ausgeschlossen, daß der, den man als die Mordwaffe bezeichnet, gar nicht der unsrige wäre, denn alle die Krisse von malaiischer Herkunft ähneln sich aufs genaueste!«

Diese Antwort rief wieder ein Gemurmel hervor, das der Präsident unterdrücken mußte. Dann bemerkte der Kronanwalt, daß gerade dieser Dolch der sei, mit dem das Verbrechen ausgeübt worden wäre, da die ihm fehlende und von Herrn Zieger eingeschickte Zwinge vollkommen daran passe.

»Ich muß noch hinzufügen, nahm Pieter Kip wieder das Wort, daß niemand an Bord diese Waffe jemals in unseren Händen gesehen hat, und wenn wir sie auf dem Wrack gefunden hätten, würden wir sie doch wohl Herrn Hawkins oder Herrn Nat Gibson gezeigt haben.«

Er sowohl wie sein Bruder empfanden es jedoch, daß diese Darlegungen nicht besonders ins Gewicht fielen. Unzweifelhaft war der Dolch ihr Eigentum, unzweifelhaft rührte die Todeswunde von seiner gezahnten Klinge her, und endlich war es unzweifelhaft, daß seine Zwinge auf dem Schauplatze des Verbrechens in Kerawara gefunden worden war.

Schließlich erhob sich Karl Kip noch zu folgender, letzter Erklärung:

»Mein Bruder und ich sind die schuldlosen Opfer von Umständen, die wir nicht zu erklären vermögen. Wir. wir sollen den Kapitän Gibson getötet haben. den Mann, dem wir unsere Erlösung, unsere Rettung verdankten?. Nun, diese Beschuldigung ist ebenso widerlich wie ungerecht, und wir verweigern darauf jede weitere Antwort!«

Dieser Satz wurde mit lauter und offenbar unbewegter Stimme ausgesprochen und verfehlte auch einen gewissen Eindruck auf die Zuhörer nicht. Die Anschauung der Leute stand aber einmal fest, und niemand wollte in jener Antwort mehr als einen kühnen Verteidigungsversuch erblicken. Und wenn die Gebrüder Kip sich weigerten, später an sie gerichtete Fragen zu beantworten, so läge das, meinte man, doch nur daran, daß es ihnen eben unmöglich wäre.

Von den übrigen Zeugen wurde jetzt Nat Gibson aufgerufen. Der junge Mann konnte sich kaum fassen. Auch er überhäufte die Gebrüder Kip mit den schwersten Anschuldigungen, und wenn diese etwas dazu gesagt hätten, hätten ihre Worte nur gelautet:

»Wir verstehen Ihren Schmerz, armes Kind, und sind deshalb nicht imstande, Ihnen zu zürnen!«

Als Herr Hawkins an die Schranke herantrat, verriet seine Haltung, daß viele Erinnerungen sein Inneres erregten. Konnte er denn annehmen, daß die Schiffbrüchigen von der »Wilhelmina«, die Gäste des »James-Cook«, den Edelmut, die Güte des Kapitäns mit einem so abscheulichen Verbrechen gelohnt haben sollten? Sie, die dem Ermordeten erst ihr Leben verdankten, sie sollten diesen getötet haben. nur um ihn zu berauben, wo sie doch wußten, daß Harry Gibson und er sich erboten hatten, sie in jeder Hinsicht zu unterstützen! Ja freilich. es lagen gegen sie scheinbar sehr beweiskräftige

Ergebnisse der Untersuchung vor. Hawkins konnte sich die Verhältnisse nicht erklären. konnte sie nicht begreifen, und vor Erregung fast zusammenbrechend, war es ihm unmöglich, noch mehr auszusagen.

Das, was die Matrosen vom »James-Cook«, Hobbes, Wickley und Burnes, anzugeben wußten, und ebenso, was Len Cannon, Sexton, Kyle, Bryce und Koa aussagten, erwies sich als völlig bedeutungslos.

Was Vin Mod betraf, erschienen dessen, dem Attorney gegebene Antworten bezüglich Flig Balts sehr bestimmt und logisch begründet. Einige Tage vor dem Ausbruche des Meutereiversuches an Bord der Brigg war ihm der Bootsmann schon wie eine Beute mühsam unterdrückter Wut vorgekommen. Ob die Ursache davon nur die gewesen sei, daß Karl Kip in der Führung der Brigg an seine Stelle getreten war, wußte er freilich nicht; Vin Mod hatte vielmehr geglaubt, daß dazu noch ein anderer, sehr ernster Beweggrund vorhanden gewesen sein werde.

»Er hat darüber aber nichts gegen Sie geäußert? fragte der Kronanwalt.

- Gar nichts,« versicherte Vin Mod.

Immerhin blieb noch ein Umstand übrig, der zu Gunsten der Angeschuldigten sprach: Die Gewißheit, daß während der Fahrt niemand den Dolch in ihren Händen gesehen hatte. Das wurde ja auch durch die Erklärung Flig

- Ja. ich erkenne ihn wieder.

- Und du versicherst, ihn schon an Bord gesehen zu haben?

- Jawohl.

- Wo?

- In der Kabine der Herren Kip.

- In deren Kabine?.

- Ja, gewiß.

- Und wann?

- Als der 'James-Cook' zum ersten Male in Port-Praslin angelegt hatte.«

Jim erzählte nun unbefangener, unter welchen Umständen er die Waffe gefunden und wie sie seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Da habe er sie auch in die Hand genommen und dann schnell wieder an die Stelle gelegt. wo sie vorher lag.

Der Leser entsinnt sich wohl, daß Vin Mod den Dolch in die Kabine, und zwar wenige Augenblicke vorher dahin gelegt hatte, ehe Jim von Flig Balt dahinunter geschickt worden war. Jim sollte ihn ja gerade sehen, und gleich danach versteckte ihn Vin Mod wieder in seinem Matrosensacke.

Die Erklärung des jungen Menschen hatte eine außerordentliche Wirkung, und dabei eine Erregung zur Folge, der sich der Richter und die Geschwornen ebensowenig wie die vielen Zuhörer zu entziehen vermochten. Jetzt konnte ja niemand mehr einen Zweifel aufrechthalten. Die Gebrüder Kip behaupteten, daß der Kriß niemals an Bord gebracht worden sei, und nun hatte ihn da doch einer gesehen und er war obendrein in ihrem Reisesack im Gasthofe zum Great Old Man wiedergefunden worden.

»Befand sich an dem Kriß noch die Zwinge, als du ihn in der Hand hattest? fragte der Kronanwalt weiter.

- Ja, antwortete Jim, es fehlte damals nichts daran.«

Hieraus ergab sich mit Bestimmtheit, daß die Zwinge sich

beim Ringen der Mörder mit dem Kapitän Gibson abgelöst haben mußte, da sie kurze Zeit darauf im Walde von Kerawara gefunden worden war.

Auf die Aussage Jims war nichts zu entgegnen, und die Angeklagten schwiegen dazu auch still.

Bis auf Herrn Hawkins schien allen die Sache nun erschöpft. Wer hätte noch glauben können, daß die Gebrüder Kip in eine von Vin Mod vorbereitete Falle geraten wären, daß dieser Elende den Dolch an Bord gebracht und ihn den Schiffsjungen einen Augenblick sehen gelassen hätte, indem er ihn in die Kabine der Angeklagten legte, ehe er zu der Mordtat gebraucht wurde. wer hätte geahnt, daß die Mörder des Kapitäns Gibson sein Helfershelfer Flig Balt und er selbst gewesen wären, die sich zu dieser verabscheuungswürdigen Freveltat und zu dem heimtückischen Verhalten verbündet hätten, um zwei Unschuldige zu verderben!

Jetzt meldete sich Nat Gibson nochmals ums Wort. Er wollte die Aufmerksamkeit der Jury auf einen Vorfall hinlenken, von dem er noch nicht gesprochen hätte und der jetzt bei der Hauptverhandlung doch wohl Erwähnung verdiente.

Der Präsident erteilte ihm sogleich das Wort.

»Meine Herren Richter, meine Herren Geschworenen, begann er, Ihnen ist noch nicht bekannt, daß der 'James-Cook' auf der Fahrt von Neuseeland nach dem Bismarck-Archipel auf der

Вы читаете Die Gebrüder Kip
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ОБРАНЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату