Cannon und seine Kameraden beteiligten sich ohne Widerspruch an der Arbeit, und Gibson ahnte natürlich nichts von ihren Plänen.

Einige Eingeborne - etwa ein halbes Dutzend - kräftige und gar nicht ungeschickte Männer, kamen der Besatzung noch zu Hilfe, und so ging das Löschen der Brigg unter den günstigsten Umständen vor sich.

Jim hatte von dem malaiischen Dolche gegen die Gebrüder Kip nichts erwähnt. Sie wußten also nicht, daß dieser in ihrer Kabine läge.

Vin Mod hatte sich nämlich beeilt, ihn vor ihrer Rückkehr an Bord wieder an sich zu nehmen, und jetzt lag der Kriß versteckt in seinem Reisesacke, wo ihn niemand entdecken konnte. Es genügte dem Matrosen jedenfalls, daß der Schiffsjunge den Dolch gesehen hätte. Was er damit bezweckte, das hätte nicht einmal Flig Balt sagen können.

Während der Kapitän die Entladung überwachte, verwendeten Hawkins, Nat Gibson, Karl und Pieter Kip ihre Muße, in Begleitung des Ziegerschen Ehepaares die interessante Umgebung von Port-Praslin zu durchstreifen. Sie besuchten unter anderem die bedeutendsten, an dieser Seite der Küste errichteten Faktoreien. Die einen waren in Besitz deutscher Kolonisten, die anderen, die schon vor dem Teilungsvertrage gegründet waren, befanden sich noch in der

Hand englischer Handelshäuser. Alle machten recht gute Geschäfte. Die Einfuhr und die Ausfuhr im früheren Tombara - jetzt Herbertshöhe genannt - und im früheren Birara - dem heutigen Matupi - nahm zum Vorteil des deutschen Melanesien ununterbrochen zu.

Überall fanden die Gäste des Herrn Zieger einen vortrefflichen Empfang. Der ehrenwerte Kaufmann nahm in der Handelsgesellschaft, in deren Hand auch die Verwaltung liegt, einen hervorragenden Rang ein. Er war durch seine Stellung mit einer gewissen richterlichen Gewalt bekleidet, der sich die Eingebornen willig fügten. Übrigens verging auch kein Jahr. ohne daß ein Kriegsschiff eine der Inseln des BismarckArchipels anlief und den deutschen Farben die vorschriftsmäßige Ehrenbezeugung erwies, wenn Herr Zieger an der Fahnenstange in Port-Praslin die deutsche Flagge hissen ließ.

Die kaiserliche Regierung hatte den Eingebornen ihre Unabhängigkeit fast uneingeschränkt gelassen. Die Stämme haben nur sozusagen keine Häuptlinge mehr. Wird auch einzelnen Greisen noch einige Autorität zugesprochen, so leben doch alle Zugehörigen eines Stammes auf der Stufe völliger Gleichheit. Sklaven gibt es nicht mehr, auch nicht in den Dorfschaften des Innern, und alle Arbeiter sind freie Männer. Als solche werden sie gegen eine verabredete Entschädigung, die in Gebrauchsgegenständen oder Nahrungsmitteln besteht, von den Fabriken oder beim Anbau des Landes beschäftigt. Übrigens wurden die Sklaven hier auch schon vor der Aufhebung der Sklaverei von ihren Herren freundlich behandelt

Dieser Anlauf zur Zivilisation ist sicherlich dem Eifer und der Opferwilligkeit der Missionare zu verdanken, die sich an verschiedenen Stellen des Archipels niedergelassen haben. Sie durchstreifen die Inseln immer mit dem Evangelium in der

Hand. In Port-Praslin besteht auch eine protestantische Kapelle, an der zwei Geistliche tätig sind und die den religiösen Bedürfnissen bis jetzt genügt.

Bei einem Ausfluge nach dem Innern der Insel und bis auf drei Seemeilen vom Hafen, besuchten Hawkins und Nat Gibson und die Gebrüder Kip in Gesellschaft des Herrn Zieger auch ein tombarisches Dorf.

Dieses bestand nur aus einem Haufen hölzerner Hütten, die, obgleich der Erdboden hier nicht sumpfig war, alle frei auf Baumstämmen oder Pfählen standen.

Die Eingebornen daselbst gehörten zweifellos zur papuanischen Rasse und unterschieden sich überhaupt nicht sehr von denen Neuguineas. Das Dorf bewohnten, jede Familie für sich, etwa hundertsechzig Männer, Frauen, Kinder und Greise. Natürlich kannten alle den Herrn Zieger und unterwarfen sich seiner Amtsgewalt, obgleich er diese unter den Stämmen im Innern nur selten geltend zu machen Veranlassung hatte.

Seine Begleiter und er wurden von zwei Persönlichkeiten empfangen, die eine Ehre darin zu suchen schienen, recht gemessen und gleichgültig aufzutreten. Die Frauen und die Kinder hielten sich in den Hütten zurück, und es war ziemlich schwierig, sich ihnen zu nähern. Tatsächlich ist man über die Familienverhältnisse und über die soziale Stellung der verschiedenen melanesischen Völkerschaften auch heute noch nicht vollständig aufgeklärt.

Die Zeiten waren schon vorüber, wo diese Wilden noch fast völlig nackt gingen oder nur mit einem Lendenschurz aus der Rinde des Vakoi bekleidet waren, der in lange Streifen zerschnitten und mit einer Naht aus Pflanzenfasern zusammengehalten wurde.

Dank den englischen und deutschen Baumwollstoffen, die heute im ganzen Gebiete verbreitet sind, bekleiden sich jetzt

Männer und Frauen mit streifigen Geweben. Diese Dezenz darf wohl als ein Anfang zivilisatorischer Wandlung betrachtet werden.

Zieger konnte recht zuverlässige und wertvolle Mitteilungen über diese Eingebornen machen, deren Gesichts-, Geruchs- und Gehörssinn ganz erstaunlich entwickelt ist.

Auch in allen Körperbewegungen zeigen sie eine auffallende Schmiegsamkeit und man könnte fast sagen - Eleganz. Sie aber zum Arbeiten zu veranlassen, das bedarf der Nötigung durch Mangel an Nahrungsmitteln. Von Natur recht phlegmatischen Charakters, lieben sie die Ruhe über alles. Hier im Dorfe lagen die meisten männlichen Einwohner träge vor ihren Hütten ausgestreckt auf der Erde. So überließen sie sich einem vollständigen Nichtstun, hatten die Beine gekreuzt, die Arme auf die Brust gelegt, sahen nach nichts, sprachen kein Wort, sondern kauten nur ununterbrochen Betel, wie die Morgenländer ihr Opium und die Abendländer ihren Tabak rauchen.

Der Betel ist eine Mischung aus Kalk, der durch Kateinieren von Madreporen gewonnen wird, und einer Frucht mit rotem Oberhäutchen mit dem (melanesischen) Namen »Kamban«. Es ist ein den Speichelfluß stark anregendes Mittel, dessen scharfe Bestandteile eine schwach berauschende Wirkung und einen nicht unangenehmen Geschmack haben. Ein Nachteil des Betels liegt darin, daß er die Zähne schwärzt und angreift und leicht Blutungen der Mundschleimhaut erzeugt. Streng beobachteter Sitte gemäß dürfen sich die jungen Leute dem so sehr gesuchten Genuß nicht hingeben. und nur Eingebornen von einem gewissen Alter ist es gestattet, Betel zu kauen.

Was die Industrie der Neuirländer angeht, so beschränkt sie sich auf das Weben von Matten aus Pandanusblättern und auf die Herstellung weniger anderer Dinge, vor allem grober Topfwaren. Und auch das ist den Frauen überlassen, die weniger träge als die Männer sind, ebenso wie ihnen die Feldarbeit und die tägliche Zubereitung der Speisen obliegt.

Die Ernährung erfordert übrigens nur wenige Kenntnisse in der Kochkunst. Zu bestimmter Stunde essen die Eingebornen nicht, vielmehr eigentlich zu jeder Stunde.

»Welches Tier - äußert sich hierüber ein Reisender - es auch sein mag, das den Wilden in die Hand fällt, es wird sofort auf glühende Kohlen geworfen, geröstet und verzehrt, ohne daß man sich, wenn es ein Vierfüßler war, die Mühe nimmt, es zu häuten, oder wenn es Geflügel war, es zu rupfen.«

Die Leute mästen sich mit Fischen, Seeschildkröten, Achtfüßern, Muscheltieren aller Art, mit Heuschreckenkrebsen, sehr großen, Kukiavars genannten Krabben, mit Reptilien, Eidechsen und sehr wenig schmackhaften Insekten, die sie schmunzelnd verschlingen. Von Früchten genießen sie Mapes und Lakas, eine sehr viel vorkommende Art von Kastanien des Inokarpus, Kokosnüsse, deren holzige Umhüllung als »Larime« und deren Milchsaft als »Kauro« bekannt ist, ferner Unis oder Bananen, Nios oder Ignamen, Tos oder Zuckerrohr und Berkos, die Früchte des wilden Brotbaumes. Von Vierfüßlern züchten die Eingebornen nur Schweine, und jagen Kuskus, Tiere, die einer Unterart der Beutelratten angehören.

Die Neuirländer erweisen sich nebenbei aber nicht unempfänglich

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