halten, ehe sie mir die Tore schließen, denn: <Athalwin>, hat der Vater gesagt, wie er ging, <halt mir das Erbe recht in acht, und wahre mir die Mutter! Ich verlaß mich auf dich!> Und ich gab ihm die Hand drauf. So muß ich Wort halten.»
Damit schritt er den Hof entlang, an der Vorderseite des Wohnhauses vorüber, durchmusterte die Nebengebäude zur Rechten und wollte sich eben nach der Rückseite des Geviertes wenden, als er durch lautes Bellen der jungen Hunde zur Linken auf ein Geräusch an dem Holzzaun, der das Ganze umfriedete, aufmerksam wurde.
Er schritt nach der bezeichneten Ecke hin und erstaunte, denn auf dem Zaune saß oder über denselben herein stieg eine seltsame Gestalt. Es war ein großer, alter, hagrer Mann in grobem Wams und ganz rauhem Loden, wie ihn die Berghirten trugen; als Mantel hing eine mächtige Wolfsschur unverarbeitet von seinen Schultern nieder, und in der Rechten trug er einen riesigen Bergstock mit scharfer Stahlspitze, mit welchem er die Hunde abwehrte, die zornig an dem Zaun hinaufsprangen. Eilends lief der Knabe hinzu. «Halt, du landfremder Mann, was tust du auf meinem Zaun? Willst du gleich hinaus und herab?»
Der Alte stutzte und sah forschend auf den schönen Knaben. «Herunter, sag' ich!» wiederholte dieser. - «Begrüßt man so in diesem Hof den wegmüden Wandrer?» - «Ja, wenn der wegmüde Wandrer über den Hinterzaun steigt. Bist du was Rechtes und willst du was Rechtes, - da vorn steht das große Hoftor sperrangelweit offen: da komm herein.»
«Das weiß ich selbst, wenn ich das wollte.» Und er machte Anstalten, in den Hof hereinzusteigen.
«Halt», rief zornig der Kleine, «da kommst du nicht herab! Faß, Griffo! Faß, Wulfo! Und wenn du die zwei jungen nicht scheust, so ruf' ich die Alte! Dann gib acht! He Thursa, Thursa, leid's nicht!»
Auf diesen Ruf schoß um die Ecke des Roßstalles ein riesiger, grauborstiger Wolfshund mit wütendem Gebell herbei und schien ohne weiteres dem Eindringling an die Gurgel springen zu wollen.
Aber kaum stand das grimmige Tier vor dem Zaun, dem Alten gegenüber, so verwandelte sich seine Wut plötzlich in Freude: sein Bellen verstummte und wedelnd sprang er an dem Alten hinan, der nun ganz gemütlich hereinstieg. «Ja, Thursa, treues Tier, wir halten noch zusammen», sagte er. - - «Nun sage mir, kleiner Mann, wie heißt du?» - «Athalwin heiß' ich», versetzte dieser, scheu zurücktretend, «du aber, - ich glaube, du hast den Hund behext - wie heißt du?» - «Ich heiße wie du», sagte der Alte freundlicher. «Und das ist hübsch von dir, daß du heißest wie ich. Sei nur ruhig, ich bin kein Räuber! Führ' mich zu deiner Mutter, daß ich ihr sage, wie tapfer du deine Hofwehr verteidigt hast.»
Und so schritten die beiden Gegner friedlich in die Halle, Thursa bellte freudig springend voran.
Das korinthische Atrium der Römervilla mit seinen Säulenreihen an den vier Wänden hatte die gotische Hausfrau mit leichter Änderung in die große Halle des germanischen Hofbaues verwandelt. In Abwesenheit des Hausherrn war sie zu festlicher Bewirtung nicht bestimmt, und Rauthgundis hatte diese Zeit ihre Mägde aus der Frauenkammer hierher versetzt. In langer Reihe saßen rechts die gotischen Mägde mit sausender Spule; ihnen gegenüber einige römische Sklavinnen mit feineren Arbeiten beschäftigt. In der Mitte der Halle schritt Rauthgundis auf und nieder und ließ selbst die flinke Spule auf dem glatten Mosaik des Estrichs tanzen, aber dabei auch nach rechts und links stets die wachen Blicke gleiten.
Das kornblumenblaue Kleid von selbstgewirktem Stoff war über die Knie heraufgeschürzt und hing gebauscht über dem Gurt von stählernen Ringen, der ihren einzigen Schmuck, ein Bündel von Schlüsseln, trug. Das dunkelblonde Haar war rings an Stirn und Schläfen zurückgekämmt und am Hinterkopf in einen einfachen Knoten geschürzt. Es lag viel schlichte Würde in der Gestalt, wie sie mit ernst prüfendem Blick auf und nieder schritt.
Sie trat zu der jüngsten der gotischen Mägde, die zuunterst in der Reihe saß, und beugte sich zu ihr. «Brav, Liuta», sprach sie, «dein Faden ist glatt, und du hast heut' nicht so oft ausgesehen nach der Tür wie sonst. Freilich», fügte sie lächelnd hinzu - «es ist jetzt kein Verdienst, da doch kein Wachis zur Tür hereinkommen kann.» Die junge Magd errötete. Rauthgundis legte die Hand auf ihr glattes Haar: «Ich weiß», sagte sie, «du hast mir im stillen gegrollt, daß ich dich, die Verlobte, dieses Jahr über täglich morgens und abends eine Stunde länger spinnen ließ als die andern: es war grausam, nicht? Nun, sieh: es war dein eigner Gewinn. Alles, was du dies Jahr aus meinem besten Garn gesponnen, ist dein; ich schenk' es dir zur Aussteuer: so brauchst du nächstes Jahr, das erste deiner Ehe, nicht spinnen.»
Das Mädchen faßte ihre Hand und sah ihr dankbar weinend ins Auge. «Und dich nennen sie streng und hart!» war alles, was sie sagen konnte. - «Mild mit den Guten, streng mit den Bösen, Liuta. Alles Gut, dessen ich hier walte, ist meines Herrn Eigen und meines Knaben Erbe. Da heißt es genau sein.»
Jetzt wurden der Alte und Athalwin in der Tür sichtbar: der Knabe wollte rufen, aber sein Begleiter verhielt ihm den Mund und sah eine Weile unbemerkt dem Schalten und Walten Rauthgundens zu, wie sie der Mägde Arbeit prüfte, lobte und schalt und neue Aufträge gab.
«Ja», sprach der Alte endlich zu sich selbst, «stattlich sieht sie aus, und sie scheint wohl die Herrin im Hause - doch, wer weiß alles?» Da war Athalwin nicht mehr zu halten: «Mutter», rief er, «ein fremder Mann, der Thursa behext und über den Zaun gestiegen und zu dir will. Ich kann's nicht begreifen.»
Da wandte sich die stattliche Frauengestalt würdevoll dem Eingang zu, die Hand vor Augen haltend, die blendende Abendsonne, die in die offne Tür brach, abzuwehren. «Was führst du den Gast hierher? Du weißt, der Vater ist nicht hier. Führ' ihn in die große Halle. Sein Platz ist nicht bei mir.»
«Doch, Rauthgundis! Hier, bei dir, ist mein Platz», sprach der Alte vortretend.
«Vater!» rief die Frau und lag an der Brust des Fremden. Verdutzt und nicht ohne Mißbehagen sah Athalwin auf die Gruppe. «Du bist also der Großvater, der da oben in den Nordbergen haust? Nun grüß Gott, Großvater! Aber warum sagst du denn das nicht gleich? Und warum kommst du nicht durchs Tor wie andre ehrliche Leute?»
Der Alte hielt seine Tochter in beiden Händen und sah ihr scharf ins Auge. «Sie sieht glücklich aus und gedeihend», brummte er vor sich hin.
Da faßte sich Rauthgundis: rasch warf sie einen Blick durch die Halle. Alle Spindeln ruhten außer Liutas - aller Augen musterten neugierig den Alten.
«Ob ihr wohl spinnen wollt, fürwitzige Elstern?» rief sie streng. «Du, Marcia, hast vor lauter Gaffen den Flachs herabfallen lassen, du kennst den Brauch, du spinnst eine Spule mehr, - ihr andern macht Feierabend. Komm, Vater! Liuta, rüst' ein laues Bad und Fleisch und Wein. -»
«Nein!» sprach der Vater, «der alte Bauer hat am Berg auch nur Bad und Trunk am Wasserfall. Und was das Essen anlangt -draußen, vorm Hinterzaun, am Grenzpfahl, liegt mein Rucksack, den holt mir: da hab' ich mein Speltbrot und meinen Schafkäse, den bringt mir. - Wieviel habt ihr Rinder im Stall und Rosse auf der Weide?» Es war seine erste Frage.
Eine Stunde darauf - schon war es dunkel geworden, und der kleine Athalwin war kopfschüttelnd über den Großvater zu Bett gegangen, da wandelten Vater und Tochter beim Licht des ausgehenden Mondes ins Freie. «Ich hab' nicht Luft genug da drinnen», hatte der Alte gesagt.
Sie sprachen viel und ernst, wie sie durch den Hof und durch den Garten schritten. Mitten drein warf der Alte immer wieder Fragen nach ihrer Wirtschaft auf, wie sie ihm Gerät oder Gebäude nahelegten, und in seinem Ton lag keine Zärtlichkeit: nur manchmal in dem Blick, der
Вы читаете Ein Kampf um Rom