könnten. Zunächst würde es ja genügen, sich zweier von ihnen, gleichviel welcher, zu entledigen, dann stünde die Partie gleich u. s. w.
»Das muß nun aber, schloß er seine Worte, in der kommenden Nacht geschehen. Stimmt Meister Balt dem zu, so werde ich die anderen vorbereiten, und morgen. morgen fährt die Brigg hinaus in die Weite.
- Nun, Balt, was meint Ihr dazu?« fragte Vin Mod.
Der Bootsmann verhielt sich auch dieser Aufforderung gegenüber noch schweigend.
»Heraus mit der Sprache!. Also einverstanden?«. bedrängte ihn Len Cannon.
In diesem Augenblicke rief Gibson, der sich auf dem Hinterdeck befand, Flig Balt zu sich, und dieser folgte der Aufforderung anscheinend recht gern.
»Er will also nicht mitmachen? wendete sich Len Cannon an Vin Mod.
- O doch, antwortete der Matrose, und wenn nicht in der nächsten Nacht, so doch, wenn sich die passende Gelegenheit bietet.
- Und wenn sich eine solche nicht bietet?.
- Dann werden wir sie herbeizuführen wissen, Cannon!
- Jedenfalls, erklärte der Matrose, muß das vor dem Eintreffen in Neuirland sein. Meine Kameraden und ich, wir haben auf der Brigg nicht Heuer genommen, um unter dem Befehl des Kapitäns Gibson zu fahren, und das versichere ich dir, Mod: wenn die Sache nicht von hier bis dahin ausgeführt ist, laufen wir euch in Port Praslin davon.
- Einverstanden, Len.
- Also abgemacht, Mod! Wir bringen den 'James-Cook' auf keinen Fall nach Hobart- Town zurück, denn dort müßten wir auch nur sofort die Beine unter die Arme nehmen!«
Vin Mod fühlte sich im Grunde doch etwas beunruhigt wegen der Zögerung Flig Balts. Er kannte dessen vorsichtige Natur, die ihn mehr schlau als kühn handeln ließ. Er hatte sich auch schon längst vorgenommen, ihn gelegentlich so fest zu engagieren, daß er nicht mehr zurückweichen könnte. Dabei begriff er recht wohl, daß ein glücklicher Erfolg des schwarzen Planes nur dann in Aussicht stand, wenn die Führung des Schiffs in die Hand des Bootsmannes überging. Übrigens versprach er sich, Len Cannon im Zaume zu halten, da dessen Ungeduld die ganze Sache zu gefährden drohte.
Die Fahrt verlief in günstigster Weise weiter. Am Tage blieb es windig bis zur frischen Brise, und gegen Abend wurde es stiller, die Nächte waren so schön und so erquickend nach der
Hitze des Tages, die in gleichem Verhältnisse zunahm, wie die Brigg sich dem Wendekreise des Steinbocks näherte. Hawkins, Gibson mit seinem Sohne, und Karl und Pieter Kip blieben deshalb auch plaudernd und rauchend immer sehr lange, zuweilen bis zum ersten Morgengrauen, auf dem Deck bei einander sitzen. Auch die meisten Matrosen gaben, selbst wenn sie keine Wache hatten, der freien Luft den Vorzug vor der erstickenden Atmosphäre des Volkslogis. Unter diesen Verhältnissen wäre es unmöglich gewesen, Hobbes, Burnes und Wickley zu überrumpeln, denn alle drei wären im Augenblicke zur Abwehr fertig gewesen.
Der Wendekreis wurde am Nachmittage des 7. Novembers erreicht. Fast gleichzeitig damit kamen die Pinieninsel und die Höhen von Neukaledonien in Sicht.
Die große Insel Bolade oder Baladea - kanakische Namen für Neukaledonien - hat von Südosten nach Nordwesten nicht weniger als zweihundert Seemeilen Länge und fünfundzwanzig bis dreißig Seemeilen Breite. Zu ihr gehören der Lage nach die Pinieninseln, Beaupre, Botanique und Hohohana, an der Ostseite die Gruppe der Loyalitätsinseln, deren südlichste die Insel Britannia ist.
Der neukaledonische Archipel gehört bekanntlich zu dem Kolonialbesitze Frankreichs. Er bildet einen Deportationsort, wo sehr viele Verbrecher gegen das gemeine Recht ihre Strafe verbüßen. Obwohl einzelne Entweichungen von hier vorgekommen sind, ist es doch sehr schwierig, aus diesem Gefängnis bei den Antipoden zu entfliehen. Dazu bedarf es der Hilfe von außen, jedenfalls eines zu diesem Zwecke bereit liegenden Schiffes, auf welche Weise auch wirklich schon einige Deportierte (politische Strafgefangene) entwichen sind. Sind solche Flüchtlinge aus Mangel an Booten gezwungen, nach einem Schiffe hinaus zu schwimmen, so sind sie auch noch den Zähnen der furchtbaren Haifische ausgesetzt, von denen es zwischen den Klippen wimmelt.
Übrigens ist es, mit Ausnahme des Hafens von Numea, der Hauptstadt der Insel, kaum möglich, an diesem Archipel zu landen, der durch madreporische Bänke und die daran anstürmende, wilde Brandung dagegen geschützt ist.
Sich auf einem nördlichen Kurse haltend, segelte der »JamesCook« ein gutes Stück seitwärts von der Küste der Insel hin. Bei der zwei bis drei Seemeilen betragenden Entfernung traten die Einzelheiten der Landmasse jedoch noch deutlich sichtbar hervor, vor allem die amphitheatralisch aufsteigenden Hügel an der Küste, die so kahl und dürr aussehen, daß sie zu dem Glauben verleiten, die ganze Gruppe müsse stark an Unfruchtbarkeit leiden. Auch der Kapitän Cook hatte sich 1774 hierdurch täuschen lassen, als er diese neuen Inseln entdeckte, deren hydrographische Aufnahme der französische Admiral d'Entrecasteaux erst 1792 und 1793 vervollständigte.
Die Verhältnisse liegen hier aber ganz anders. Die auf sechzigtausend Seelen geschätzte Bevölkerung Neukaledoniens sieht ihre Bedürfnisse bequem durch die Produkte des reichen Inselbodens gedeckt, denn dieser erzeugt in großer Menge Yamswurzeln, Zuckerrohr, Taro, Hibiskus, Pinien mit eßbaren Früchten, Bananen, Orangen, Kokospalmen, Brod- und Feigenbäume, sowie Zimtbäume, und das Innere ist erfüllt mit ausgedehnten Urwäldern, worin die Bäume oft eine erstaunliche Größe erreichen.
Im Laufe des 9. Novembers konnten Hawkins, Nat Gibson und die beiden Brüder hinter dem Uferlande die hohe Bergkette betrachten, die das Skelett der Insel bildet. Von Bergbächen zerrissen, wird sie von einzelnen Gipfeln noch weiter überragt, darunter vom Mont Kogt, Mont Nu, Mont Arago und vom Homedebua, der über fünfzehnhundert Meter emporsteigt. Brach dann die Nacht herein, so sah man nichts weiter als die - auch allmählich erlöschenden - Feuer der im Hintergrunde vieler Buchten siedelnden Kanaken.
Auch Flig Balt, Vin Mod, Len Cannon und dessen Kameraden hielten den Blick auf die Insel geheftet, freilich mit anderen Gedanken als die übrigen. Sie konnten ja nicht vergessen, daß sich hier mehrere hundert Verurteilte aufhielten, von denen sie gern ein halbes Dutzend noch an Bord genommen hätten.
»Da drüben, bemerkte Vin Mod, gibt es einen ganzen Haufen tüchtiger Kerle, die mit Freuden dabei wären, sich eines guten Schiffes zu bemächtigen und damit den Großen Ozean zu befahren. Hätten nur wenigstens einige darunter den Gedanken, heute Nacht zu entfliehen!. Wenn dann ihr Boot an der Brigg anlegte, wenn sie sich dann auf das Deck schwängen, ohne Hawkins und den Kapitän darum um Erlaubnis zu fragen. wie schnell würden wir uns mit ihnen verständigen.
- Gewiß, meinte Cannon, es wird nur keiner kommen.«
Er sollte damit recht behalten. Gegebenen Falles aber wären Flüchtlinge von Numea, wenn sie nicht unbemerkt an Bord gelangten, gewiß nicht in gleicher Weise aufgenommen worden, wie die Schiffbrüchigen von der »Wilhelmina«. Ein ehrbares Schiff begünstigt niemals die Flucht von Verbrechern.
Als am nächsten Tage, am 8. von Neukaledonien noch der nördliche Teil in Sicht war, segelte der »James-Cook« am Nachmittage noch an den letzten, gegen hundert Seemeilen nach Norden hinausreichenden Klippen der Insel vorüber und schlug dann einen Kurs quer durch das Korallenmeer ein.
Вы читаете Die Gebrüder Kip