zweifeln mußte.

Ich ging zu Thomas Lambert, um mich zu erkundigen, was wohl an den Gerüchten, die bis zu mir gedrungen, Wahres sein könnte; doch ich war kaum fünfzig Schritt vom Hause, als ich den Bürgermeister selbst traf.

>Nun, meine Schöne<, sagte er, >ich wundere mich nicht mehr, daß dein Liebhaber zu schreiben aufgehört hat; es scheint, er hat sein Glück gemacht; ich habe also damals mit meiner Prophezeiung recht gehabt.<

>Mein Gott, was ist denn?< fragte ich.

>Wie? Ich weiß es nicht; doch soviel ist wahr, als ich von Courbevoie zurückkam, wo ich bei meinem Schwiegersohn zu Mittag gespeist hatte, begegnete ich einem schönen Herrn zu Pferde, einem Elegant,

einem Dandy, dem ein Bedienter, ebenfalls zu Pferd, folgte. Rate, wer es war!< >Wie soll ich das erraten?<

>Es war Meister Gabriel. Ich erkannte ihn und lehnte mich halb aus meinem Wagen, ihn zu rufen, und ohne Zweifel erkannte er mich ebenfalls. Doch ehe ich Zeit gehabt hatte, seinen Namen auszusprechen, gab er seinem Pferde die Sporen und sprengte im Galopp davon.< >Sie werden sich getäuscht haben<, entgegnete ich. >Ich glaubte es wie du<, antwortete er. >Doch der Zufall fügte es, daß ich am Abend in die Oper ging - in das Parterre, wohlverstanden. Ich bin ein Bauer, und das Parterre ist gut genug für mich; er aber, da er ein vornehmer Herr geworden ist, wie es scheint, war in den ersten Logen, und zwar in einer der schönsten, zwischen zwei Säulen, und plauderte und machte den Süßen gegen die Damen und hatte am Knopfloch eine Kamelie so groß wie meine Hand.< >Das ist unmögliche murmelte ich.

>Es ist so; denn ich zweifelte immer noch und wollte Gewißheit haben. Deshalb ging ich im Zwischenakt hinaus und stellte mich in die Nähe der Loge; die Tür wurde halb geöffnet, und unser Held ging an mir vorüber.< >Gabriel<, sagte ich mit halblauter Stimme. >Er wandte sich rasch nach mir um und erblickte mich; da wurde er scharlachrot und stürzte mit solcher Eile zur Treppe, daß er beinahe einen Herrn und eine Dame, die seinen Weg kreuzten, niedergeworfen hätte. Ich folgte ihm, doch als ich unter den Säulengang kam, sah ich ihn in einen äußerst zierlichen Wagen steigen, ein Bedienter in Livree schloß den Schlag hinter ihm, und der Wagen fuhr im Galopp davon.<

>Wie soll er einen Wagen und Bediente in Livree besitzen?< fragte ich. >Sie werden sich getäuscht haben, sicherlich war es gar nicht Gabriel.<

>Ich sage dir, ich habe ihn gesehen, wie ich dich sehe, und ich weiß sicher, daß er es war; ich muß ihn doch wohl kennen, da ich ihn drei Jahre als Schreiber in meiner Bürgermeisterei gehabt habe.< >Haben Sie das außer mir noch anderen erzählt?< >Bei Gott, ich habe es jedem gesagt, der es hören wollte. Er hat mich nicht um Geheimhaltung gebeten, er hat mir ja nicht einmal die Ehre erwiesen, mich zu erkennen.< >Aber sein Vater?< sagte ich mit halber Stimme. >Sein Vater kann nur entzückt sein, denn was beweist das anderes, als daß sein Sohn sein Glück gemacht hat? < Ich seufzte und ging zu Thomas Lambert. Ich fand ihn, den Kopf in die Hände gestützt, an seinem Tisch sitzend, er hörte mich nicht die Tür öffnen, er hörte nicht, wie ich mich ihm näherte. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter; er erschauerte und wandte sich um. >Du weißt alles?<

>Der Herr Bürgermeister erzählte mir soeben, er sei Gabriel zu Pferd und in der Oper begegnet; doch er kann sich getäuscht ha-ben.<

>Wie soll er sich getäuscht haben? Kennt er ihn nicht so gut wie wir? O nein, das alles ist die reine Wahrheit.<

>Wenn er sein Glück gemacht hat<, erwiderte ich schüchtern, >müs-sen wir uns darüber freuen, wenigstens wird er glücklich sein.<

>Glück gemacht!< rief Vater Thomas. >Und auf welche Weise soll er sein Glück gemacht haben? Ist das ehrenhaft, ist das mit rechten Dingen zugegangen, wie so viele Leute in dieser Zeit zu Reichtum und Ansehen, zu Wagen und Pferden, zu einem vornehmen Namen gekommen sind, die noch vor kurzer Zeit nichts waren und nichts hatten. Gabriel war nicht schlecht, das weißt du, mein Kind, aber er hat gesehen, was andere gemacht haben, und er hat es ihnen nachgemacht. Oder nennst du das ehrenhaft, wenn sich der Sohn vor seinem Vater versteckt und das Versprechen vergißt, das er seiner Braut gegeben hat, die ihm nun nicht mehr gut genug ist?< >Sie begreifen wohl, daß ich seiner nicht mehr würdig bin, wenn er so reich ist.<

>Marie, Marie<, sprach der Vater, den Kopf schüttelnd, >ich befürchte vielmehr, daß er deiner nicht mehr würdig ist.< Und er ging auf den kleinen Rahmen zu, der die Federzeichnung enthielt, die Gabriel einst angefertigt hatte, zerbrach ihn in Stücke, zerriß die Zeichnung und warf sie ins Feuer.

Ich ließ ihn gewähren, ohne ihn zurückzuhalten, denn ich dachte an das Bruchstück einer Banknote, das am Morgen seiner Abreise die kleine Schäferin aufgehoben hatte, ein Bruchstück, das ich aufbewahrt hatte und auf dem die Worte standen: >Das Gesetz bestraft den Fälscher mit dem Tode.<

>Was sollen wir tun?< fragte ich.

>Wir müssen ihn in sein Verderben rennen lassen, wenn er es nicht schon getan hat.<

>Bitte<, sprach ich, >versucht von meinem Vater die Erlaubnis zu erhalten, daß ich noch einmal vierzehn Tage bei Eurer Schwester zubringen darf.<

>Warum?<

>Ich werde nach Paris fahren.<

Er schüttelte den Kopf und murmelte: >Ein unnötiger Gang, glaube mir, ein unnötiger Gang.<

>Vielleicht.<

>Denkst du, wenn ich noch Hoffnung hätte, ich ginge nicht selbst? Übrigens wissen wir seine Adresse nicht; wie sollen wir ihn finden, ohne uns bei der Polizei zu erkundigen, und wer weiß, was geschehen wird, wenn wir uns bei der Polizei erkundigen?<

>Ich habe ein Mittel<, erwiderte ich.

>Ihn zu finden?<

>Ja.<

>So geh! Vielleicht richtest du wirklich etwas aus. Brauchst du etwas?<

>Nur die Erlaubnis meines Vaters.<

Ich erhielt sie noch an demselben Tag, aber mit mehr Schwierigkeit als beim erstenmal. Seit einiger Zeit war mein Vater leidend, und ich fühlte selbst, daß die Stunde, ihn zu verlassen, schlecht gewählt war; doch etwas Stärkeres als mein Wille trieb mich fort.«

13. Kapitel

Das Blumenmädchen

»Drei Tage später reiste ich ab; mein Vater glaubte, ich führe nach Caen, und Thomas Lambert und der Pfarrer wußten allein, daß ich mich nach Paris begab.

Ich kam durch das Dorf, wo mein Kind lebte, und nahm es zu mir.

Ich arme Närrin bedachte nicht, daß ich mit mir schon genug zu tun hatte.

Nach drei Tagen war ich in Paris.

Ich stieg in der Rue des Vieux-Augustins im Hotel de Venise ab: Es war das einzige Hotel, dessen Namen ich kannte, es war dasjenige, wo er abgestiegen und wohin ich ihm geschrieben hatte.

Hier zog ich Erkundigungen über ihn ein; man erinnerte sich seiner sehr gut: Er hatte stets in seinem Zimmer eingeschlossen gelebt und unablässig mit einem Kupferstecher gearbeitet, ohne daß man

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