glänzenden Waffen, trat von rechts vor den Richter, die rechte Hand auf die Brust legend.

Ein Murmeln des Wohlgefallens drang durch die Reihen: «Er liebt die schöne Mataswintha!»

«Er ist der Bruder des Herzogs Guntharis von Tuscien, der Florentia besetzt hält.» - «Er freit um sie!» - «Als Rächer ihrer Mutter tritt er auf!»

«Ich, Graf Arahad von Asta, des Aramuth Sohn, aus der Wölsungen Edelgeschlecht», fuhr der junge Gote mit einem anmutigen Erröten fort. «Zwar bin ich nicht versippt mit der Getöteten: allein die Männer ihrer Sippe, Theodahad voran, ihr Vetter und ihr König, erfüllen nicht die Pflicht der Blutrache; ist er doch selbst des Mordes Helfer und Hehler.

So klag' ich denn, ein freier, unbescholtener Gote edeln Stammes, ein Freund der unseligen Fürstin, an Mataswinthens, ihrer Tochter, Statt. Ich klag' um Mord! Ich klag' auf Blut!»

Und unter lautem Beifall des Volkes zog der stattliche, schöne Jüngling das Schwert und streckte es gerad vor sich auf den Richterstuhl.

«Und dein Beweis? sag an... »

«Halt, Dinggraf», scholl da eine ernste Stimme. Witichis trat vor, dem Kläger entgegen. «Bist du so alt und kennst das Recht so wohl, Meister Hildebrand, und läßt dich fortreißen von der Menge wildem Drang? Muß ich dich mahnen, ich, der jüngere Mann, an allen Rechtes erstes Gebot? Den Kläger hör' ich, die Beklagte nicht.»

«Kein Weib kann stehen in der Goten Ding», sprach Hildebrand ruhig.

«Ich weiß: doch wo ist Theodahad, ihr Gemahl und Mundwalt, sie zu vertreten?»

«Er ist nicht erschienen. »

«Ist er geladen?»

«Er ist geladen! Auf meinen Eid und den dieser Boten», sprach Arahad, «tretet vor, Sajonen.» Zwei der Fronwärter traten vor und rührten mit ihren Stäben an den Richterstuhl.

«Nun», sprach Witichis weiter, «man soll nicht sagen, daß im

Volk der Goten ein Weib ungehört, unverteidigt verurteilt werde; wie schwer sie auch verhaßt sei - sie hat ein Recht auf Rechtsgehör und Rechtsschutz. Ich will ihr Mundwalt und ihr Fürsprecher sein.»

Und er trat ruhig dem jugendlichen Ankläger entgegen, gleich ihm das Schwert ziehend.

Eine Pause der ehrenden Bewunderung trat ein. «So leugnest du die Tat?» fragte der Richter. «Ich sage: sie ist nicht erwiesen!» - «Erweise sie!» sprach der Richter zu Arahad gewendet.

Dieser, nicht vorbereitet auf ein förmliches Verfahren und nicht gefaßt auf einen Widersacher von Witichis' großem Gewicht und kräftiger Ruhe, ward etwas verwirrt. «Erweisen?» rief er ungeduldig. «Was braucht's noch Erweis? Du, ich, alle Goten wissen, daß Gothelindis die Fürstin lang und tödlich haßte. Die Fürstin verschwindet aus Ravenna: gleichzeitig die Mörderin: ihr Opfer kommt in einem Hause Gothelindis wieder zum Vorschein - tot: die Mörderin aber flieht auf ein festes Schloß. Was braucht's da noch Erweis?»

Und ungeduldig sah er auf die Goten rings umher.

«Und daraufhin klagst du auf Mord im offnen Ding?» sprach Witichis ruhig. «Wahrlich, der Tag sei fern vom Gotenvolk, da man nach solchem Anschein Urteil spricht. Gerechtigkeit, ihr Männer, ist Licht und Luft! Weh, weh dem Volk, das seinen Haß zu seinem Recht erhebt. Ich selber hasse dieses Weib und ihren Gatten: aber wo ich hasse, bin ich doppelt streng mit mir.»

Und so edel und so schlicht sprach er dies Wort, daß aller Goten Herzen dem treuen Manne zuschlugen.

«Wo sind die Beweise?» fragte nun Hildebrand. «Hast du handhafte Tat? Hast du blickenden Schein? Hast du gichtigen Mund? Hast du echten Eid? Heischest du der Verklagten Unschuldeid?»

«Beweis!» wiederholte Arahad zornig. «Ich habe keinen als

meines Herzens festen Glauben.»

«Dann», sprach Hildebrand -

Doch in diesem Augenblick bahnte sich ein Sajo vom Tore her den Weg zu ihm und sprach: «Römische Männer stehen am Eingang. Sie bitten um Gehör: sie wissen, sagen sie, alles um der Fürstin Tod.»

«Ich fordre, daß man sie höre», rief Arahad eifrig, «nicht als Kläger, als Zeugen des Klägers.»

Hildebrand winkte, und der Sajo eilte, die Gemeldeten durch die neugierige Menge heraufzuführen. Voran schritt ein von Jahren gebeugter Mann in härener Kutte, den Strick um die Lenden: die Kapuze seines Überwurfs machte seine Züge unkenntlich; zwei Männer in Sklaventracht folgten. Fragende Blicke ruhten auf der Gestalt des Greises, dessen Erscheinung bei aller Einfachheit, ja Armut, von seltner Würde geadelt war.

Als er angelangt war vor dem Richterstuhl Hildebrands, sah ihm Arahad dicht ins Antlitz und trat mit Staunen rasch zurück.

«Wer ist es», fragte der Richter, «den du zum Zeugen stellest deines Wortes? Ein unbekannter Fremdling?» - «Nein», rief Arahad und schlug des Zeugen Mantel zurück, «ein Name, den ihr alle kennt und ehrt: Marcus Aurelius Cassiodorus.»

Ein Ruf allgemeinen Staunens flog über die Dingstätte.

«So hieß ich», sprach der Zeuge, «in den Tagen meines weltlichen Lebens: jetzt nur Bruder Marcus.» Und eine hohe Weihe lag in seinen Zügen - die Weihe der Entsagung.

«Nun, Bruder Marcus», forschte Hildebrand, «was hast du uns zu melden vom Tode Amalaswinthens? Sag' uns die volle Wahrheit und nur die Wahrheit.»

«Die werd' ich sagen. Vor allem wißt: nicht Streben nach menschlicher Vergeltung führt mich her, nicht den Mord zu rächen bin ich gekommen, die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr! - Nein, den letzten Auftrag der

Unseligen, der Tochter meines großen Königs, zu erfüllen, bin ich da.» Und er zog eine Papyrusrolle aus dem Gewande. «Kurz vor ihrer Flucht aus Ravenna richtete sie diese Zeilen an mich, die ich, als ihr Vermächtnis an das Volk der Goten, mitzuteilen habe: <Den Dank einer zerknirschten Seele für deine Freundschaft. Mehr noch als die Hoffnung der Rettung labt das Gefühl unverlorner Treue. Ja, ich eile auf deine Villa im Bolsener See, führt doch der Weg von da nach Rom, nach Regeta, wo ich vor meinen Goten all' meine Schuld aufdecken und auch büßen will. Ich will sterben, wenn es sein muß, aber nicht durch die tückische Hand meiner Feinde, nein, durch den Richterspruch meines Volkes, das ich Verblendete ins Verderben geführt. Ich habe den Tod verdient, nicht nur um des Blutes willen der drei Herzoge, die, alle sollen es erfahren, durch mich starben, mehr noch um des Wahnes willen, mit dem ich mein Volk zurückgesetzt um Byzanz. Gelange ich lebend nach Regeta, so will ich warnen und mahnen mit der letzten Kraft meines Lebens: fürchtet Byzanz! Byzanz ist falsch wie die Hölle, und ist kein Friede denkbar zwischen ihm und uns.

Aber warnen will ich auch vor dem Feind im Innern.

König Theodahad spinnt Verrat, er hat an Petros, den Gesandten von Byzanz, Italien und die Gotenkrone verkauft: er hat getan, was ich dem Griechen weigerte. Seht euch vor, seid stark und einig. Könnt' ich sterbend sühnen, was ich lebend gefehlt).»

In tiefer Stille hatte das Volk die Worte vernommen, die Cassiodor mit zitternder Stimme gesprochen, und die jetzt wie aus dem Jenseits herüberzutönen schienen.

Auch als er geendet, wirkte noch der Eindruck des Mitleids und der Trauer fort in feierlichem Schweigen.

Endlich erhob sich der alte Hildebrand und sprach: «Sie hat gefehlt: sie hat

Вы читаете Ein Kampf um Rom
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату