gebüßt. Tochter Theoderichs, das Volk der Goten verzeiht dir deine Schuld und dankt dir deine Treue.»
«So mög' ihr Gott vergeben Amen!» sprach Cassiodor. «Ich habe niemals die Fürstin an den Bolsener See geladen, ich konnt' es nicht: vierzehn Tage zuvor hatt' ich all meine Güter verkauft an die Königin Gothelindis.»
«Sie also hat ihre Feindin», fiel Arahad ein, «seinen Namen mißbrauchend, in jenes Haus gelockt. Kannst du das leugnen, Graf Witichis?»
«Nein», sprach dieser ruhig, «aber», fuhr er zu Cassiodor gewendet fort, «hast du auch Beweis, daß die Fürstin daselbst nicht zufälligen Todes gestorben, daß Gothelindis ihren Tod herbeigeführt?»
«Tritt vor, Syrius, und sprich!» sagte Cassiodor, «ich bürge für die Treue dieses Mundes.» Der Sklave trat vor, neigte sich und sprach: «Ich habe seit zwanzig Jahren die Aufsicht über die Schleusen des Sees und die Wasserkünste des Bades der Villa im Bolsener See: niemand außer mir kannte dessen Geheimnisse. Als die Königin Gothelindis das Gut erkauft, wurden alle Sklaven Cassiodors entfernt und einige Diener der Königin eingesetzt, ich allein ward belassen.
Da landete eines frühen Morgens die Fürstin Amalaswintha auf der Insel, bald darauf die Königin. Diese ließ mich sofort kommen, erklärte, sie wolle ein Bad nehmen, und befahl mir, ihr die Schlüssel zu allen Schleusen des Sees und zu allen Röhren des Bades zu übergeben und ihr den ganzen Plan des Druckwerks zu erklären. Ich gehorchte, gab ihr die Schlüssel und den auf Pergament gezeichneten Plan, warnte sie aber nachdrücklich, nicht alle Schleusen des Sees zu öffnen und nicht alle Röhren spielen zu lassen: das könne das Leben kosten.
Sie aber wies mich zürnend ab, und ich hörte, wie sie ihrer Badsklavin befahl, die Kessel nicht mit warmem, sondern mit heißem Wasser zu füllen.
Ich ging, besorgt um ihre Sicherheit, und hielt mich in der Nähe des Bades.
Nach einiger Zeit hörte ich an dem mächtigen Brausen und Rauschen, daß die Königin dennoch gegen meinen Rat die ganze Flut des Sees hereingelassen: zugleich hörte ich in allen Wänden das dampfende Wasser zischend aufsteigen, und da mir obendrein dünkte, als vernehme ich, gedämpft durch die Marmormauern, ängstlichen Hilfeschrei, eilte ich auf den Außengang des Bades, die Königin zu retten. Aber wie erstaunte ich, als ich an dem mir wohlbekannten Mittelpunkt der Künste, an dem Medusenhaupt, die Königin, die ich im Bad, in Todesgefahr wähnte, völlig angekleidet stehen sah.
Sie drückte an den Federn und wechselte mit jemand, der im Bade um Hilfe rief, zornige Worte. Entsetzt und dunkel ahnend, was da vorging, schlich ich, zum Glück noch unbemerkt, hinweg.
«Wie, Feigling?» sprach Witichis, «du ahntest, was vorging, und schlichte hinweg?»
«Ich bin nur ein Sklave, Herr, kein Held; und hätte mich die grimme Königin bemerkt, ich stünde wohl nicht hier, sie anzuklagen. Gleich darauf erscholl der Ruf, die Fürstin Amalaswintha sei im Bade ertrunken.»
Ein Murren und Rufen drang tosend durch das versammelte Volk.
Frohlockend rief Arahad: «Nun, Graf Witichis, willst du sie noch beschützen?» - «Nein», sprach dieser ruhig, das Schwert einsteckend, «ich schütze keine Mörderin. Mein Amt ist aus.» Und mit diesem Wort trat er von der linken auf die rechte Seite, zu den Anklägern, hinüber.
«Ihr, freie Goten, habt das Urteil zu finden und das Recht zu schöpfen», sprach Hildebrand, «ich habe nur zu vollziehen, was ihr gefunden. So frag' ich euch, ihr Männer des Gerichts, was dünkt euch von dieser Klage, die Graf Arahad, des Aramuth Sohn, der Wölsung, erhoben gegen Gothelindis, die Königin? Sagt an: ist sie des Mordes schuldig?»
«Schuldig! Schuldig!» scholl es mit vielen tausend Stimmen, und keine sagte nein.
«Sie ist schuldig», sagte der Alte aufstehend. «Sprich, Kläger, welche Strafe forderst du um diese Schuld?»
Arahad erhob das Schwert gerade gegen Himmel: «Ich klage um Mord. Ich klage auf Blut. Sie soll des Todes sterben.»
Und ehe Hildebrand seine Frage an das Volk stellen konnte, war die Menge von zorniger Bewegung ergriffen, alle Schwerter flogen aus den Scheiden und blitzten gen Himmel auf, und alle Stimmen riefen: «Sie soll des Todes sterben!» -
Wie ein furchtbarer Donner rollte das Wort, die Majestät des Volksgerichts vor sich her tragend, über das weite Gefild, daß bis in weite Ferne die Lüfte widerhallten. -
«Sie stirbt des Todes», sprach Hildebrand aufstehend, «durch das Beil. Sajonen, auf, und sucht, wo ihr sie findet.»
«Halt an», sprach der starke Hildebad vortretend, «schwer wird unser Spruch erfüllt werden, solang dies Weib unseres Königs Gemahlin. Ich fordre deshalb, daß die Volksgemeinde auch gleich die Klagen prüfe, die wir gegen Theodahad auf der Seele haben, der ein Volk von Helden so unheldenhaft beherrscht. Ich will sie aussprechen, diese Klagen. Merkt wohl, ich zeihe ihn des Verrates, nicht nur der Unfähigkeit, uns zu retten, uns zu führen.
Schweigen will ich davon, daß wohl schwerlich ohne sein Wissen seine Königin ihren Haß an Amalaswintha kühlen konnte, schweigen davon, daß diese in ihren letzten Worten uns vor Theodahads Verrat gewarnt. Aber ist es nicht wahr, daß er den ganzen Süden des Reiches von Männern, Waffen, Rossen, Schiffen entblößt, daß er alle Kraft nach den Alpen geworfen hat, bis daß die elenden Griechlein ohne Schwertstreich Sizilien gewinnen, Italien betreten konnten? Mein armer Bruder Totila mit seiner Handvoll Leuten allein steht ihnen entgegen. Statt ihm den Rücken zu decken, sendet der König auch noch
Witichis, Teja, mich nach dem Norden. Mit schwerem Herzen gehorchten wir: denn wir ahnten, wo Belisar landen werde. Nur langsam rückten wir vor, jede Stunde den Rückruf erwartend. Umsonst. Schon lief durch die Landschaften, die wir durchzogen, das dunkle Gerücht, Sizilien sei verloren, und die Welschen, die uns nach Norden ziehen sahen, machten spöttische Gesichter. So waren wir ein paar Tagemärsche an der Küste hingezogen. Da traf mich dieser Brief meines Bruders Totila:
<Hat denn, wie der König, so das ganze Volk der Goten, so mein Bruder mich aufgegeben und vergessen? Belisar hat Sizilien überrascht. Er ist gelandet. Alles Volk fällt ihm zu. Unaufhaltsam dringt er gegen Neapolis. Vier Briefe hab' ich an König Theodahad um Hilfe, geschrieben. Alles umsonst. Kein Segel erhalten. Neapolis ist in höchster Gefahr. Rettet, rettet Neapolis und das Reich! >»
Ein Ruf grimmigen Schmerzes ging durch die Tausende gotischer Männer.
«Ich wollte», fuhr Hildebad fort, «augenblicklich mit all unsren Tausendschaften umkehren, aber Graf Witichis, mein Oberfeldherr, litt es nicht. Nur das setzte ich durch, daß wir die Truppen Halt machen ließen und mit wenigen Reitern hierher flogen zu warnen, zu retten, zu rächen. Denn Rache, Rache heisch' ich an König Theodahad: nicht nur Torheit und Schwäche, Arglist war es, daß er den Süden den Feinden preisgegeben. Hier dieser Brief beweist es. Viermal hat ihn mein Bruder gemahnt, gebeten. All umsonst. Er gab ihn, er gab das Reich in Feindeshand. Weh uns, wenn Neapolis fällt, schon gefallen ist. Ha, er soll nicht länger herrschen, nicht leben soll er länger, der das verschuldet hat. Reißt ihm die Krone der Goten vom Haupt, die er geschändet, nieder mit ihm! Er sterbe!»
«Nieder mit ihm! Er sterbe!» donnerte das Volk im mächtigem Echo
Вы читаете Ein Kampf um Rom