Sechseckwelt spiegelte sich auf den Schneehangen wider. Neu-Pompeii war nicht sichtbar, aber der Asteroid mochte noch nicht aufgegangen sein oder sich hinter den hohen Bergen verstecken.

Sie hatten keine Zeit gehabt, Vorrate mitzunehmen. Die Gedemondas waren sanft, aber unnachgiebig gewesen. Als sie protestiert hatten, waren sie einfach aufgehoben und auf die Wesen gesetzt worden, von denen sie am leichtesten getragen werden konnten: Tael und Doma.

Zu hungern brauchten sie trotzdem nicht. Als es dunkel wurde, fuhrte man sie in eine gro?e Hohle, die sie dort nie vermutet hatten, und andere Gedemondas brachten bekannte Fruchte und Gemuse auf gro?en Holztellern und einen Fruchtpunsch, der sehr gut schmeckte.

Sie schienen sogar auf Mavras Probleme einzugehen. Ihr Teller war dicker und hoher, damit sie leichter an das Essen kam, die Punschschussel war tief, damit sie muhelos zu trinken vermochte.

Renard hatte auf Mavras Vorschlag hin seine elektrischen Krafte nicht angewendet; sie waren schlie?lich hier, um Verbindung mit den Gedemondas aufzunehmen, und das war gelungen. Er griff dann aber doch nach einem Apfel und lie? eine leichte Ladung hineinstromen, so da? er gebacken wurde.

Die Gedemondas schienen nicht beeindruckt zu sein. Schlie?lich kam einer von ihnen heran und kauerte auf der anderen Seite des Tellers nieder. Eine Klauenhand beruhrte ihn. Es gab einen grellen Blitz, der nur fur Sekundenbruchteile anhielt, dann waren Teller und Frucht einfach verschwunden. Renard war fassungslos; er betastete die Stelle. Sie war nicht einmal warm, aber es gab keine Sengspuren, nichts, es roch nur ein wenig nach Ozon. Das Schneewesen schnaubte befriedigt, tatschelte ihm herablassend den Kopf und entfernte sich.

Damit waren die Demonstrationen der Starke beendet.

Sie waren vollig erschopft und froren, aber sie verbrachten die Nacht nicht in der Hohle. Sie mu?ten zwar nicht laufen, aber es war unverkennbar, da? die Gedemondas einen Zeitplan einhalten wollten.

Es dauerte mehrere Stunden, bis sie ihr Ziel erreichten, und inzwischen klagte Tael, da? sie keinen Schritt mehr weitergehen konne.

Es war eine massive Felswand, die in der fast volligen Dunkelheit drohend aufragte. Sie gingen darauf zu und rechneten jeden Augenblick damit, da? sie abbiegen wurden, aber das war nicht der Fall. Statt dessen offnete sich die Wand vor ihnen.

Um genau zu sein: Ein riesiger Steinblock drehte sich langsam, offenbar von einem Flaschenzug bewegt, und in die Dunkelheit stromte helles Licht heraus. Sie traten in den Tunnel.

Das Licht stammte von einem schimmernden Mineral, das Fackelschein auffing und hundertfach verstarkt zuruckwarf. Im Inneren war es taghell.

Das Innere des Berges war ein Labyrinth von Gangen, und sie fanden sich nach wenigen Schritten nicht mehr zurecht. Es war jedoch warm, angenehm warm sogar, die Warme stammte aus einer Quelle, die sie nie entdeckten, und man horte sonderbare Gerausche von Arbeitsvorgangen, aber was vorging, konnte man nicht erkennen.

Endlich langten sie am Ziel an. Es war ein behaglicher, gro?er Raum mit mehreren gro?en Betten, die gefullt waren mit weichen Stoffpolstern, und einem gro?en Fellteppich, der fur Mavra ideal war. Es gab nur einen Eingang, an dem zwei Gedemondas standen.

Sie waren zu mude, um sich zu unterhalten oder sich Sorgen zu machen. Nach wenigen Minuten schliefen sie fest.

Am nachsten Tag erwachten sie und fuhlten sich viel besser, auch wenn sie sich immer noch wie geradert vorkamen. Gedemondas brachten frisches Obst, ein anderes Getrank und sogar einen Ballen Heu fur Tael und Doma. Wo es herkam, war kein Ratsel; es war eine Ration von einer der Schutzhutten.

Mavra reckte sich und stohnte.

»Ah«, sagte sie.»Ich mu? geschlafen haben wie ein Stein. Ich bin vollig steif.«

»Ich fuhle mich auch nicht hervorragend«, erklarte Renard.

»Zuviel geschlafen. Aber wir haben uns alle erholt.«

Die Lata, die stets regungslos auf dem Bauch schliefen, hatten ihre eigenen Klagen, und Tael sagte, ihr Nacken sei steif. Selbst Doma schnob und bewegte die Flugel.

Die Gedemondas hatten das Fruhstuck abgeraumt; nun war nur noch einer von ihnen im Zimmer und sah sie prufend an.

»Wenn sie nur etwas sagen wurden«, murmelte Vistaru.

»Die meisten Leute sprechen zuviel uber Unwichtiges«, meinte der Gedemondas mit kultivierter Stimme.»Wir ziehen vor, es nicht zu tun, bis wir wirklich etwas zu sagen haben.«

Sie fielen beinahe in Ohnmacht.

»Ihr konnt sprechen!«entfuhr es Hosuru, dann sagte sie hastig:»Das hei?t, wir haben uns gefragt…«

Der Gedemondas nickte und sah Mavra an, die noch auf dem Fell lag.

»Sie sind also Mavra Tschang. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie Sie wohl aussehen.«

Sie war verblufft.

»Sie kennen mich? Nun, ich freue mich, Sie kennenzulernen. Tut mir leid, da? ich Ihnen meine Hand nicht geben kann.«

»Von Ihrem Problem wu?ten wir«, sagte er achselzuckend.»Gekannt haben wir Sie nicht. Wir waren uns Ihrer bewu?t. Das ist etwas anderes.«

Sie akzeptierte es. Es gab viele Moglichkeiten, sich auf der Sechseckwelt Informationen zu beschaffen.

»Warum habt ihr nie mit uns gesprochen?«fragte Tael.»Ich meine, wir dachten, ihr seid Tiere oder so etwas.«

Der Gedemondas blieb ungeruhrt.

»Es ist nicht schwer zu erklaren. Wir arbeiten hart an unserem Image. Es ist notwendig.«Er setzte sich auf den Boden.»Am besten la?t es sich erklaren, wenn ich von unserer Geschichte berichte. Ihr kennt alle die Markovier?«Das war nicht das Wort, das er gebrauchte, aber er benutzte einen Ubersetzer, und so kam es heraus.

Sie nickten.

»Die Markovier haben sich entwickelt, wie alle Pflanzen und Tiere es tun, vom Primitiven zum Komplexen. Die meisten Rassen geraten irgendwann in eine Sackgasse, aber nicht sie. Sie erreichten den Gipfel materieller Leistungsfahigkeit. Alles, was sie sich wunschten, gehorte ihnen. Wie die legendaren Gotter hatten sie keine Grenzen. Aber das genugte nicht. Als sie alles hatten, begriffen sie, da? das Ende Stagnation war, die letzte Folge jedes materiellen Utopia, wie einem der gesunde Menschenverstand sagen mu?.«

Sie nickten wieder.

»So schufen sie die Sechseckwelt und verwandelten sich in neue Rassen und setzten ihre Kinder auf neue Welten, die sie entworfen hatten. Der Schacht ist mehr als der Wartungscomputer fur diese Welt; er ist der eine stabilisierende Faktor fur das endliche Universum«, fuhr das Schneewesen fort.»Und warum begingen sie Rassenselbstmord, um wieder zum primitiven Zustand zuruckzukehren? Weil sie sich auf irgendeine Weise betrogen fuhlten. Und die Tragodie war, da? sie nicht wu?ten, was ihnen entgangen war, irgendwo auf ihrem Weg. Sie hofften, da? eine unserer Rassen es erfahren konnte. Das war das eigentliche Ziel des Projekts, das immer noch im Gange ist.«

»Fur mich war das unsinnig«, meinte Mavra.»Wenn ihnen nun gar nichts entgangen war? Wenn das alles war, was es gab?«

»In diesem Fall stellen die kriegfuhrenden Parteien unter uns den Hohepunkt des Erreichbaren dar«, sagte der Gedemondas achselzuckend,»und wenn die Starksten das Universum unterwerfen — ich spreche naturlich bildlich, denn sie sind blo?e Reflexionen der Rassen des Universums —, haben wir die Markovier wieder von neuem.«

»Aber nicht die Gedemondas?«sagte Vistaru.

Er schuttelte den Kopf.

»Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen. Wahrend die anderen sich dem Materiellen zuwandten, beschlossen wir, die Herausforderung eines nichttechnologischen Hexagons als das anzunehmen, was sie war — und nicht durch Einfallsreichtum zu versuchen, es so technologisch wie moglich zu machen. Was die Natur bot, akzeptierten wir. Hei?e Quellen lie?en in diesen auf einzigartige Weise beleuchteten Hohlen, die durch das ganze Sechseck verlaufen, Bodenbestellung zu. Wir hatten Nahrung, Warme, Unterkunft, und wir waren fur uns. Wir wandten uns nicht nach au?en, sondern nach innen, zum Kern unseres Wesens, zu unseren Seelen, wenn Sie so wollen, und erforschten, was wir dort fanden. Es gab dort Dinge, die nie auch nur zu ertraumen sich jemand die

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