Welschen geführt - und grollst ebenso, weil er mich nicht nach Rom mitten unter sie führt!»

«Du sollst's auch nicht tun! Aber er soll's wollen. Er soll dich nicht entbehren können. Aber des Königs Feldherr wird sich des Bauernkindes schämen.»

Da, ehe Rauthgundis antworten konnte, sprengte ein Reiter an das jetzt verschlossene Hoftor, vor dem sie eben standen. «Auf, aufgemacht!» rief er, mit der Streitaxt an die Pfosten schlagend. «Wer ist da draußen'» fragte der Alte vorsichtig. - «Aufgemacht! So lang läßt man einen Königsboten nicht warten!»

«Es ist Wachis», sprach Rauthgundis, den schweren Riegelbalken im Ring zurückschiebend, «was bringt dich so plötzlich zurück?»

«Du bist es selbst, die mir öffnet!» rief der treue Mann, «o Gruß und Heil, Frau Königin der Goten! Der Herr ist zum König des Volks gewählt. Diese meine Augen sahen ihn hoch auf den Heerschild gehoben. Er läßt dich grüßen: und entbietet dich und Athalwin nach Rom. In zehn Tagen sollst du aufbrechen.»

In allem Schrecken und in aller Freude und zwischen allen Fragen durch konnte sich Rauthgundis nicht enthalten eines freudig stolzen Blicks auf ihren Vater. Dann warf sie sich an seine Brust und weinte. «Nun», fragte sie endlich sich losmachend, «Vater, was sagst du nun?»

«Was ich sage? Jetzt ist das Unglück da, das mir geahnt! Ich gehe noch heute nacht zurück auf meinen Berg.»

Zweites Kapitel

Während die Goten bei Regeta tagten, umklammerte in weit geschwungenem Halbkreis das mächtige Heerlager Belisars die hart bedrängte Stadt Neapolis.

Rasch, unaufhaltsam wie ein Brand in getrocknetem

Heidegras, hatte sich das Heer der Byzantiner von der äußersten Südostspitze Italiens bis vor die Mauern der pathenopeischen Stadt gewälzt, ohne Widerstand zu finden. Denn dank den Befehlen Theodahads waren nicht hundert Gotenkrieger in jenen Gegenden zu finden.

Das kurze Vorpostengefecht am Passe Jugum war der einzige Aufenthalt, auf den die Griechen stießen. Die römische Bevölkerung vor Bruttien mit den Städten Regium, Vibo und Squyllacium, Tempsa und Croton, Ruscia und Thurii, von Calabrien mit den Städten Gallipolis, Tarentum und Brundisium, von Lucanien mit den Städten Vella und Buxentum, von Apulien mit den Städten Acheruntia und Canusium, Salernum, Nuceria und Campsä, und viele andere Städte nahmen Belisar mit Jubel auf, als er ihnen im Namen des rechtgläubigen Kaisers Justinian die Befreiung von dem Joche der Ketzer und Barbaren verkündete. Bis an den Aufidus im Osten, bis an den Sarnus im Südwesten war Italien den Goten entrissen, und erst an den Wällen von Neapel brach sich der Ungestüm dieser feindlichen Wogen.

Und wohl ein herrliches Kriegsschauspiel waren diese Heerlager Belisars zu nennen. Im Norden, vor der Porta Nolana, dehnte sich das Lager Johannes des Blutigen. Diesem tapferen Führer war die Via Nolana anvertraut und die Aufgabe, die Straße nach Rom zu erzwingen. Hier in den breiten Wiesenflächen, auf den Saatfeldern fleißiger Goten, tummelten die Massageten und die gelben Hunnen ihre kleinen, häßlichen Gäule. Daneben lagerten leichte persische Söldner, in Linnenpanzern, mit Pfeil und Bogen; dann schwere armenische Schildträger, Makedonen mit zehn Fuß langen «Sarissen» (Lanzen) und große Massen thessalischer und thrakischer, aber auch sarazenischer Reiter, zu verhaßter Untätigkeit in diesem Belagerungskampf verurteilt und ihre Muße nach Kräften ausfüllend mit Streifzügen ins Innere des Landes.

Das mittlere Lager, gerade im Osten der Stadt, war von dem

Hauptheer erfüllt: Belisars großes Feldherrnzelt von blauer sidonischer Seide mit dem Purpurwimpel ragte in seiner Mitte. Hier stolzierte die Leibwache, die Belisar selbst bewaffnete und besoldete, und zu der nur die erlesensten Leute, die sich dreimal durch Todesverachtung im Kampf ausgezeichnet, zugelassen wurden: - aus ihr gingen Belisars Schüler und beste Heerführer hervor - in reichvergoldeten Helmen mit roten Roßhaarkämmen, den besten Brust- und Beinharnischen, ehernen Schilden, dem breiten Schwert und der partisanengleichen Lanze. Hier bildeten den Kern des Fußvolks achttausend Illyrer, die einzige gute Truppe, die das Griechenreich noch selbst stellte; hier aber lagerten auch unter dem Befehl ihrer Stammesfürsten die awarischen, bulgarischen, sarmatischen und auch germanischen Scharen, wie Heruler und Gepiden, die Byzanz um schweres Geld werben mußte, den Mangel der kriegsfähigen Mannschaft zu decken. Hier waren auch die ausgewanderten und die vielen Tausend übergegangenen Italier.

Endlich das südwestliche Lager, das sich den Strand entlang dehnte, befehligte Martinus, der den Belagerungswerkzeugen vorstand: hier standen die Katapulten und Ballisten, die Mauerbrecher und Wurfmaschinen in Vorrat: hier wogten die isaurischen Bundesgenossen und die Scharen, die das neu von den Vandalen zurückeroberte Afrika stellte: maurische, numidische Reiter, libysche Schleuderer durcheinander.

Aber vereinzelt waren Abenteurer und Söldner fast aus allen Barbarenstämmen der drei Erdteile vertreten: Bajuwaren von der Donau, Alamannen vom Rhein, Franken von der Maas, Burgunden von der Rhone, dann wieder Anten vom Dniester, Lazier vom Phlasis, pfeilkundige Abasgen, Sabiren, Lebanthen und Lykaonen aus Asien und Afrika. So bunt zusammengesetzt aus barbarischen Haufen war die Kriegsmacht, mit der Justinian die gotischen «Barbaren» vertreiben und Italien befreien wollte. Den Befehl über die Vorposten hatten immer und überall die Leibwächter Belisars, und diese Kette zog sich um die Stadt her von der Porta Capuana fast bis an die Wogen des Meeres. Neapolis aber war schlecht befestigt und schwach besetzt. Nicht tausend Goten waren es, welche die ausgedehnten Werke gegen ein Heer von vierzigtausend Byzantinern und Italiern verteidigen sollten.

Graf Uliaris, der Befehlshaber der Stadt, war ein tapferer Mann und hatte bei seinem Bart geschworen, die Feste nicht zu übergeben. Aber auch er hätte der überlegnen Macht und Feldherrnkunst Belisars wohl nicht lange widerstehen können, wäre nicht ein glücklicher Umstand ihm zu Hilfe gekommen. Das war die unzeitige Rückkehr der griechischen Flotte nach Byzanz. Als nämlich Belisar, nachdem er sein gelandetes Heer in Regium eine Nacht geruht und gemustert hatte, den allgemeinen Aufbruch mit der Land- und Seemacht gegen Neapolis befahl, sandte ihm sein Nauarchos Konon einen bisher geheimgehaltenen Auftrag des Kaisers, wonach die Flotte sofort nach der Landung nach Nikopolis an der griechischen Küste zurücksegeln sollte, angeblich, neue Verstärkungen herüberzuholen, in Wahrheit aber nur, den Prinzen Germanus, Justinians Neffen, mit den kaiserlichen Lanzenträgern nach Italien zu führen, der die Siegesschritte Belisars beobachten, überwachen, nötigenfalls hemmen und, als Oberfeldherr, die Interessen des kaiserlichen Mißtrauens gegen den Unterfeldherrn Belisar wahren sollte. Zähneknirschend mußte Belisar seine Flotte im Augenblick, da er ihrer am meisten bedurfte, absegeln sehen, und nur mit vielen Bitten erlangte er, daß ihm der Nauarch vier Kriegstrieren, die noch bei Sizilien kreuzten, zu senden versprach.

So hatte denn Belisar, als er sich anschickte, Neapolis zu belagern, die Stadt zwar von Nordost, Ost und Südost mit seiner Landmacht eng einschließen können - den Westen, die Straße nach Rom, durch Castellum Tiberii gedeckt, hielt Graf Uliaris mit höchster Kraft frei - aber den Hafen von Neapolis und seine Verbindung mit der See hatte er nicht zu sperren vermocht.

Anfangs zwar tröstete er sich damit, daß ja auch die Belagerten keine Flotte hätten und also von ihrer Verbindung mit dem Meer nicht eben viel Vorteil würden ziehen können. Aber hier trat ihm zuerst die Begabung und die Kühnheit eines Gegners in den Weg, den er später noch mehr fürchten lernen sollte. Das war Totila. Kaum hatte dieser Neapolis erreicht, der Leiche des alten Valerius mit Julius die letzte Ehre erwiesen und die ersten Tränen Valerias getrocknet, als er mit rastloser Tätigkeit an der Aufgabe arbeitete, eine Flotte aus dem Nichts zu schaffen.

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