zechten, ahnten sie nicht, daß über ihren Häuptern in dem Gemach des Königs eine Verhandlung gepflogen ward, die über ihr und ihres Reiches Schicksale entscheiden sollte.
Unbeobachtet war dem König alsbald der Gesandte von Byzanz nachgefolgt, und lange und geheim sprachen und schrieben die beiden miteinander. Endlich schienen sie handelseinig geworden, und Petros wollte anheben, nochmal vorzulegen, was sie gemeinsam beschlossen und aufgezeichnet. Aber der König unterbrach ihn. «Halt!», flüsterte der kleine Mann, der in seinem weiten Purpurmantel verlorenzugehen drohte, «halt - noch eins!»
Und er hob sich aus dem schön geschweiften Sitz, schlich durch das Gemach und hob den Vorhang, ob niemand lausche.
Dann kehrte er beruhigt zurück und faßte den Byzantiner leise am Gewand.
Das Licht der Bronzeampel spielte im Winde flackernd auf den gelben, vertrockneten Wangen des häßlichen Mannes, der die kleinen Augen zusammenkniff: «Noch dies. Wenn jene heilsamen Veränderungen eintreten sollen - auf daß sie eintreten können, wird es gut sein, ja notwendig, einige der trotzigsten meiner Barbaren unschädlich zu machen.» - «Daran hab' ich bereits gedacht», nickte Petros. «Da ist der alte halbheidnische Waffenmeister, der grobe Hildebad, der nüchterne Witichis.» -
«Du kennst deine Leute gut», grinste Theodahad, «du hast dich tüchtig umgesehen. Aber», raunte er ihm ins Ohr, «einer, den du nicht genannt hast, einer vor allen muß fort.»
«Der ist?»
«Graf Teja. des Tagila Sohn.»
«Ist der melancholische Träumer so gefährlich?»
«Der gefährlichste von allen! Und mein persönlicher Feind! Schon von seinem Vater her.»
«Wie kam das?»
«Er war mein Nachbar bei Florentia. Ich mußte seine Äcker haben - umsonst drang ich in ihn. Ha», lächelte er pfiffig, «zuletzt wurden sie doch mein. Die heilige Kirche trennte seine verbrecherische Ehe, nahm ihm sein Gut dabei und ließ mir's -billig - ab. Ich hatte einiges Verdienst um die Kirche in dem Prozeß - dein Freund, der Bischof von Florentia, kann dir's genau erzählen.»
«Ich verstehe», sagte Petros, «was gab der Barbar seine Äcker nicht in Güte! Weiß Teja -?»
«Nichts weiß er. Aber er haßt mich schon deshalb, weil ich sein Erbgut - kaufte. Er wirft mir finstere Blicke zu. Und dieser schwarze Träumer ist der Mann, seinen Feind zu den Füßen Gottes zu erwürgen.»
«So?» sagte Petros, plötzlich sehr nachdenklich. «Nun, genug von ihm: er soll nicht schaden. Laß dir jetzt noch mal den ganzen Vertrag Punkt für Punkt vorlesen; dann unterzeichne.
Erstens. König Theodahad verzichtet auf die Herrschaft über Italien und die zugehörigen Inseln und Provinzen des Gotenreichs: nämlich Dalmatien, Liburnien, Istrien, das zweite Pannonien, Savien, Noricum, Rätien und den gotischen Besitz in Gallien, zugunsten des Kaisers Justinian und seiner Nachfolger auf dem Throne von Byzanz. Er verspricht, Ravenna, Rom, Neapolis und alle festen Plätze des Reichs dem Kaiser ohne Widerstand zu öffnen.»
Theodahad nickte.
«Zweitens. König Theodahad wird mit allen Mitteln dahin wirken, daß das ganze Heer der Goten entwaffnet und in kleinen Gruppen über die Alpen geführt werde. Weiber und Kinder haben nach Auswahl des kaiserlichen Feldherrn dem Heere zu folgen oder als Sklaven nach Byzanz zu gehen. Der König wird dafür sorgen, daß jeder Widerstand der Goten erfolglos bleiben muß.
Drittens. Dafür beläßt Kaiser Justinian dem König Theodahad und seiner Gemahlin den Königstitel und die königlichen Ehren
auf Lebenszeit, und viertens» -
«Diesen Abschnitt will ich doch mit eigenen Augen lesen», unterbrach Theodahad, nach der Urkunde langend. «Viertens beläßt der Kaiser dem König der Goten nicht nur alle Ländereien und Schätze, die dieser als sein Privateigentum bezeichnen wird, sondern auch den ganzen Königsschatz der Goten, der allein an geprägtem Gold auf vierzigtausend Pfunde geschätzt ist. Er übergibt ihm ferner zu erb und eigen ganz Tuscien von Pistoria bis Cäre, von Popilonia bis Clusium, und endlich überweist er an Theodahad auf Lebenszeit die Hälfte aller öffentlichen Einkünfte des durch diesen Vertrag seinem rechtmäßigen Herrn zurückerworbenen Reiches. Sage, Petros, meinst du nicht, ich könnte drei Viertel fordern?»
«Fordern kannst du sie, allein ich zweifle sehr, daß sie dir Justinian gewährt. Ich habe schon die Grenzen, die äußersten, meiner Vollmacht überschritten.»
«Fordern wollen wir's doch immerhin», meinte der König die Zahl ändernd. «Dann muß Justinian herunter markten oder dafür andere Vorteile gewähren.»
Um des Petros schmale Lippen spielte ein falsches Lächeln:
«Du bist ein kluger Handelsmann, o König. - Aber hier verrechnest du dich doch», sagte er zu sich selbst.
Da rauschten schleppende Gewänder den Marmorgang heran, und eintrat ins Gemach in langem, schwarzem Mantel und schwarzem, mit silbernen Sternen besäten Schleier Amalaswintha, bleich von Antlitz, aber in edler Haltung, eine Königin trotz der verlorenen Krone: überwältigende Hoheit der Trauer sprach aus den bleichen Zügen.
«König der Goten», hob sie an, «vergib, wenn an deinem Freudenfeste ein dunkler Schatten noch einmal auftaucht von der Welt der Toten. Es ist zum letztenmal.»
Beide Männer waren von ihrem Anblick betroffen.
«Königin» - stammelte Theodahad.
«Königin! O wär' ich's nie gewesen. Ich komme, Vetter, von dem Sarge meines edeln Sohnes, wo ich Buße getan für all meine Verblendung, und all meine Schuld bereut. Ich steige herauf zu dir, König der Goten, dich zu warnen vor gleicher Verblendung und gleicher Schuld.»
Theodahads unstetes Auge vermied ihren ernsten, prüfenden Blick.
«Es ist ein übler Gast», fuhr sie fort, «den ich in mitternächtlicher Stunde als deinen Vertrauten bei dir finde. Es ist kein Heil für einen Fürsten als in seinem Volk: zu spät hab' ich's erkannt, zu spät für mich, nicht zu spät, hoff' ich, für mein Volk. Traue du nicht Byzanz: es ist ein Schild, der den erdrückt, den er beschirmen soll.»
«Du bist ungerecht», sagte Petros, «und undankbar.»
«Tu nicht, mein königlicher Vetter», fuhr sie fort, «was dieser von dir fordert. Bewillige nicht du, was ich ihm weigerte. Sizilien sollen wir abtreten und dreitausend Krieger dem Kaiser stellen für alle seine Kriege - ich wies die Schmach von mir. Ich sehe», sprach sie, auf das Pergament deutend, «du hast schon mit ihm abgeschlossen. Tritt zurück, sie werden dich immer täuschen.»
Ängstlich zog Theodahad die Urkunde an sich: er warf einen mißtrauischen Blick auf Petros.
Da trat dieser gegen Amalaswintha vor: «Was willst du hier, du Königin von gestern? Willst du dem Beherrscher dieses Reiches wehren? Deine Zeit und deine Macht ist um.» - «Verlaß uns», sagte Theodahad, ermutigt. «Ich werde tun, was mir gutdünkt. Es soll dir nicht gelingen, mich von
Вы читаете Ein Kampf um Rom