die Anklagebank stürzen, von der aus Flig Balt sie mit frechem Hohne ansah.

Hawkins und Gibson hielten beide noch in dem Augenblicke zurück, wo die Brüder ihrem Zorne schon die Zügel schießen lassen wollten.

Pieter Kip gewann zuerst seine Fassung wieder. Er ergriff die Hand seines Bruders und hielt diesen entschlossen zurück.

»Wessen beschuldigt uns dieser Mensch? fragte er mit vor Abscheu bebender Stimme.

- Des Verbrechens des Mordes, antwortete Flig Balt.

- Des Mordes! rief Karl Kip. Uns!.

- Ja, Sie. die Mörder des Kapitäns Gibson!«

Es wäre unmöglich, die jetzt in der Zuhörerschaft auflodernde Erregung zu schildern. Eine Empfindung von Entsetzen erfüllte den ganzen Saal. doch von Entsetzen, von Abscheu gegen den Bootsmann, der sich erfrecht hatte, gegen die Brüder Kip eine solche Anschuldigung zu erheben. Wie von einem unwiderstehlichen Instinkt bezwungen, war Nat Gibson - bei dieser Wendung der Dinge ja kein Wunder -erbleichend zurückgewichen, und Hawkins hatte vergeblich versucht, ihn zu beruhigen.

Pieter und Karl Kip, die einen Augenblick von der abscheulichen Beschuldigung wie erstarrt dasaßen, wollten in ihrer natürlichen Entrüstung schon das Wort ergreifen, als ihnen der Vorsitzende darin zuvorkam.

»Flig Balt, sagte er. Ihre Frechheit übersteigt alle Grenzen. wie können Sie eine solche Ungeheuerlichkeit wagen!

- Ich spreche die Wahrheit!

- Und wenn das die Wahrheit wäre, warum sind Sie nicht eher damit hervorgetreten?

- Weil ich sie erst im Laufe der Rückfahrt erfahren habe. Dann wurde ich beim Eintreffen des 'James-Cook' verhaftet und mußte wohl oder übel bis zu dem heutigen Verhandlungstage warten, ehe ich die öffentlich anklagen konnte, die mir die Ehre abzuschneiden suchten.«

Karl Kip war außer sich.

»Elender Schurke! schrie er laut und mit der Stimme eines Kapitäns, der im Sturmesheulen seine Befehle erteilt, elender Bube! Wenn man solche Beschuldigungen wagt, muß man auch Beweise dafür haben.

- Die fehlen mir auch nicht, erwiderte Flig Balt trocken, sie stehen dem Gerichtshof zur Verfügung, sobald er sie zu erhalten wünscht.

- Und welche wären das?

- Man untersuche nur den Reisesack, den die Gebrüder Kip noch von der verunglückten 'Wilhelmina' geborgen haben; darin wird man die Papiere und das Geld des Kapitäns Gibson schon finden.«

Fünftes Kapitel.

Die Folgen der ersten Gerichtsverhandlung

Die Wirkung der letzten Erklärung des Bootsmannes läßt sich gar nicht beschreiben. Unter den Zuhörern entstand ein langes, peinliches Murren und ein Geflüster, das der Vorsitzende kaum zu unterdrücken vermochte. Alle Blicke richteten sich auf die beiden Brüder, die jetzt eines solchen Kapitalverbrechens beschuldigt waren. Regungslos standen Karl und Pieter Kip vor den Schranken, von Überraschung ebenso gelähmt wie von Entsetzen. Der ältere mit seinem erregbareren Temperamente bedrohte durch Zeichen den erbärmlichen Flig Balt. Das Gesicht totenbleich, die Augen feucht schimmernd und die Arme gekreuzt, begnügte sich der jüngere mit einem verächtlichen Achselzucken gegen den gemeinen Ankläger.

Dann verließen beide auf einen Wink des Vorsitzenden die Zeugenbank und traten, von zwei sie begleitenden Dienern im Auge behalten, näher an die Gerichtstafel heran.

Nach anfänglichem, protestierendem Murmeln, das sie nicht zu unterdrücken vermochten, verhielten sich Hawkins, Hobbes, Wickley, Burnes und Jim vollkommen schweigend, während Sexton, Bryce und Koa mit gedämpfter Stimme noch einige Worte wechselten.

Nat Gibson, der mit gesenktem Kopfe und schmerzverzerrten Zügen dasaß, hielt sich krampfhaft an der Bank fest, doch wenn er die Augen einmal zu den Gebrüdern Kip erhob, schoß daraus auf diese ein Blick tödlichen Hasses. Es sah aus, als hätte er bereits die feste Überzeugung von der Schuld der Holländer gewonnen.

Vin Mod selbst erwartete sehr gleichmütig die Folgen dieser Denunziation des Bootsmannes gegen Karl und Pieter Kip.

Als die so tief erregten Zuhörer wieder ruhiger geworden waren, erteilte der Vorsitzende nochmals Flig Balt das Wort, um diesem Gelegenheit zur Vervollständigung seiner Anklage zu geben.

Flig Balt tat das in klarer, kurzer Rede und mit einem Tone, der unbedingt einen ihm günstigen Eindruck hinterlassen mußte.

Am 25. Dezember gegen Abend, als er noch Befehlshaber der Brigg war, befand er sich zufällig in der gemeinschaftlichen Kajüte. Die Tür der daran gelegenen Kabine der Gebrüder Kip stand gerade offen. Da erhielt das Schiff vom Wasser einen besonders heftigen Stoß, bei dem ihm ein Reisesack bis vor die Füße gerollt wurde. Es war derselbe, der vom Wrack der »Wilhelmina« noch glücklich geborgen worden war. Beim Aufschlagen und Herausrollen hatte sich der Sack geöffnet, und ihm entfielen verschiedene Papiere und eine Handvoll Piaster, die über den Fußboden verstreut wurden.

Das Klirren der Goldstücke erregte ebenso die Aufmerksamkeit Flig Balts, wie seine Verwunderung, da allen auf dem Schiffe bekannt war, daß Pieter und Karl Kip bei dem Schiffbruche alles verloren hätten, was sie an Geld besaßen.

Ohne hierüber weiter nachzudenken, ging Flig Balt daran, die Münzen und die Papiere wieder in den Reisesack zu stecken, als er unter diesen Papieren die des »James-Cook«, das Konnessement (den Ladeschein) und die Chartepartie (den Frachtvertrag) des Kapitäns Gibson erkannte, die dieser am Tage seines Todes bei sich trug und die man bisher nicht wiedergefunden hatte.

Über diese Entdeckung schaudernd, verließ Flig Balt die Kajüte. Er konnte nicht mehr bezweifeln, daß die Gebrüder Kip die Schuldigen wären. Sein erster Gedanke war, zu Herrn Hawkins zu laufen und ihm zu sagen: »Sehen Sie hier, was ich gefunden habe« - und Nat Gibson zuzurufen: »Da stehen die Mörder Ihres Vaters!«

Gewiß hätte der Bootsmann das tun sollen, er tat es aber nicht, er sprach gegen niemand von dem Geheimnis, das sich ihm eben enthüllt hatte. Doch unter der Botmäßigkeit eines Verbrechers, des Mörders seines Kapitäns zu stehen. das konnte er nicht über sich gewinnen. Er wollte ihm das Kommando wieder entreißen, dessen er, Flig Balt, ungerechterweise beraubt worden war, und nur deshalb stachelte er die Matrosen zu der Meuterei an.

Sein Versuch mißglückte. Er wurde entwaffnet und auf Anordnung des Elenden, der das Vertrauen des Herrn Hawkins so schmählich getäuscht hatte, in dem Frachtraum eingesperrt. Infolge dessen beschloß er, bis zum Eintreffen des Schiffes in Hobart-Town zu verschweigen, was er wußte, und auch hier erst die ihm bevorstehende Anklage abzuwarten. Öffentlich, vor dem versammelten Seegerichte, wollte er erst die Urheber des Verbrechens von Kerawara an den Pranger stellen.

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