wandte.
Das Boot wurde sofort von seinen Dävits hinabgelassen. Drei Matrosen, Vin Mod, Wickley und Hobbes, nahmen auf den Ruderbänken Platz. Dann stiegen Nat Gibson und die beiden Brüder ein, von denen Karl Kip das Steuer ergriff.
Es war wirklich das Achterdeck der »Wilhelmina«, was man hier vor sich sah, und darauf stand das Deckhaus äußerlich ziemlich unversehrt von dem Schiffsunfalle. Der ganze Vorderteil fehlte; er mochte wohl infolge des Gewichtes der Fracht versunken sein, wenn ihn die Meeresströmung nicht schon weiter weggetragen hatte. Der Schiffsjunge Jim, der bis zum Eselshaupt des Großmastes hinausgeschickt worden war, rief aber herunter, daß auf dem Meere nirgends noch etwas zu sehen wäre.
Am unbeschädigten Heck des Schiffes las man die beiden Namen:
»Wilhelmina. Rotterdam.«.
Das Boot legte an dem Wracke an. Stark nach links geneigt schwamm noch das Deckhaus mit einem Teile des Deckes, auf dem auch die. jetzt gänzlich überflutete Kambüse gestanden hatte. Von dem Besanmast, der mitten durch die gemeinschaftliche Kajüte ging, ragte nur noch ein zwei bis drei Fuß langer Stumpf empor. Der Mast war in der Höhe der Kimpen gebrochen, von wo noch einige Tauenden herabhingen. Vom Giekbaume, der bei dem Zusammenstoße abgerissen wurde, war nichts mehr zu sehen.
Übrigens war es leicht, in das Deckhaus einzudringen. Dessen Tür war aufgesprengt und nur zuweilen wälzte sich ein mäßiger Wasserschwall hinein.
Jetzt galt es also, auf das Wrack zu gelangen, die Kabinen neben der gemeinschaftlichen Kajüte zu durchsuchen, und vorzüglich die der beiden Brüder.
Die Kabinen des Kapitäns und des Steuermannes, die weiter nach vorn zu lagen, erwiesen sich gänzlich zerstört.
Karl Kip steuerte das Boot so, daß es sich längs des Wracks anlegte; von dieser Stelle aus konnte man das Deck erklettern, nachdem Vin Mod ein Seil an einer Schanzkleidstütze des Steuerbords befestigt hatte.
Das augenblicklich ziemlich ruhige Meer überflutete die Hauptkabine nicht, sondern schwabbte nur auf dem Reste des Verdeckes hin und her. Zuweilen hob sich auch der -vollständig entleerte - Rumpfteil hoch aus dem Wasser.
Karl und Pieter Kip, Nat Gibson und Vin Mod überließen das Boot der Obhut der Matrosen und drangen in das Deckhaus ein.
Zunächst mußte hier nachgesehen werden, ob vielleicht noch ein Lebender von der »Wilhelmina« zu finden wäre. Es erschien ja nicht unmöglich, daß einzelne Leute von der Mannschaft in der Deckhütte Zuflucht gefunden hätten, als der andere Teil des Fahrzeugs unterging.
Vergeblich. hier traf man kein lebendes Wesen an. Jedenfalls wurde es auch niemals aufgeklärt, ob der Kapitän und der Obersteuermann ihre Kabinen noch hatten verlassen können, oder ob sich vielleicht gar der Vorderteil des Schiffes mit einem Teile der Mannschaft darauf hatte noch eine Zeitlang schwimmend erhalten können. Höchstwahrscheinlich bildete jedoch das, was der »James-Cook« hier gefunden hatte, alles, was von der »Wilhelmina« noch übrig war.
Der Stoß, mit dem das eine Schiff das andere getroffen hatte, mußte mit furchtbarer Gewalt erfolgt sein. Der trotz des Nebels mit größter Fahrgeschwindigkeit dahineilende Dampfer war gleich einem Riesengeschosse durch den Rumpf des Dreimasters gedrungen, vielleicht sogar ohne ernsthaftere Beschädigungen zu erleiden, die ihn an der Fortsetzung seiner Fahrt gehindert hätten. Ob er hatte stoppen, seine Boote aufs Meer setzen und einige Schiffbrüchige hatte retten können. das blieb eine ungelöste Frage.
Bis zum Knie im Wasser watend, durchsuchten die beiden Brüder nebst Nat Gibson und Vin Mod die gemeinschaftliche Kajüte.
In ihrer Kabine fanden Karl und Pieter Kip noch verschiedene, mehr oder weniger beschädigte Gegenstände, darunter Kleidungsstücke, Leibwäsche, Toilettengeräte und auch zwei Paar Schuhe. Auf ihren übereinanderliegenden Lagerstätten befand sich ferner noch das Bettzeug, das zusammengerafft und nach dem Boote gebracht wurde.
Sehr wünschenswert wäre es gewesen, wenn die beiden Brüder auch ihre Papiere hätten wiedererlangen können, vorzüglich die, die auf das Kontor in Amboina und auf das Geschäftshaus in Groningen Bezug hatten. Der Verlust dieser Schriftstücke erschwerte ja sehr empfindlich die Ordnung ihrer geschäftlichen Angelegenheiten. Leider fand sich davon keine Spur mehr; das Wasser, das ja zeitweise auch hier eingedrungen war, hatte sein Zerstörungswerk schon vollendet. Ebenso war es mit einer Summe von tausend Piastern, die Pieter Kip gehörten, aber verschwunden waren, da der Zusammenstoß das Wandschränkchen, worin sie aufbewahrt waren, völlig zertrümmert hatte.
»Nichts. hier findet sich nichts mehr!« sagte der jüngere Kip.
Während der Durchsuchung der Hauptkajüte durchstöberte Vin Mod, getrieben von seiner raubsüchtigen Natur, schon alle Winkel und war dabei auch in die Kabine der beiden Brüder gekommen.
Da entdeckte er unter der unteren Lagerstatt in einem Schubkasten einen Gegenstand, den die beiden Brüder bei ihrer Nachsuchung übersehen hatten.
Es war ein Dolch, wie ihn die Malaien führen, ein sogenannter Kriß mit Sägezähnen, der bei dem Unfalle zwischen zwei auseinander gewichene Bretter geraten war. Die bei den Bewohnern der pacifischen Inseln sehr verbreitete Waffe hatte übrigens keinen besonderen Wert und hätte höchstens zur Vervollständigung einer Ritterrüstung in der Sammlung eines Liebhabers dienen können.
Ob sich Vin Mod bei der Aneignung dieser Waffe von einem geheimen Gedanken leiten ließ, wer hätte das sagen können? Jedenfalls ergriff er den Kriß, steckte ihn, ohne von jemand beobachtet zu werden, unter seine Jacke mit der Absicht, ihn bei der Rückkehr nach der Brigg in seinem Sacke aufzubewahren.
Hätte er statt dieser Handwaffe Pieter Kips tausend Piaster gefunden, so würde er sie sicherlich ohne Gewissensbisse ebenso entführt haben.
An Bord des verunglückten Fahrzeuges war nun nichts mehr zu bergen. Alle Dinge, Kleidungsstücke, Leibwäsche und Bettausrüstung, wurden in das Boot geschafft. Das Wrack mußte übrigens binnen kurzem gänzlich auseinanderbrechen. Der vom Wasser halb zerstörte Bodenbelag der gemeinsamen Kajüte gab schon unter dem Fuße nach. Nur noch einmal schlimmeres Wetter, und es trieben nur noch formlose Bruchstücke auf dem Meere hin.
Die Brigg lag gegengebraßt seitwärts von dem Wracke, glitt mit der Strömung aber schon langsam weiter. Dazu frischte der Wind etwas auf der Seegang wurde lebhafter, es empfahl sich also, bald an Bord zurückzukehren. Wiederholt hörte man auch das Sprachrohr des Bootsmannes, der die Leute im Boote zur Umkehr antrieb.
»Man ruft uns zu, zurückzukommen, sagte Nat Gibson, und da wir hier alles geholt haben, was noch zu holen war.
- Wollen wir dem Rufe folgen, fiel Karl Kip ein.
- Du arme, arme 'Wilhelmina'!« murmelte Pieter Kip.
Beide Brüder suchten die Empfindungen, die sie jetzt
bestürmten, gar nicht zu verhehlen. Hatten sie vorher noch gehofft, einen Teil von dem, was sie besaßen, wiederzufinden, so mußten sie jetzt auf jede derartige Hoffnung verzichten.
Das Boot warf sein Halteseil los. Nat Gibson setzte sich aus Steuer, während Karl und Pieter Kip, mit dem Gesicht nach rückwärts gerichtet, die Überreste der »Wilhelmina«
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