die Wiege des römischen Reichs: dieser unnatürliche, unmögliche Staat der Goten, er ist gerichtet und verloren. Trenne dich von dem sinkenden Fahrzeug. Justinian reicht dir die Freundeshand, die Kaiserin bietet dir ein Asyl an ihrem Herzen, wenn du Neapolis, Rom, Ravenna und alle Festungen in Belisars Hände lieferst und geschehen läßt, daß die Goten entwaffnet über die Alpen geführt werden.»

«Elender, soll ich mein Volk verraten, wie ihr mich? Zu spät erkenne ich eure Tücke! Eure Hilfe rief ich an, und ihr wollt mich verderben.»

«Nicht dich, nur die Barbaren.»

«Diese Barbaren sind mein Volk, sind meine einzigen Freunde: ich erkenne es jetzt, und ich stehe zu ihnen in Tod und Leben.»

«Aber sie stehn nicht mehr zu dir.»

«Verwegner! Fort aus meinen Augen, fort von meinem Hof.»

«Du willst nicht hören? Merke wohl, o Königin, nur unter jener Bedingung bürg' ich für dein Leben.»

«Für mein Leben bürgt mein Volk in Waffen.»

«Schwerlich. Zum letztenmal frag' ich dich»

«Schweig. Ich liefere die Krone nicht ohne Kampf an Justinian.»

«Wohlan», sagte Petros zu sich selbst, «so muß es ein andrer tun. - Tretet ein, ihr Freunde», rief er hinaus. -

Aber aus dem Vorhang trat langsam mit gekreuzten Armen Cethegus.

«Wo ist Gothelindis? Wo Theodahad?» flüsterte Petros.

Seine Bestürzung entging der Fürstin nicht.

«Ich ließ sie vor dem Palast. Die beiden Weiber hassen sich zu grimmig. Ihre Leidenschaft würde alles verderben.»

«Du bist mein guter Engel nicht, Präfekt von Rom», sprach Amalaswintha finster und von ihm zurückweichend.

«Diesmal vielleicht doch», flüsterte Cethegus, auf sie zuschreitend. «Du hast die Vorschläge von Byzanz verworfen? Das erwartete ich von dir. Entlaß den falschen Griechen.»

Auf einen Wink der Königin trat Petros in ein Seitengemach.

«Was bringst du mir, Cethegus! Ich traue dir nicht mehr!»

«Du hast, statt mir zu trauen, dem Kaiser vertraut, und du siehst den Erfolg.»

«Ich sehe ihn», sagte sie schmerzlich.

«Königin, ich habe dich nie belogen und getäuscht darin: ich liebe Italien und Rom mehr als deine Goten: Du wirst dich erinnern, ich habe dir dies niemals verhehlt.»

«Ich weiß es und kann es nicht tadeln.»

«Am liebsten säh' ich Italien frei. Muß es dienen, so dien' es nicht dem tyrannischen Byzanz, sondern euch, der milden Hand der Goten. Das war von je mein Gedanke, das ist er noch heute. Um Byzanz abzuhalten, will ich dein Reich erhalten: aber offen sag' ich dir, du, deine Herrschaft läßt sich nicht mehr stützen. Rufst du zum Kampfe gegen Byzanz, so werden dir die Goten nicht mehr folgen, die Italier nicht vertrauen.»

«Und warum nicht? Was trennt mich von den Italiern und von meinem Volk?»

«Deine eignen Taten. Zwei unselige Dokumente, in der Hand des Kaisers Justinian. Du selbst hast zuerst seine Waffen ins Land gerufen, eine Leibwache von Byzanz!»

Amalaswintha erbleichte: «Du weißt -»

«Leider nicht nur ich, sondern meine Freunde, die Verschworenen in den Katakomben: Petros hat ihnen den Brief mitgeteilt: sie fluchen dir.»

«So bleiben mir meine Goten.»

«Nicht mehr. Nicht bloß der ganze Anhang der Balten steht dir nach dem Leben: - die Verschworenen von Rom haben im Zorn über dich beschlossen, sowie der Kampf entbrannt, aller Welt kundzutun, daß dein Name an ihrer Spitze stand gegen die Goten, gegen dein Volk. Jenes Blatt mit deinem Namen ist nicht mehr in meiner Hand, es liegt im Archiv der Verschwörung.»

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