Urteils machten sich einige Zeichen des Beifalls bemerkbar.
Nach einem schmerzerfüllten Blicke nahmen sich die beiden Brüder an der Hand, ihre Arme öffneten sich, und ohne ein Wort zu äußern, drückten sie einander innig ans Herz.
Siebentes Kapitel.
In Erwartung der Hinrichtung
Von der irdischen Gerechtigkeit hatten die Brüder also nichts mehr zu hoffen: sie hatte sich gegen sie ausgesprochen, sogar ohne Zubilligung mildernder Umstände bezüglich des Verbrechens, dessen man sie bezichtigte. Kein Einwurf des Verteidigers war der Jury von Bedeutung erschienen. Weder die ebenso sichere wie würdige Haltung der Angeklagten bei der Verhandlung, noch der aufwallende Ingrimm Karl Kips, der sich zuweilen in Ausdrücken der Entrüstung Luft machte, oder die ruhigeren Erklärungen Pieter Kips hatten etwas auszurichten vermocht gegen die angeführten Tatsachen, gegen die so hinterlistig auf sie gehäuften Beschuldigungen, gegen die Aussagen des elenden Flig Balt, die zuletzt noch durch die Erklärung des Schiffsjungen Jim bestätigt wurden.
Bei der Versicherung Karl und Pieter Kips, das Mordinstrument nie wieder in ihren Händen gehabt zu haben, und gegenüber ihrer völlig begründeten Behauptung, daß ein solcher Kriß die gebräuchlichste Handwaffe bei den Eingebornen Melanesiens sei und daß der, an den die Zwinge paßte, jedenfalls einem Bewohner von Kerawara, der Insel York oder einer der Nachbarinseln gehören werde, war wohl zunächst ein gewisser Zweifel berechtigt. Die Aussage des Schiffsjungen, der den vorliegenden Dolch in der Kabine der Brüder liegen gesehen hatte, bewies aber - wenigstens für die Richter - doch, daß die Mordwaffe dieselbe sei, die sie von dem Wrack und an Bord des »James-Cook« mitgenommen hätten, ohne sie darauf jemand zu zeigen.
Die Verurteilung gewährte der Einwohnerschaft von Hobart-Town eine unverkennbare Befriedigung. In den begreiflichen Haß gegen die angeblichen Mörder des Kapitäns Harry Gibson mischte sich nicht wenig von der bei der angelsächsischen Rasse so hervortretenden Dünkelhaftigkeit, für die es ja keiner weiteren Beweise bedarf. Ein Engländer war es, der hier einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, und Holländer waren es, die ihn getötet hatten, wer hätte unter solchen Umständen das geringste Mitleid mit den Verurteilten empfinden können? -Kein Mensch in der Stadt, nicht eine einzige der zahlreichen Zeitungen Tasmaniens, wagte die Stimme zu erheben, um einer Umwandlung der Strafe das Wort zu reden.
Den Abscheu, der den Sohn des Opfers gegen die Gebrüder Kip erfüllte, darf man diesem ja nicht zum Vorwurf machen. Er glaubte an ihre Schuld so fest, wie er an Gott glaubte, an eine Schuld, deren Nachweis nicht auf schwanken Annahmen, sondern auf greifbaren Tatsachen beruhte. Ableugnungen, Verwahrungen. das war alles, was die Angeklagten übereinstimmenden und bestimmten Zeugnissen entgegensetzen konnten. Nachdem er schon fast daran verzweifelt hatte, die Mörder seines Vaters zu entdecken, hatte er sie jetzt in der Hand, die zwei Ungeheuer, die jenem ihre Rettung verdankten und doch seine Güte, seinen Edelmut mit einer verruchten Mordtat vergolten hatten. Von irgend welchen mehr oder weniger anzuerkennenden Gründen und Einwänden, die zu ihren Gunsten gesprochen hätten, wollte er nichts wissen, wollte er nichts sehen durch den Schleier von Schmerz und Entrüstung, der ihn umhüllte.
Das zeigte sich auch, als er an dem Tage, wo der Kriminalgerichtshof das Urteil gefällt hatte, nach Hause gekommen war.
»Mutter, sagte er mit einer vor Erregung zitternden Stimme, sie werden die Untat mit ihrem Kopfe bezahlen. mein Vater wird gerächt werden!
- Gott habe Erbarmen. murmelte Frau Gibson.
- Mit diesen Elenden? rief Nat Gibson, der die Antwort seiner Mutter in diesem Sinne deutete.
- Nein, mit uns, mein Kind!« erwiderte Frau Gibson, indem sie ihren Sohn an sich zog und tränenden Auges ans Herz drückte.
Das waren die ersten Worte gewesen, die Nat Gibson nach dem Betreten des Vaterhauses geäußert hatte.
Anders klangen dagegen die, die der Reeder nach dem Schlusse der Verhandlung gebrauchte, als er seiner Gattin wieder gegenüberstand.
»Verurteilt! sagte er.
- Verurteilt?.
- Zum Tode. die Unglücklichen. nun gebe nur der Himmel, daß sich die menschliche Gerechtigkeit nicht geirrt hat!
- Du zweifelst noch immer, lieber Mann?
- Noch immer!«
Man sieht: mehr einem gewissen Gefühle, als Vernunftgründen gehorchend, weigerte sich Hawkins, die Schuld der Gebrüder Kip anzuerkennen. Nein, er konnte sie eines so häßlichen Verbrechens gegen ihren Wohltäter nicht für fähig halten, da sie diesem früher eine so aufrichtige Erkenntlichkeit bewiesen hatten. Ihm fehlte es an einem Beweggrunde, einem unbestreitbaren Beweggrunde zu einem solchen Verbrechen. Der Tod Gibsons hätte ihnen wohl ein paar tausend Piaster eingebracht, doch was die Hoffnung betraf, ihn als Befehlshaber der Brigg zu ersetzen, auf wie schwachen Füßen stand diese, da der Bootsmann, der schon die
Stelle des Obersteuermannes vertrat, ja gleichsam vorherbestimmt schien, Kapitän zu werden?
Hawkins war durch die Aussage des Schiffsjungen Jim allerdings in große Unruhe versetzt worden. Es unterlag danach ja keinem Zweifel mehr, daß der im Zimmer der beiden Brüder im Gasthofe zum Great Old Man gefundene Dolch von Jim in ihrer Kabine auf dem »James-Cook« gesehen worden war. Karl oder Pieter Kip hatte ihn von dem Besuche des Wracks der »Wilhelmina« mitgebracht, und wenn sie ihn niemand gezeigt hatten, war das geschehen, weil es so in ihre Pläne paßte. Die Anklage schloß aus diesem Umstande auch, daß sie schon lange den Vorsatz zu dem Verbrechen gehegt hätten.
Und doch: nein!. Trotz der fast erdrückenden Beweise, trotz des Ausspruches, den höchst ehrenwerte und völlig unabhängig urteilende Geschworene getan hatten. nein. Hawkins wollte sich nicht ergeben. Diese Verurteilung empörte ihn. Die Sache der Gebrüder Kip ging ihm zu tief zu Herzen, und wenn er gegen Nat Gibson, bei der Gemütsverfassung, worin dieser sich befand, niemals darüber sprach, so litt er doch nicht weniger daran, den jungen Mann in einer, der seinigen so widersprechenden Überzeugung zu wissen. Dennoch zweifelte er nicht, die Gerichte ihm einst noch Recht geben zu sehen.
Wenn unter ähnlichen Verhältnissen sonst oft verschiedene Meinungen herrschen, wobei die einen für die Schuld, die anderen für die Unschuld eines Angeklagten eintreten, so war dies weder in Hobart-Town noch in anderen Städten Tasmaniens der Fall. Wer hätte wohl angenommen, daß darin je ein Umschwung zu Gunsten der Gebrüder Kip eintreten könnte? Hawkins sagte sich recht wohl, daß alle gegen seine Überzeugung aufstehen würden. Das vermochte ihn aber nicht zu entmutigen. Er hielt an seinem Glauben fest, und was läßt sich denn nicht von der Zeit erhoffen, die sich so häufig als die Aufklärerin menschlicher Irrtümer erweist?
Freilich drohte es hier gerade an der nötigen Zeit zu fehlen. Der Einspruch, den die Gebrüder Kip gegen ihre Verurteilung erhoben hatten, wurde jedenfalls sehr bald zurückgewiesen Es lag ja kein Grund vor, das Urteil umzustoßen, und voraussichtlich erfolgte also die Hinrichtung in der zweiten Hälfte des März, einen Monat nach Fällung des Urteils.
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