- Mit größtem Vergnügen, versicherte Balfour.

- Siehst du, Vater, fuhr der junge Mann fort, so ein Porträt ist ganz wie ein Fisch. der hat auch nur Wert, wenn er ganz frisch ist! Bedenke doch, seit deiner Abfahrt von Hobart-Town sind schon mehr als zehn Monate vergangen, und ich glaube bestimmt, du ähnelst deiner letzten Photographie fast gar nicht mehr, dem Bilde, das in deinem Zimmer auf dem Kaminsimse steht.

- Nat hat recht, bestätigte Hawkins lachend. Ich hätte dich heute Morgen beinahe kaum wiedererkannt.

- Das ist doch etwas stark! rief Gibson.

- Nein nein, ich versichr' es dir. Nichts verändert das Aussehen des Menschen mehr als so eine zehnmonatige Seereise!

- So tue, was du nicht lassen kannst, mein Sohn, antwortete der Kapitän, ich bin zu jedem Opfer bereit.

- Und welche Haltung willst du einnehmen, fragte der Reeder scherzend, die des Seemannes, der gerade abfährt, oder die dessen, der eben ankommt?. Willst du dich als Befehlshaber zeigen. den Arm nach dem Horizonte ausgestreckt. in der Hand den Sextanten oder das Fernrohr. die Haltung des 'Nächsten nach Gott'?

- Ganz wie du es willst, Hawkins.

- Und wenn du dann vor dem Apparate sitzt, so denke an irgend etwas. Das gibt dem Gesicht einen lebendigeren Ausdruck. Woran wirst du denn denken?

- O, an meine liebe Frau zu Hause, antwortete Gibson, an meinen Sohn. an dich. meinen Freund.

- Nun, dann werden wir ja ein vortreffliches Bild bekommen!«

Nat Gibson besaß einen jener tragbaren und jetzt hoch vervollkommneten Apparate, die ein Negativ in wenigen Sekunden liefern, Gibson war auch augenscheinlich sehr befriedigt von dem, was sein Sohn nach Besichtigung der

Platte sagte, die nun zur weiteren Benutzung Herrn Balfour überlassen wurde.

Hawkins, der Kapitän und Nat verließen darauf das Kontor, um sich alles zu besorgen, was sie für eine neun- bis zehnwöchige Reise brauchten.

In Wellington fehlt es nicht an Warenhäusern, wo man allen Schiffsbedarf findet: Nahrungsmittel, Hilfsmaschinen, Takelwerk, Blöcke, Taue und Seile, Werkzeuge, Wechselsegel, Angelgeräte, Tönnchen mit Teer und Pech, Kalfater- und Zimmermannswerkzeuge u. s. w. Außer dem Ersatze für einige aufgeschossene Scheiben Tau, beschränkten sich die Bedürfnisse der Brigg aber auf die für Passagiere und Mannschaften nötigen Nahrungsmittel. Das war schnell eingekauft und wurde, sobald die Matrosen Wickley und Hobbes und der Schiffskoch ans Land gekommen waren, sofort nach dem »James-Cook« geschafft.

Gibson erledigte auch gleich noch die Formalitäten, die beim Ein- und Auslaufen jedes Schiffes zu erfüllen sind. Nun hinderte die Brigg also nichts mehr, mit Tagesanbruch abzusegeln, da sie in glücklicherer Lage als viele Fahrzeuge war, die infolge der Desertion ihrer Leute in Wellington brach liegen bleiben mußten.

Auf ihren verschiedenen Wegen durch die Stadt und inmitten einer sehr geschäftigen Menge trafen Hawkins und seine Begleiter auf eine Anzahl Maoris aus der Umgebung. Ihre Kopfzahl hat sich in Neuseeland ebenso stark verringert wie die der eingebornen Australier in Australien und vorzüglich die der Tasmanier in Tasmanien, von welcher Rasse schon fast die letzten Vertreter verschwunden sind. Auf der Nordinsel leben kaum noch mehr als etwa vierzig Eingeborne, und auf der Südinsel deren vielleicht noch zweitausend. Die Maoris betreiben ziemlich ausgebreiteten Gemüsebau und vorzüglich die Kultur des hier sehr reichlich vorkommenden ausgezeichneten Obstes.

Die Männer sind von recht stattlicher Erscheinung mit den Merkmalen eines tatkräftigen Charakters und einer kräftigen, zähen Konstitution. Ihre Frauen scheinen dagegen auf etwas niedrigerer Stufe zu stehen. Hier muß man sich daran gewöhnen, in den Straßen das schwächere Geschlecht mit der Pfeife im Munde und es fast unmäßiger als die Männer rauchen zu sehen. Freilich erschwert das etwas den Austausch der gewöhnlichsten Höflichkeiten mit diesen Maoridamen, da es hier einmal Sitte ist, einander nicht allein Guten Tag zu wünschen und die Hand zu drücken, sondern zur Begrüßung sich gegenseitig mit der Nase zu reiben.

Die Eingebornen sind allem Anscheine nach polynesischer Abstammung, und es ist sogar möglich, daß die ersten Einwanderer, die sich nach Neuseeland wendeten, von der gegen zwölfhundert Seemeilen weiter nördlich gelegenen Inselgruppe von Tonga-Tabu gekommen wären.

In der Hauptsache verschulden es zwei Ursachen, daß die Urbevölkerung so erschreckend abnimmt und in Zukunft zu verschwinden bestimmt ist. Die eine Ursache ihres Verfalles sind die Krankheiten - vor allem die Lungenschwindsucht -die in deren Familien arge Verheerungen anrichten; die zweite, noch furchtbarere, ist die Trunksucht, und gerade die Frauen huldigen am meisten dem abscheulichen Mißbrauch geistiger Getränke.

Anderseits ist aber auch nicht zu vergessen, daß die Art der Ernährung bei den Maoris tiefgreifende Veränderungen erfahren hat. Dank den Missionaren ist jetzt vielfach der Einfluß des Christentums erkennbar. Die Eingebornen waren früher Menschenfresser, und dieser an Stickstoff überreichen Nahrung dürfte sich ihr ganzer Organismus angepaßt haben. Sei dem, wie ihm wolle: jedenfalls ist es besser, sie verschwinden von der Bildfläche, als daß sie einander aufzehren; »der Kannibalismus, bemerkt ein aufmerksamer Beobachter, hat ja doch nur ein einziges Ziel, das Abschlachten, das Verschlingen der Augen und des Herzens des Feindes, um dessen Mut zu erben und seine Sehschärfe zu gewinnen.«

Die Maoris widerstanden der Unterjochung durch die Briten bis zum Jahre 1875, wo sich der letzte König des Landes deren Oberhoheit unterwarf.

Gegen sechs Uhr kehrten Hawkins, der Kapitän und Nat Gibson nach dem Kontore zur Mittagsmahlzeit zurück, und nachdem sie sich dann von Balfour verabschiedet hatten, ließen sie sich nach der Brigg übersetzen, die nun fertig war, beim ersten Grauen des folgenden Morgens die Anker zu lichten.

Fünftes Kapitel.

Einige Reisetage

Es war um sechs Uhr früh, als sich der »James-Cook«, der alle seine Segel trug, in Bewegung setzte. Der Kapitän mußte das Schiff wiederholt wenden lassen, um aus der Bai zu kommen und die windungsreiche Ausfahrt zu passieren. Nachdem er auf diese Weise die Nicholsonspitze umschifft hatte, steuerte er in die eigentliche Meerenge ein, wo jetzt gerade ein ihm ungünstiger Nordwind wehte. Auf der Höhe von Orokiwa angelangt, konnte er jedoch schon den mehr aus Westen kommenden Seewind benutzen, dicht an diesem fahrend die große Bucht zu kreuzen, die zwischen Wellington und New-Plymouth, jenseits des Kaps Egmont, tief in das Uferland von Ika-na-Maoui einschneidet.

Der »James-Cook«, der diese Bucht in schräger Richtung durchsegelte, hatte sich damit vom Lande entfernt, das er erst in der Nähe des genannten Kaps wiedersehen sollte.

Die längs der Westküste der Nordinsel zu durchmessende Strecke war etwa hundert Meilen lang. Blieb der Wind stetig, so konnte sie binnen drei Tagen zurückgelegt werden. Infolge der Windrichtung war es übrigens unmöglich, in Sicht der Küste zu bleiben, deren hydrographische Gliederung der Kapitän vollkommen kannte, so daß es für ihn keine Gefahr hatte, in jeder beliebigen Entfernung davon zu fahren.

Der erste Tag verlief unter den angenehmsten Umständen Neben dem

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